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... weiterlesen!DStV, Mitteilung vom 08.04.2021
Die letzten Empfehlungen der EU-Kommission zur Berufsreglementierung hatten großen Einfluss auf das Berufsrecht der Steuerberater. Für diesen Sommer hat die EU-Kommission eine Aktualisierung angekündigt. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV e.V.) nimmt auf Grundlage seiner Stellungnahme an der Debatte teil.
Im Januar 2017 veröffentlichte die EU-Kommission ihre Empfehlungen zur Berufsreglementierung mehrerer Berufsgruppen an die Mitgliedstaaten. Für Steuerberater in Deutschland, die nach Ansicht der Brüsseler Behörde einer hohen Regulierungsintensität unterlägen, wurden insgesamt drei Maßnahmen empfohlen:
Einmal sollte Deutschland überdenken, „ob einfache Aufgaben wie die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung oder die Erstellung von Steuererklärungen hochqualifizierten Fachkräften vorbehalten sein müssten“. Viel Bedenkzeit wurde der deutschen Regierung dabei nicht eingeräumt. Denn bereits im darauffolgenden Jahr eröffnete die EU-Kommission das noch anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland aufgrund der Vorbehaltsaufgaben im Steuerberatungsgesetz. Soweit kein tragfähiger Kompromiss gefunden wird, dürfte die Sache vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden.
Außerdem sollte Deutschland für Transparenz und Rechtssicherheit bei der Erbringung von Steuerberatungsdienstleistungen durch in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen sorgen. In der Folge wurde § 3a des Steuerberatungsgesetzes dergestalt geändert, dass die vorübergehende und gelegentliche geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen vom Staat der Niederlassung aus erfolgen kann. Mission accomplished.
Schließlich sollte Deutschland „die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse prüfen.“ Hierzu ist das Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Berufsrechts zur anwaltschaftlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften im vollen Gange.
Die drei Empfehlungen der EU-Kommission hatten und haben also ganz erhebliche Folgen für die berufsrechtlichen Belange der Steuerberater.
Jetzt hat die EU-Kommission eine Aktualisierung der Empfehlungen für den Sommer angekündigt. Eine Neuerung dürfte dabei die Überprüfung der berufsrechtlichen Vorschriften in Bezug auf die Behinderung von neuen, insbesondere digitalen, Geschäftsmodellen sein. Erstmalig würde damit das Berufsrecht der Steuerberater einem Belastungstest im Hinblick auf die Digitalisierung des EU-Binnenmarkts ausgesetzt.
Der DStV erwartet in seiner Stellungnahme E 06/21 vom 31.03.2021 an die EU-Kommission, dass neue Geschäftsmodelle im Bereich der freiberuflichen Dienstleitungserbringung aus Gründen der Fairness den gleichen berufsrechtlichen Regeln unterliegen, wie die der anderen freiberuflichen Dienstleistungserbringer. Werte, Grundsätze und Ziele berufsrechtlicher Bestimmungen zum Schutz von Verbrauchern, zur Sicherung der Qualität, der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung des Berufsstandes müssen auch von Dienstleistungserbringern neuer Geschäftsmodelle gewährleistet werden.
Darüber hinaus setzt sich der DStV etwa für die umfängliche Berücksichtigung von Sprach-, Gesetzes- und Sachkenntnis bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit von zu empfehlenden Maßnahmen ein, fordert eine realistische Datenerhebung sowie die Einbeziehung sämtlicher Indikatoren zur Ermittlung von Wirtschaftswachstum einschließlich bestehender Opportunitätskosten.
Außer dem DStV haben noch 33 weitere Organisationen eine Stellungnahme zur Aktualisierung der Berufsreglementierungsempfehlungen abgegeben, darunter unsere Europäischen Dachverbände, die European Tax Advisers Federation (ETAF) und die European Federation of Accountants and Auditors for SMEs (EFAA).
Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de
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... weiterlesen!BFH, Urteil XI R 11/18 vom 11.11.2020
Festsetzungsverjährung – Treu und Glauben
Leitsatz
- Zur Inhaltsbestimmung eines Verwaltungsakts ist zwar der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften; allerdings ist ein in seinem Ausspruch eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern keiner Auslegung zugänglich.
- Eine Außenprüfung, die aufgrund einer gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen.
- Ist Festsetzungsverjährung eingetreten, ermöglicht es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Steueranspruch wieder auflebt; dies gilt unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung „vorwerfbar“ ist oder nicht.
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 27.02.2018 – 2 K 33/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Gründe:
I.
1
Streitig ist, ob bei Erlass der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Besteuerungszeiträumen 2004 bis 2007 (Streitjahre) eine … Klinik, bis sie aufgrund Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 22.08.2007 ihr gesamtes Vermögen gegen Gewährung einer Kommanditbeteiligung an der A GmbH & Co. KG (KG) auf diese übertrug. Beide Gesellschaften gehören der sog. X-Gruppe an.
3
Ihre Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, hatte die Klägerin jeweils im zweiten nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahr beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) abgegeben.
4
Mit Schreiben vom 24.06.2009 informierte das FA im Vorfeld einer geplanten Umsatzsteuerprüfung bei der KG u.a. darüber, dass es davon ausgehe, dass diese als Rechtsnachfolgerin der Klägerin anzusehen sei. Am 04.12.2009 ordnete es unter Verwendung der Steuernummer der Klägerin eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) “bei der Firma A GmbH & Co. KG als RNF der B GmbH” an. Diese —der damaligen steuerlichen Vertreterin aller Gesellschaften und Einzelpersonen der X-Gruppe bekannt gegebene— Prüfungsanordnung erging “an Sie als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 AO)”. Die Außenprüfung sollte sich u.a. auf die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer der Zeiträume 2003 bis 2006 erstrecken.
5
Im Einspruchsverfahren gegen die Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Frist zwischen der Bekanntgabe der Anordnung und dem Beginn der Prüfung sei zu kurz bemessen, erklärte die steuerliche Vertreterin unter Bezugnahme auf die vom FA verwendete Adressatenbezeichnung, sie gehe davon aus, dass es sich um eine einheitliche Prüfung bei allen Gesellschaften und Einzelpersonen der X-Gruppe handele. Mit Schreiben vom 30.07.2010 erklärte sie die Rücknahme des Einspruchs. Das FA nahm mit Bescheid vom 09.08.2010 die Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2003 zurück.
6
Am 16.08.2010 erließ das FA unter derselben Adressatenbezeichnung und Verwendung der Steuernummer der Klägerin eine “geänderte Prüfungsanordnung”, nunmehr betreffend die Zeiträume 2004 bis 2007.
7
Im Rahmen der Außenprüfung wurden der steuerlichen Vertreterin u.a. Fragen/vorläufige Feststellungen übermittelt, die als zur “Betriebsprüfung bei B GmbH” gehörend gekennzeichnet waren. Auch die Antworten der Mitarbeiter der steuerlichen Vertreterin mit Bezug zur Steuernummer der Klägerin und zur Auftragsbuchnummer der betreffenden Außenprüfung erfolgten mit Hinweis auf die Klägerin.
8
In seinem Bericht vom 29.11.2013 “über die Außenprüfung bei der Firma B GmbH” stellte der Prüfer zur Umsatzsteuer der Streitjahre fest, dass die Klägerin trotz Ausführung auch steuerfreier Umsätze keine Vorsteueraufteilung vorgenommen hatte. Die gebotene Aufteilung führte zu Mehrsteuern von … € (2004), … € (2005), … € (2006) und … € (2007). In der Schlussbesprechung vom 02.07.2013 wurde hinsichtlich aller Prüfungsfeststellungen Einvernehmen erzielt. Die Prüfungsfeststellungen wertete das FA mit Änderungsbescheiden vom 18.03.2014 aus.
9
Die Einsprüche, mit denen die nunmehr durch die Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin Festsetzungsverjährung geltend machte, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) München wies die Klage mit Urteil vom 27.02.2018 – 2 K 33/16 (
Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1018) ab.
10
Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, bei Erlass der angefochtenen Steuerbescheide sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Eine Prüfungsanordnung für sie, die Klägerin, fehle von Beginn an, da die Prüfungsanordnung vom 04.12.2009 bzw. 16.08.2010 an die KG adressiert gewesen sei. Hilfsweise sei die nicht an den Inhaltsadressaten gerichtete Prüfungsanordnung nichtig. Für den Fall, dass nicht von deren Nichtigkeit auszugehen sei, sei sie nicht auslegungsfähig, weil eindeutig an die KG als Inhaltsadressatin gerichtet. Soweit das FG die Prüfungsanordnung für mehrdeutig und auslegungsfähig halte, berücksichtige es unzulässigerweise Handlungen nach Ergehen der fehlerhaften Prüfungsanordnung; insbesondere könne ihr Mitwirken an der Außenprüfung nicht zu ihren Lasten gehen. Schließlich sei ihr Berufen auf die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung entgegen der Auffassung des FG nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
11
Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 und die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 18.03.2014 aufzuheben.
12
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
13
Es verteidigt die Vorentscheidung. Das FG habe die Prüfungsanordnung zu Recht nicht als nichtig, sondern als auslegungsfähig angesehen. Dies beruhe auf den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, was im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden könne, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen habe. Ein solcher Verstoß liege hier nicht vor. Die Adressierung der Prüfungsanordnung sei, soweit sie die KG als “Rechtsnachfolgerin” in Bezug genommen habe, unter einem zivilrechtlichen Gesichtspunkt der “teilweisen Gesamtrechtsnachfolge” bzw. “Sonderrechtsnachfolge”, den das FG hervorgehoben habe, zutreffend gewesen. Aus dieser Dualität der zivil- und steuerrechtlichen Beurteilung ergebe sich über die vom FG angeführten Punkte hinaus ein weiteres Element einer Unsicherheit und damit Auslegungsfähigkeit des Verwaltungsakts. Aus den bereits bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erkennbaren Umständen zur Bestimmung des Inhaltsadressaten habe das FG zutreffend geschlossen, dass der Klägerin “klar” gewesen sei, Adressatin der Prüfungsanordnung zu sein. Der Inhaltsadressat müsse nicht zwingend für einen Dritten aus dem Bescheid selbst oder aus beigefügten Unterlagen erkennbar sein; entscheidend sei vielmehr, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann, was das FG hier zutreffend bejaht habe.
14
Der Grundsatz von Treu und Glauben könne nicht einseitig zulasten der Verwaltung wirken. Dies wäre jedoch der Fall, wenn eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung bedingt, dass diese nicht die Rechtsfolge der Ablaufhemmung zeitigen könne, und jegliches Verhalten des Steuerpflichtigen unbeachtlich sein müsse.
II.
15
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
16
Zu Unrecht hat das FG erkannt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für das jeweilige Streitjahr dadurch gehemmt gewesen sei, dass vor deren Ablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Ferner ist die Klägerin entgegen der Auffassung des FG nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, den Ablauf der regulären Festsetzungsfrist geltend zu machen. Die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) reichen jedoch nicht aus, um den Streitfall abschließend zu entscheiden; das FG hat es ausdrücklich —auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu Recht— offengelassen, ob aufgrund Steuerhinterziehung eine verlängerte Festsetzungsfrist gilt.
17
1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Erlass eines Steuerbescheides nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Frist begann für das Streitjahr 2004 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung im Jahre 2006 mit Ablauf des 31.12.2006, für die übrigen Streitjahre entsprechend mit Ablauf des 31.12.2007, des 31.12.2008 bzw. des 31.12.2009 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO jeweils nach vier Jahren mit Ablauf des 31.12.2010, des 31.12.2011, des 31.12.2012 bzw. des 31.12.2013, sofern ihr Ablauf nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den Beginn der Außenprüfung, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre erstreckte, gehemmt wurde.
18
2. Im Streitfall ist der Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO dadurch gehemmt worden, dass vor Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Zwar hat das FA für die Streitjahre Prüfungsanordnungen erlassen, doch sind diese gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 21.04.1993 – X R 112/91,
BFHE 171, 15,
BStBl II 1993, 649, unter B.II.1.c bb, Rz 37; vom 13.10.2016 –
IV R 20/14,
BFH/NV 2017, 475, Rz 39).
19
a) Eine Ablaufhemmung durch eine Außenprüfung setzt u.a. voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.07.1999 – VIII R 17/97,
BFHE 189, 302,
BStBl II 2000, 306, unter II.3.c, Rz 21; vom 26.04.2017 –
I R 76/15,
BFHE 258, 210,
BStBl II 2017, 1159, Rz 21). Das FA hat am 04.12.2009 eine Prüfungsanordnung zu den Zeiträumen 2003 bis 2006 und, nachdem es am 09.08.2010 die Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2003 zurückgenommen hatte, am 16.08.2010 eine “geänderte Prüfungsanordnung” zu den Zeiträumen 2004 bis 2007 erlassen.
20
Regelungscharakter kommt dabei lediglich der Anordnung vom 04.12.2009 zu den Zeiträumen 2004 bis 2006 sowie der Anordnung vom 16.08.2010 zu dem Zeitraum 2007 zu. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das FA seine Ermessensentscheidung (zur Prüfungsanordnung allgemein vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.06.2016 – III R 8/15,
BFHE 254, 203,
BStBl II 2017, 25, Rz 15 ff.) vom 04.12.2009, die steuerlichen Verhältnisse der Zeiträume 2004 bis 2006 zu prüfen, nochmals einer inhaltlichen Prüfung unterzogen und für diese Zeiträume am 16.08.2010 eine neue Regelung erlassen hätte. Vielmehr stellt sich die “geänderte Prüfungsanordnung” insoweit als bloß wiederholende Verfügung dar, die keine neue Regelung mit unmittelbarer Rechtserheblichkeit traf (vgl. z.B. allgemein BFH-Urteile vom 06.08.1996 –
VII R 77/95,
BFHE 181, 107,
BStBl II 1997, 79, unter 2.b, Rz 27; vom 12.03.2015 –
III R 14/14,
BFHE 249, 292,
BStBl II 2015, 850, Rz 39). Lediglich für den Zeitraum 2007 hat das FA am 16.08.2010 (erstmals) eine Regelung erlassen.
21
b) Diese der vormaligen steuerlichen Vertreterin bekannt gegebenen Prüfungsanordnungen vom 04.12.2009 und vom 16.08.2010 sind der Klägerin gegenüber nicht wirksam geworden, weil sie das FA nicht dieser gegenüber als Inhaltsadressatin, sondern gegenüber der KG erlassen hat. Dies ergibt sich aus der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO “bei der Firma A GmbH & Co. KG als RNF der B GmbH”.
22
aa) Mit der KG hat das FA nicht den zutreffenden Inhaltsadressaten herangezogen. Denn wie sich aus der Bezeichnung der KG als (vermeintlicher) Rechtsnachfolgerin der Klägerin, der Angabe der Steuernummer der Klägerin sowie aus der Anordnung der Außenprüfung u.a. zur Körperschaftsteuer ergibt, sollten nicht die steuerlichen Verhältnisse der KG, sondern diejenigen der Klägerin geprüft werden. Da aufgrund erfolgter Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) weder die Klägerin als übertragende Rechtsträgerin untergegangen noch eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 07.08.2002 – I R 99/00,
BFHE 199, 489,
BStBl II 2003, 835, unter II.1., Rz 17 f.), wären die Prüfungsanordnungen an die Steuerschuldnerin, die Klägerin, und nicht wie geschehen an die KG zu richten gewesen (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 13.10.2005 –
IV R 55/04,
BFHE 211, 387,
BStBl II 2006, 404, unter I.2., Rz 16).
23
Hiervon geht auch die Finanzverwaltung aus. Da in Fällen einer Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) keine Gesamtrechtsnachfolge i.S. des § 45 Abs. 1 AO vorliegt (so auch Tz. 2 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung —AEAO— zu § 45 AO), ist eine Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis zur Ausgliederung bezieht, stets an den ausgliedernden Rechtsträger —im Streitfall die Klägerin— zu richten (Tz. 9.3 AEAO zu § 197 AO).
24
bb) Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners —bzw. der Person, die die Außenprüfung zu dulden hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 387,
BStBl II 2006, 404, unter I.2., Rz 16)— können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.10.1985 –
GrS 4/84,
BFHE 145, 110,
BStBl II 1986, 230, unter C.I.1., Rz 35; BFH-Urteil vom 25.01.2006 –
I R 52/05,
BFH/NV 2006, 1243, unter II.1.b cc, Rz 15). Denn die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides kann nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängig sein (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 145, 110,
BStBl II 1986, 230, unter C.II.1., Rz 39).
25
cc) Die Prüfungsanordnungen vom 04.12.2009 und vom 16.08.2010 können entgegen der Rechtsauffassung des FG auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich gegen die Klägerin als Inhaltsadressatin richteten.
26
(1) Eine Bindung des erkennenden Senats an die Auslegung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO besteht nicht. Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25.09.1990 – IX R 84/88,
BFHE 162, 4,
BStBl II 1991, 120, unter B.III.1.a, Rz 18; in
BFH/NV 2017, 475, Rz 50; vom 21.06.2017 –
V R 3/17,
BFHE 259, 140,
BStBl II 2018, 372, Rz 18).
27
(2) Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts. In diesem muss gemäß § 119 Abs. 1 AO hinreichend bestimmt sein, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Der Inhaltsadressat ist genügend bestimmt, wenn Zweifel durch Auslegung behoben werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 4,
BStBl II 1991, 120, unter B.III.1.a, Rz 18). Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts ist —der in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) niedergelegten Regel entsprechend— der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. z.B. BFH-Urteile in
BFH/NV 2006, 1243, unter II.1.b bb, Rz 13; in
BFHE 259, 140,
BStBl II 2018, 372, Rz 18). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein seinem Ausspruch nach eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern einer Auslegung zugänglich wäre (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15.04.2010 –
IV R 67/07,
BFH/NV 2010, 1606, Rz 23 f.; in
BFH/NV 2017, 475, Rz 49).
28
(3) Auch wenn die Prüfungsanordnungen vom 04.12.2009 und vom 16.08.2010 —ebenfalls fehlerhaft— “mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 AO)” ergingen, was auf die steuerlichen Verhältnisse der KG als beabsichtigten Prüfungsgegenstand hindeuten könnte, war der Wille des FA erkennbar, die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin in den Zeiträumen 2004 bis 2007 einer Außenprüfung zu unterziehen. In der —rechtlich unzutreffenden und in Widerspruch zu Tz. 9.3 AEAO zu § 197 AO stehenden— Annahme, aufgrund vollzogener Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG seien Bescheide an den übernehmenden Rechtsträger zu richten, hat das FA die Prüfungsanordnungen —erkennbar— willentlich an die KG als (vermeintliche) Rechtsnachfolgerin der Klägerin adressiert. Zweifel an der eindeutigen Bezeichnung der KG als der falschen Inhaltsadressatin bestehen nicht.
29
(4) Ist danach im Streitfall mangels Mehrdeutigkeit für eine Auslegung kein Raum (vgl. z.B. allgemein BFH-Urteile vom 22.06.1983 – I R 55/80,
BFHE 139, 291,
BStBl II 1984, 63, unter II.1., Rz 19; in
BFHE 211, 387,
BStBl II 2006, 404, unter I.4., Rz 18), kann es auf das vom FG angeführte weitere Verhalten der Beteiligten nicht ankommen. Dass sich die Klägerin als Adressatin der Prüfungsanordnung angesehen habe und an der Außenprüfung mitgewirkt hat, ist —wie nachgelagerte Umstände überhaupt— ohnehin unbeachtlich (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 145, 110,
BStBl II 1986, 230, unter C.II.1., Rz 39; BFH-Urteile in
BFHE 162, 4,
BStBl II 1991, 120, unter B.III.1.a, Rz 18; in
BFH/NV 2006, 1243, unter II.1.b bb, Rz 13; vom 30.09.2015 –
II R 31/13,
BFHE 250, 505,
BStBl II 2016, 637, Rz 15).
30
c) Soweit nicht eine verlängerte Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) greift, sind mithin die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Streitjahre erloschen (§ 47 AO).
31
3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist es der Klägerin nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist zu berufen.
32
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt. Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass der Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass —wie mit BFH-Urteil vom 17.06.1992 – X R 47/88 (
BFHE 169, 103,
BStBl II 1993, 174, unter 1.b, Rz 34 ff.) entschieden— eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Ist aber —wie im Streitfall— Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Geltung von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Anspruch des FA aus dem Steuerschuldverhältnis wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 08.02.1996 –
V R 54/94,
BFH/NV 1996, 733, unter II.2.b, Rz 17; vom 19.08.1999 –
III R 57/98,
BFHE 191, 198,
BStBl II 2000, 330, Rz 12; vom 22.01.2013 –
IX R 1/12,
BFHE 239, 385,
BStBl II 2013, 663, Rz 21).
33
4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat —von seinem Standpunkt aus konsequenterweise— nicht geprüft, ob im Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO gilt (vgl. dazu den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des FG München vom 24.03.2016 – 2 V 297/16, nicht veröffentlicht, unter II.2.c). Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
34
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!- 8. April 2021
BFH: Änderung von Einkommensteuerbescheiden nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG aufgrund einer Mitteilung der ZfA
BFH, Urteil X R 2/19 vom 08.09.2020
Leitsatz
- Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) führt bei Abweichungen in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht dazu, dass das Finanzamt ungeprüft den Inhalt dieser Mitteilung umzusetzen hat; die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid weder ein Grundlagenbescheid noch kommt ihr grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu.
- § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ermächtigt das Finanzamt lediglich, die Einkommensteuerfestsetzung i. S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO zu ändern.
Tenor:
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 05.12.2018 – 1 K 326/16, die Einspruchsentscheidung vom 05.10.2016 sowie die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 vom 31.03.2015 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden in den Streitjahren 2010 bis 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte und war als landwirtschaftlicher Unternehmer in der landwirtschaftlichen Alterskasse gesetzlich (renten-)versichert. Daneben zahlte der Kläger in einen Altersvorsorgevertrag ein. In dem bereits 2005 unterzeichneten Vertragsformular hatte er angegeben, mittelbar zulageberechtigt zu sein. Die Klägerin unterhielt beim gleichen Anbieter ebenfalls einen Altersvorsorgevertrag. Sie ist unmittelbar zulageberechtigt.
2
Die Kläger machten in ihren Steuererklärungen für die Streitjahre jeweils einen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) geltend. Der Kläger hatte in allen Streitjahren Beiträge in Höhe von 1.946,04 € in seinen Altersvorsorgevertrag eingezahlt und eine Zulage in Höhe von 154 € erhalten. Die Klägerin hatte jeweils 720 € in ihren Vertrag eingezahlt und eine Grundzulage in Höhe von 154 € und Kinderzulagen in Höhe von 555 € für drei Kinder erhalten. In den Anlagen AV zu den Einkommensteuererklärungen gaben die Kläger an, dass jeder von ihnen unmittelbar zulageberechtigt sei.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß. Er berücksichtigte in Bezug auf den Kläger in allen Streitjahren einen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG in Höhe von jeweils 2.100 €. Daneben ermittelte das FA einen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG für die Klägerin in Höhe von 1.429 €.
4
Am 26.01.2015 teilte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) dem FA mit, dass der Kläger nur mittelbar zulageberechtigt sei. Daraufhin änderte das FA am 31.03.2015 die Einkommensteuerfestsetzungen sowie die Feststellungen nach § 10a Abs. 4 EStG für die Streitjahre.
5
Die Kläger legten unter Übersendung von Nachweisen zur Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der landwirtschaftlichen Alterskasse Einspruch ein. Außerdem stellte der Kläger bei der ZfA einen Antrag auf Festsetzung der Altersvorsorgezulage für die Streitjahre 2011 und 2012 sowie das Folgejahr 2013. Für letztgenanntes Jahr setzte die ZfA eine Altersvorsorgezulage von 154 € fest, da auch sie nach erneuter Überprüfung von einer unmittelbaren Zulageberechtigung des Klägers ausging. Für die Streitjahre 2011 und 2012 lehnte die ZfA die Festsetzung der Altersvorsorgezulage ab, da die Anträge des Klägers nicht fristgemäß eingegangen seien. Die Einsprüche gegen diese Bescheide der ZfA nahm der Kläger in der Folgezeit zurück.
6
Das FA wies die Einsprüche der Kläger gegen die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen und die gesonderten Feststellungen nach § 10a Abs. 4 EStG für die Streitjahre 2010 bis 2012 zurück. Auch die Klage blieb aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 435 abgedruckten Gründen erfolglos. Aufgrund des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG habe das FA die Bescheide zu ändern.
7
Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts.
8
§ 91 Abs. 1 Satz 4 EStG stelle zwar eine Änderungsvorschrift i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d der Abgabenordnung (AO) dar. Eine materielle Wirkung darüber hinaus komme dieser Norm indes nicht zu. Insbesondere sei die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG kein Grundlagenbescheid, da es bereits an einer Bekanntgabe gegenüber dem Zulageberechtigten fehle. Wie im Fall des später eingefügten inhaltsgleichen § 175b AO diene § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG lediglich der Unterstützung des FA und unterliege deshalb den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung. Es sei mit dem Sinn und Zweck des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht vereinbar, einen materiell-rechtlich zutreffenden Bescheid zu ändern. § 10a Abs. 5 Satz 4 EStG sehe zudem vor, dass die übrigen Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs, zu denen auch die Art der Zulageberechtigung gehöre, vom FA geprüft würden. Soweit der Wortlaut dieser Vorschrift auf die Prüfung “im Wege des automatisierten Datenabgleichs” abstelle, heiße dies nicht, dass die Prüfung ausschließlich dergestalt zu erfolgen habe.
9
Die Gewährung von Rechtsschutz durch das Festsetzungsverfahren nach § 90 Abs. 4 Satz 1 EStG scheitere daran, dass in diesem Verfahren nicht über die Art der Zulageberechtigung entschieden werde. Auch sei die Jahresfrist des § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG regelmäßig zu knapp bemessen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne aufgrund der Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO nicht gewährt werden.
10
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil sowie die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2010 bis 2012 vom 31.03.2015, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.10.2016, aufzuheben.
11
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12
Da § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG eine gebundene Änderungsvorschrift sei, bestehe kein eigenständiges Prüfungsermessen des FA. Es komme nicht darauf an, dass die Mitteilung kein Verwaltungsakt und damit auch kein Grundlagenbescheid sei. Im Übrigen bestehe aufgrund der systematischen Stellung des § 91 EStG im XI. Abschnitt des EStG Klarheit darüber, dass die alleinige Zuständigkeit zur Überprüfung der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 EStG bei der ZfA liege.
13
Ausreichender Rechtsschutz werde durch die Möglichkeit zur Beantragung einer Festsetzung einer Zulage nach § 90 Abs. 4 Satz 1 EStG gewährt. Dieses Festsetzungsverfahren betreffe auch die Art der Zulageberechtigung. Eine Überprüfung durch das FA hätte eine Verlängerung der dort genannten Jahresfrist zur Folge, die im dreistufigen gesetzlichen Verfahren zur Ermittlung, Überprüfung und Festsetzung der Altersvorsorgezulage nicht vorgesehen sei.
II.
14
Die Revision ist begründet. Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst und hebt das Urteil sowie die Einkommensteuerbescheide vom 31.03.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.10.2016 auf. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
15
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sowie die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig, da den Klägern aufgrund ihrer unmittelbaren Zulageberechtigung (§ 79 Satz 1 EStG) der Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG zu gewähren war (unter 1.). Das FG war verpflichtet, diesen Umstand bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen; eine Anfechtungsbeschränkung bestand für die Kläger insoweit nicht (unter 2.).
16
1. Den Klägern steht wegen ihrer unmittelbaren Zulageberechtigung gemäß § 79 Satz 1 EStG der Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zu.
17
a) In der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte können gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG Altersvorsorgebeiträge i.S. des § 82 EStG zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI des EStG zustehenden Zulage jährlich bis zu 2.100 € als Sonderausgaben abziehen. Sie haben gemäß § 79 Satz 1 EStG einen unmittelbaren Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage und sind deshalb unmittelbar zulageberechtigt. Zu diesen gesetzlich Rentenversicherten gehören auch die Steuerpflichtigen, die in der landwirtschaftlichen Alterskasse pflichtversichert sind (vgl. nur Fischer in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 10a Rz 4, m.w.N.).
18
Der Kläger ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, in den Streitjahren in der landwirtschaftlichen Alterskasse pflichtversichert gewesen. Somit ist auch er gemäß § 79 Satz 1 EStG unmittelbar zulageberechtigt und kann gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zusätzlich Sonderausgaben geltend machen.
19
b) Aufgrund der von ihm in den Streitjahren gezahlten Altersvorsorgebeiträge in Höhe von jeweils 1.946,04 € und dem Zulageanspruch in Höhe von 154 € sowie der von der Klägerin gezahlten Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 720 € nebst Zulagen in Höhe von insgesamt 1.429 € ist der Sonderausgabenabzug bei beiden Klägern nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG in allen Streitjahren günstiger als der Anspruch auf die Zulage nach Abschnitt XI des EStG. Diese Ermäßigungen sind vom FA in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden für 2010 vom 13.01.2012, für 2011 vom 08.02.2013 und für 2012 vom 12.02.2014 zutreffend berücksichtigt (und gemäß § 10a Abs. 4 EStG in diesen Bescheiden richtig festgestellt) worden. Der Senat, der dies im Einzelnen überprüft hat, verzichtet auf eine ausführliche Darstellung der Berechnung und verweist auf die vorgenannten —in materieller Hinsicht nicht streitigen— Bescheide.
20
2. Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit der geänderten Steuerfestsetzungen hatte das FG —anders als es meinte— im Rahmen seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt, ebenso wie die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufzuheben hat. Es hat eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bei seiner Entscheidung ausnahmsweise nur dann hinzunehmen, wenn der Kläger aufgrund einer Anfechtungsbeschränkung gemäß § 42 FGO sachlich nicht befugt ist, im anstehenden Verfahren eine dementsprechende Rechtsverletzung geltend zu machen.
21
Eine derartige Beschränkung ist im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nicht vor, wonach Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung jenes Bescheides, nicht aber auch durch eine solche des Folgebescheides, angegriffen werden können. Bei der Mitteilung der ZfA an das FA gemäß § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG handelt es sich weder um einen Grundlagenbescheid (unter a) noch hat sie grundlagenbescheidsähnliche Wirkung (unter b). Ebenso wenig kommt der Mitteilung aus sonstigen Gründen Tatbestandswirkung zu (unter c). Die von der Vorinstanz angenommene Anfechtungsbeschränkung führt zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes für den Steuerpflichtigen (unter d).
22
a) Bei der Mitteilung der ZfA an das FA i.S. von § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO).
23
aa) Nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sind Grundlagenbescheide Feststellungsbescheide i.S. der §§ 179 ff. AO, Steuermessbescheide i.S. des § 184 AO und andere Verwaltungsakte, soweit diese für die Festsetzung der Steuer bindend sind. Verfahrensrechtlich sind Grundlagenbescheide verselbständigte, inhaltlich vorrangige Entscheidungen über Besteuerungsgrundlagen, die für andere Entscheidungen im Besteuerungsverfahren in dem Sinne bindend sind, dass die für die Folgeentscheidung zuständige Finanzbehörde sie ungeprüft zu übernehmen hat (vgl. statt aller Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 202, m.w.N.).
24
bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bereits deshalb nicht erfüllt, da die Mitteilung der ZfA nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG kein Verwaltungsakt (vgl. § 118 Satz 1 AO) ist. Es fehlt an einer Außenwirkung im Verhältnis zum Zulageberechtigten. Die ZfA teilt das Prüfungsergebnis lediglich dem FA mit. Es handelt sich um ein bloßes Verwaltungsinternum.
25
Diese fehlende Außenwirkung wird auch nicht durch die Bescheinigung des Anbieters nach § 92 EStG ersetzt. Denn anders als im Fall eines Antrags auf Festsetzung der Zulage kommt der Bescheinigung nach § 92 EStG insoweit keine Rechtswirkung zu. Zwar stellt § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG im Zusammenhang mit der Jahresfrist nach Erhalt der Bescheinigung nach § 92 EStG auf Ermittlungsergebnisse für das Beitragsjahr ab. Die Bescheinigung des Anbieters nach § 92 EStG enthält aber weder Angaben zur Art der Zulageberechtigung noch zu den Ergebnissen des Datenabgleichs nach § 91 Abs. 1 EStG. Vielmehr beinhaltet sie nach § 92 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich die im abgelaufenen Beitragsjahr getroffenen, aufgehobenen oder geänderten Ermittlungsergebnisse nach § 90 EStG.
26
§ 90 EStG betrifft allein die Gewährung der Zulage an sich und deren Höhe. Ob die Zulage an den Zulageberechtigten aufgrund einer unmittelbaren Berechtigung nach § 79 Satz 1 EStG oder aufgrund einer mittelbaren Berechtigung nach § 79 Satz 2 EStG gewährt wird, ist schon nach dem Wortlaut des § 90 EStG dem Anbieter nicht mitzuteilen. Folglich kann er insoweit keine Bescheinigung nach § 92 EStG ausstellen. Deshalb enthalten auch die Muster der Bescheinigungen nach § 92 EStG, die das Bundesamt für Finanzen für die Streitjahre veröffentlicht hat (vgl. nur Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 09.01.2009 – IV C 3–S 2495/08/10003, 2009/0004504, BStBl I 2009, 46, und vom 10.10.2011 – IV C 3–S 2495/08/10003:002, 2011/0789638,
BStBl I 2011, 964), keine Unterscheidung in Bezug auf die Art der Zulageberechtigung.
27
cc) Darüber hinaus scheitert eine Qualifikation der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG als Grundlagenbescheid an dem Vorliegen einer gesetzlichen Bestimmung i.S. des § 179 Abs. 1 AO, die es ermöglicht, abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen, hier also einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG bzw. dessen nachträgliche Versagung, gesondert festzustellen.
28
b) Der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG kommt auch keine grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu. Unabhängig davon, dass eine solche Wirkung mangels Bekanntgabe an den Zulageberechtigten überhaupt nicht möglich ist, fehlt es bereits an einer entsprechenden Formulierung in § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG. Auch § 10a EStG enthält keinen Hinweis auf eine solche Bindungswirkung.
29
aa) Der Wortlaut des § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG sieht lediglich vor, dass das FA aufgrund der Mitteilung der ZfA die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung gemäß § 10a Abs. 4 EStG zu ändern hat. Diese Änderungsnorm ist aber nicht mit einer inhaltlichen Bindungswirkung ausgestaltet worden. Denn eine Bindungswirkung, wie sie § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den Fall von Feststellungsbescheiden ausdrücklich vorsieht, fehlt in Bezug auf § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ebenso wie ein Hinweis auf die Vorschriften des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2 AO oder § 42 FGO. Dagegen sieht z.B. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften für den Fall der Verlustfeststellung vor. Erst die Nennung dieser im Fall eines Grundlagenbescheides relevanten Verfahrensvorschriften führt dazu, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung von einer inhaltlichen Bindung des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbebesteuermessbescheides für den Verlustfeststellungsbescheid ausgeht, obwohl diese gerade keine Grundlagenbescheide für den Verlustfeststellungsbescheid sind (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 16.05.2018 – XI R 50/17,
BFHE 261, 342,
BStBl II 2018, 752, Rz 20, m.w.N.).
30
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10a EStG. Die Vorschrift sieht in Abs. 5 Satz 4 (heute Abs. 5 Satz 5) zwar die Überprüfung der übrigen Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 bis 3 EStG im Wege der Datenerhebung und des automatisierten Datenabgleichs nach § 91 EStG und damit durch die ZfA vor. Eine rechtliche Bindungswirkung des FA an das Überprüfungsergebnis folgt daraus aber nicht. Vielmehr dient die Vorschrift schon vom Wortlaut her allein der Klarstellung, dass diese Voraussetzungen durch die ZfA im Rahmen des auf der sog. zweiten Stufe vorgesehenen Datenabgleichs (vgl. insoweit Senatsurteil vom 22.10.2014 – X R 18/14,
BFHE 247, 312,
BStBl II 2015, 371, Rz 41) automatisiert überprüft werden können.
31
cc) Aus der Entstehungsgeschichte des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges ableiten. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) wurde die Formulierung, dass “die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung insoweit zu ändern ist”, mit Rückwirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 (§ 52 Abs. 65 EStG i.d.F. JStG 2008) eingefügt. Hierdurch sollte lediglich klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht nur eine Mitteilungspflicht beinhaltet, sondern —wie sich aus Halbsatz 2 der Vorschrift ergibt— eine spezialgesetzliche Änderungsvorschrift i.S. von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO ist (BTDrucks 16/6739, 18). Von einer Grundlagenbescheidswirkung i.S. der § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist hingegen nicht die Rede. Es war allein Sinn und Zweck der Änderung, dem FA eine Änderungsvorschrift im Fall der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG zur Verfügung zu stellen.
32
dd) Es muss im Übrigen deutlich zwischen einer gebundenen, also nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellten Änderung aufgrund des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG und einem darüber hinausgehenden Anpassungszwang nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unterschieden werden.
33
Zwar schreibt § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO vor, die Steuerfestsetzung insoweit zu ändern. Dieses ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Bindungswirkung aufgrund des Vorliegens eines Grundlagenbescheides nach § 171 Abs. 10 AO. Die Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG beschränkt sich allein darauf, eine Ermessensentscheidung des FA, wie sie § 172 Abs. 1 Satz 1 AO ansonsten jedenfalls von seinem Wortlaut her vorsieht, zu verneinen. Das FA hat die Steuerfestsetzung nach Erhalt der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG grundsätzlich zu ändern. Dies beinhaltet jedoch keine darüber hinausgehende inhaltliche Bindung an die Mitteilung. Vielmehr bleibt das FA auch weiterhin verpflichtet, die Steuerfestsetzung auf ihre materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Im Fall einer materiell-rechtlich fehlerhaften Mitteilung ist eine Änderung trotz Existenz einer Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG ausgeschlossen.
34
ee) Gegen eine inhaltliche Bindungswirkung der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Günstigerprüfung in § 10a Abs. 2 EStG. Hiernach hat das FA lediglich den Anspruch auf die Zulage nach Abschnitt XI des EStG mit den dort beschriebenen steuerlichen Auswirkungen des Sonderausgabenabzugs zu vergleichen. Eines Antrags auf Zulage, wie ihn § 89 Abs. 1 Satz 1 EStG vorsieht, bedarf es ebenso wenig wie der Gewährung einer Zulage. Dies macht deutlich, dass der Gesetzgeber gerade zwei voneinander selbständige Verfahren im Zusammenhang mit der Förderung der Altersvorsorgebeiträge schaffen wollte. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG dient deshalb allein der Information der Finanzämter (FÄ) und schafft eine Änderungsbefugnis i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG.
35
c) Eine inhaltliche Anfechtungsbeschränkung der Einkommensteuerbescheide kann sich hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zudem nicht aus der einfachgesetzlich nicht geregelten Tatbestandswirkung ressortfremder Entscheidungen ergeben (vgl. zu diesem Institut ausführlich BFH-Urteil vom 21.01.2010 – VI R 52/08,
BFHE 228, 295,
BStBl II 2010, 703, Rz 19 ff.; Steinhauff, Der AO-Steuer-Berater —AO-StB— 2010, 271, von Wedelstädt,
AO-StB 2014, 150).
36
aa) Zwar können ressortfremde Verwaltungsakte, die keine Grundlagenbescheide i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sind, als feststehende Tatsache bzw. Besteuerungsgrundlage für das FA und auch für das FG bindend sein. Diese Tatbestandswirkung führt dazu, dass sie im Besteuerungsverfahren als gegeben hinzunehmen und nicht etwa daraufhin zu überprüfen sind, ob sie dem materiellen Recht entsprechen. Die Tatbestandswirkung ressortfremder Entscheidungen ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Es bezweckt, dass die Entscheidung über Rechtmäßigkeit und Bestand eines behördlichen Bescheides den dazu berufenen Spezialgerichten vorbehalten bleibt (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.06.1998 – V ZR 43/97,
Neue Juristische Wochenschrift 1998, 3055, unter II.1.b, Rz 15). Dem hiervon Betroffenen werden deshalb keine Rechtsschutzmöglichkeiten genommen (BFH-Urteil in
BFHE 228, 295,
BStBl II 2010, 703, Rz 20).
37
bb) Allerdings ist die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG keine solche ressortfremde Entscheidung. Zunächst fehlt es bereits an dem Vorliegen eines Verwaltungsakts. Darüber hinaus liegt kein ressortfremdes Verwaltungsverfahren vor. Die ZfA ist im Verhältnis zu den FÄ gerade keine ressortfremde Behörde.
38
Die ZfA als Teil der Deutschen Rentenversicherung Bund wird als zentrale Stelle gemäß § 81 EStG bei der Sammlung, Auswertung und Weitergabe der Daten, die nach § 10a Abs. 5 EStG in den dort genannten Fällen zu übermitteln sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b des Finanzverwaltungsgesetzes —FVG—) und der Gewährung der Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI des EStG (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. f FVG) nicht als Träger der Rentenversicherung, sondern im Wege der Organleihe für das Bundeszentralamt für Steuern tätig und handelt insoweit als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO).
39
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die BFH-Rechtsprechung die Tatbestandswirkung eines ressortfremden Verwaltungsaktes im finanzbehördlichen oder -gerichtlichen Verfahren jedenfalls dann verneint, wenn diese Entscheidung “offensichtlich rechtswidrig” ist (BFH-Urteil in BFHE 228, 295,
BStBl II 2010, 703, Rz 19). Dies dürfte vorliegend anzunehmen sein (vgl. II.1.).
40
d) Für die vom Senat vorgenommene Gesetzesauslegung spricht auch, dass sie im Fall einer fehlerhaften Mitteilung die Gewährung umfassenden Rechtsschutzes zugunsten des Steuerpflichtigen sicherstellt. Dies ist insbesondere deshalb geboten, weil die in § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG genannte Frist für den Antrag auf Festsetzung der Zulage in vielen Fällen bereits abgelaufen sein wird, bevor der Steuerpflichtige von der fehlerhaften Mitteilung überhaupt erfahren hat. Damit kann das Instrument des Antrags auf Festsetzung der Zulage allein noch keinen effektiven Rechtsschutz sicherstellen.
41
aa) Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesichtspunkt einer möglichst effizienten Verwaltung, dem Verfassungsrang gemäß Art. 108 GG zukommt (so Senatsurteil in BFHE 247, 312,
BStBl II 2015, 371, Rz 45). Insoweit hat der Senat zwar in diesem Urteil ausgeführt, dass der Zulageberechtigte Beeinträchtigungen aufgrund der Automatisierung bei der Bearbeitung der Altersvorsorgezulage hinnehmen müsse. Ein potentieller Ausschluss der Gewährung von Rechtsschutz aufgrund eines nicht abgestimmten Verfahrens der Prüfung durch die ZfA und der Mitteilung im Rahmen des geänderten Einkommensteuerbescheides durch das FA ist damit allerdings nicht gemeint. Auch eine effizient arbeitende Verwaltung hat effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dieser ist im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid möglich, da der Zulageberechtigte ohne Beachtung weiterer formeller Bindungen eine Fehlerhaftigkeit des Überprüfungsergebnisses der ZfA darlegen kann.
42
bb) Im Übrigen geht das FA fehl in der Annahme, der Senat habe eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes nicht für unverhältnismäßig gehalten, weil die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Verfassungsrang genieße. Der Senat kann in seinem Urteil in BFHE 247, 312,
BStBl II 2015, 371, Rz 45 ff. nur so verstanden werden, dass bei der Gewährung geringer Zulagen die Beeinträchtigung einer zeitnahen Überprüfung der Rechtmäßigkeit aufgrund eines mehrstufigen automatisierten Verfahrens hingenommen werden muss. Dieses Zuwarten darf jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes führen.
43
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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... weiterlesen!- 7. April 2021
Tonnagebesteuerung: Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung des § 7 Satz 3 GewStG
FG Hamburg, Mitteilung vom 07.04.2021 zum Urteil 6 K 306/19 vom 10.12.2020 (nrkr – BFH-Az.: IV R 1/21)
- Im Fall des Übergangs von der pauschalen Gewinnermittlung nach § 5a EStG zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ergibt sich die AfA-Bemessungsgrundlage für das Handelsschiff für Wirtschaftsjahre, die bis zum 31. Dezember 2018 beginnen, aus dem gemäß § 5a Abs. 6 EStG anzusetzenden Teilwert abzüglich des Schrottwertes.
- Der Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG umfasst jeden Verlust der Mitunternehmerstellung unabhängig davon, ob der Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheidet.
- § 7 Abs. 3 GewStG i. d. F. des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl I 2019, 2451) steht der Kürzung des Gewinns aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 9 Nr. 3 GewStG entgegen.
- Die in § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG angeordnete rückwirkende Geltung dieser Gesetzesänderung ist verfassungsgemäß. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass hinzugerechnete Unterschiedsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen wären, konnte sich im Streitjahr 2013 nicht entwickeln.
In dem Klageverfahren einer Einschiffsgesellschaft ging es gleich um ein Bündel von Streitfragen, und zwar darum, ob nach dem Rückwechsel von der Tonnagebesteuerung zur Besteuerung durch Vermögensvergleich AfA auf den Teilwert des Schiffes zu berücksichtigen ist, ob Unterschiedsbeträge hinzuzurechnen sind, die auf ausgeschiedene Gesellschafter (Tod oder Schenkung) entfallen und schließlich ob der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG zu kürzen ist, soweit er auf der Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen beruht.
In formeller Hinsicht war überdies streitig, ob das als Untätigkeitsklage erhobene Begehren zulässig war; insoweit hatte das Finanzamt keine Einspruchsentscheidung erlassen, weil es auf einen Nichtanwendungserlass für das BFH-Urteil IV R 35/16 warten wollte. Dies hat das Gericht nicht akzeptiert und die Untätigkeitsklage als zulässig angesehen. Die Klägerin hatte der Anordnung der Verfahrensruhe widersprochen und die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Seither waren bis zur mündlichen Verhandlung 13 Monate verstrichen.
In der Sache hat der Senat die AfA nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 25. Oktober 2018, IV R 35/16, nach § 5a Abs. 6 EStG abzüglich des Schrittwertes angesetzt. Die mit JStG 2019 eingeführte Änderung war für das Streitjahr 2013 noch nicht anwendbar (§ 52 Abs. 10 Satz 5 EStG). Für die Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge für ausgeschiedene Gesellschafter hat das Gericht ebenfalls nach Maßgabe der Rechtsprechung des FG Hamburg (Az. 2 K 277/16; 2 K 247/16) und des BFH (Az. IV R 28/19; IV R 17/19) entschieden, dass Ausscheiden i. S. von § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG jedwedes Ausscheiden bedeutet, unabhängig davon, ob es entgeltlich oder unentgeltlich, im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erfolgt. Auch im letzten Streitpunkt ging es um ein Eingreifen des Gesetzgebers zur Korrektur unerwünschter Rechtsprechung. Der BFH hatte mit Urteilen vom 25. Oktober 2018 (Az. IV R 35/16 und IV R 40/16) judiziert, dass der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 EStG nicht der Fiktion des Gewerbeertrages gem. § 7 Satz 3 GewStG unterfalle und daher grundsätzlich um 80 % (§ 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG) gekürzt werden könne. Dies ist nunmehr durch die Neufassung von § 7 Satz 3 GewStG mit der ausdrücklichen Nennung von § 5a Abs. 3 EStG nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber hat hier die rückwirkende Anwendung auf Erhebungsräume vor 2019 angeordnet (§ 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG). Dies begegnet aus Sicht des 6. Senats keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Zwar handele es sich um einen Fall der sog. echten Rückwirkung; dies sei aber ausnahmsweise zulässig, weil sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf die mit den Urteilen vom 25. Oktober 2018 geänderte rechtliche Beurteilung habe bilden können. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Frage ist die Revision zugelassen worden.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2021
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... weiterlesen!- 7. April 2021
Abzug von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer
FG Hamburg, Mitteilung vom 07.04.2021 zum Urteil 5 K 175/18 vom 18.12.2020 (nrkr – BFH-Az.: VII R 9/21)
Ein Steuerpflichtiger, der als indirekter Vertreter eine Zollanmeldung abgibt und dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einfuhr der Waren sich auf die Übernahme der Zollformalitäten beschränkt, kann die von ihm gezahlte Einfuhrumsatzsteuer allenfalls dann als Vorsteuer abziehen, wenn ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang mit bestimmten Ausgangsumsätzen bzw. mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen wird. Ein etwaiger Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit wird jedenfalls durch den Zusammenhang der Einfuhrumsatzsteuer mit dem bestimmten Ausgangsumsatz des ausländischen Lieferers verdrängt.
Die Klägerin hatte als Dienstleisterin eine Zollanmeldung in eigenem Namen für A (Türkei) abgegeben, basierend auf einer Handelsrechnung von A an die in Deutschland ansässige E GmbH. Hierfür sollte die Klägerin 35 Euro sowie die Erstattung der verauslagten Einfuhrumsatzsteuer erhalten. Das Hauptzollamt setzte daraufhin Einfuhrumsatzsteuer gegenüber der Klägerin fest, die sie im Rahmen ihrer Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer geltend machte, nachdem sie von A keine Zahlung erhalten hatte. Der Beklagte ließ den Vorsteuerabzug nicht zu. Im Klageverfahren berief sich die Klägerin darauf, dass die Ware zwar in Österreich entladen worden sei, aber nie bei der E GmbH angekommen sei. Sie sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, auch wenn sie keine Verfügungsmacht über die eingeführten Gegenstände gehabt habe, weil die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen ihre Tätigkeit als Dienstleister entstanden und in ihre Kosten eingeflossen sei.
Der 5. Senat hat die Klage abgewiesen. Unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH in der Sache Weindel (Rs. C-621/19) bestehe ein Vorsteuerabzugsrecht zwar auch für denjenigen, der keine Verfügungsmacht gehabt habe, wenn die Kosten der Einfuhr in den Preis der einzelnen bestimmten Ausgangsumsätze oder als allgemeine Kosten in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistung eingeflossen sei. Dies sei im Streitfall jedoch zu verneinen. Weder die Systematik der Umsatzsteuer noch unionsrechtliche Gründe rechtfertigten eine andere Betrachtung, insbesondere bedürfe es nicht eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH. Gleichwohl hat der Senat die Revision zugelassen. Der BFH habe zwar bereits mit Urteil vom 11. November 2015 (Az. V R 68/14) entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden könne, mit Blick auf die jüngste EuGH-Rechtsprechung (Weindel, C-621/19 und Vos Aannemingen, C-405/19) bedürfe es jedoch einer erneuten höchstrichterlichen Entscheidung.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2021
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... weiterlesen!- 7. April 2021
Akteneinsicht in Kanzleiräumen während der Pandemie
FG Hamburg, Mitteilung vom 07.04.2021 zum Beschluss 4 K 136/20 vom 01.02.2021 (rkr)
- Auch nach der Neufassung des § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO ist im Einzelfall eine Übersendung der Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen.
- Die Möglichkeit der Akteneinsicht auch zu Pandemiezeiten ist durch Übersendung der Akten in die Kanzleiräume zu realisieren.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Nach Absatz 3 der Vorschrift wird Akteneinsicht in die in Papierform geführten Akten grundsätzlich durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen des Gerichts, anderer Gerichte oder Behörden gewährt. Allerdings kann in Ausnahmefällen der Anspruch auf rechtliches Gehör und Waffengleichheit auch einen Anspruch auf Akteneinsicht in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten begründen, über den im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu befinden ist (BFH-Beschluss vom 13. Juni 2020, VIII B 149/19).
Das FG Hamburg hat nun einen derartigen Ausnahmefall vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens im Zusammenhang mit der Pandemie anerkannt. Der Prozessbevollmächtigte könne auch nicht auf mit dem Hinweis auf das Ende der Pandemie „vertröstet“ werden, weil dieser Zeitpunkt ungewiss sei. Da auch in Zeiten der Pandemie die Gerichte ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe der effektiven Rechtsschutzgewährleistung gerecht werden müssten, sei die Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in die Kanzleiräume zu gewähren.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2021
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... weiterlesen!- 7. April 2021
Neues zum One-Stop-Shop-Verfahren
DStV, Mitteilung vom 07.04.2021
Aus umsatzsteuerlichen Versandhandelsumsätzen werden zum 01.07.2021 sog. Fernverkäufe. An die Stelle der nationalen Lieferschwellen tritt eine europaweit einheitliche Geringfügigkeitsschwelle von 10.000 Euro. Unternehmer können ihre im EU-Ausland steuerpflichtigen Fernverkäufe über den sog. One-Stop-Shop melden. Die Teilnahme an diesem Verfahren können Unternehmer seit dem 01.04.2021 beim BZSt beantragen.
Am 01.07.2021 ist es so weit: Die derzeitige sog. Versandhandelsregelung wird durch die Fernverkaufsregelung abgelöst. Damit einhergehend fallen die bislang geltenden länderspezifischen Lieferschwellen weg. Diese hatten bislang zur Folge, dass sich gerade kleine und mittlere Unternehmen bei geringen Auslandsumsätzen im Ausland nicht umsatzsteuerlich registrieren mussten.
Der Steuerrechtsausschusses des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV) befasste sich in seiner Sitzung am 19.03.2021 mit der neuen Fernverkaufsregelung und gibt einen Überblick über einige wichtige Punkte:
Geringfügigkeitsschwelle statt nationaler Lieferschwellen
Bei Fernverkäufen im B2C-Bereich gilt künftig: Der Ort der Lieferung befindet sich dort, wo sich der Gegenstand bei Transportende befindet. Voraussetzung ist, der liefernde Unternehmer hat die EU-einheitliche Geringfügigkeitsschwelle von 10.000 Euro überschritten; oder er hat auf deren Anwendung verzichtet.
Dies dürfte dazu führen, dass mehr Unternehmer als bislang im Ausland Umsätze versteuern müssen. Um dies zu erleichtern, können Unternehmer das neue besondere Besteuerungsverfahren, den sog. One-Stop-Shop (OSS), nutzen.
Teilnahme am OSS-Verfahren
Der Ausschuss macht im Zusammenhang mit der Anmeldung zur Teilnahme am OSS auf die Pressemitteilung des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) aufmerksam:
Die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren kann seit dem 01.04.2021 mit Wirkung zum 01.07.2021 elektronisch über das BZStOnline‑Portal (BOP) beantragt werden. Unternehmer, die bereits den sog. Mini-One-Stop-Shop nutzen, müssen sich nicht erneut registrieren.
Für die Sonderregelungen registrierte Unternehmer können im jeweiligen Bereich des BOP ihre Registrierungsdaten ändern, ihre Steuererklärung abgeben und berichtigen sowie sich vom Verfahren abmelden.
Ausführlichere Informationen sollen in Kürze auf der Homepage des BZSt veröffentlicht werden.
Finales BMF-Schreiben zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat zwischenzeitlich auch das finale BMF-Schreiben zur zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets veröffentlicht.
Dieses stellt klar, dass die neue Geringfügigkeitsschwelle von 10.000 Euro im Kalenderjahr 2021 nicht zeitanteilig aufzuteilen ist (Abschn. 3a.9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2).
Der DStV begrüßt diese Klarstellung, die er in seiner Stellungnahme S 02/21 zum vorherigen Entwurfsschreiben angeregt hatte.
Besonderes Augenmerk: Kleinunternehmer
Besonders aufpassen sollten Online-Händler, die umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer gelten.
Überschreiten sie die neue EU-weite einheitliche Lieferschwelle in Höhe von 10.000 Euro, können sie Meldepflichten im Ausland treffen. Sie sollten daher bereits jetzt prüfen, ob eine Teilnahme am OSS-Verfahren für sie in Frage kommt.
Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de
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... weiterlesen!BMF, Pressemitteilung vom 01.04.2021
Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie besonders schwer und über eine sehr lange Zeit von Schließungen betroffen sind, erhalten einen neuen zusätzlichen Eigenkapitalzuschuss. Darüber hinaus werden die Bedingungen der Überbrückungshilfe III auch insgesamt nochmals verbessert. Mit diesen zusätzlichen Maßnahmen reagiert die Bundesregierung auf die weiterhin schwierige Situation vieler Unternehmen in der aktuellen Corona-Krise und setzt Ziffer 8 des MPK-Beschlusses vom 23. März 2021 um.
(…)
Ergänzende Informationen zum neuen Eigenkapitalzuschuss und zu den Verbesserungen der Überbrückungshilfe III
Alle Unternehmen, die in mindestens drei Monaten seit November 2020 einen Umsatzeinbruch von jeweils mehr als 50 Prozent erlitten haben, erhalten einen Eigenkapitalzuschuss. Der Eigenkapitalzuschuss wird zusätzlich zur regulären Förderung der Überbrückungshilfe III gewährt.
Außerdem wird die Fixkostenerstattung der Überbrückungshilfe III für Unternehmen, die einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 Prozent erleiden, auf bis zu 100 Prozent erhöht. Bislang wurden bis zu 90 Prozent der förderfähigen Fixkosten erstattet.
Die Vorgaben des europäischen Beihilferechts sind für die gesamte Förderung der Überbrückungshilfe III (d. h. auch inkl. des Eigenkapitalzuschusses) einzuhalten. Die Überbrückungshilfe III stützt sich auf die Bundesregelung Kleinbeihilfen, die Deminimis-Verordnung und die Bundesregelung Fixkostenhilfe. Unternehmen, die auf Grundlage der Bundesregelung Fixkostenhilfe ihren Antrag stellen, können daher eine Förderung nur bis zu 70 Prozent der ungedeckten Fixkosten im Sinne des europäischen Beihilferechts im beihilfefähigen Zeitraum (März 2020 bis Juni 2021) erhalten. Im Falle von kleinen und Kleinstunternehmen (Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanz von nicht mehr als 10 Mio. Euro), die auf Grundlage der Bundesregelung Fixkostenhilfe ihren Antrag stellen, darf die gewährte Hilfe bis zu 90 Prozent der ungedeckten Fixkosten betragen.
- Neuer Eigenkapitalzuschuss
Der Eigenkapitalzuschuss im Überblick:
a) Anspruchsberechtigt sind Unternehmen mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent in mindestens drei Monaten im Zeitraum von November 2020 bis Juni 2021.
b) Der neue Eigenkapitalzuschuss zur Substanzstärkung beträgt bis zu 40 Prozent des Betrags, den ein Unternehmen für die förderfähigen Fixkosten nach Nr. 1 bis 11 erstattet bekommt (vgl. FAQ zur Überbrückungshilfe III). Der Eigenkapitalzuschuss ist gestaffelt und steigt an, je länger Unternehmen einen Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent erlitten haben. Gezahlt wird er ab dem dritten Monat des Umsatzeinbruchs und beträgt in diesem Monat 25 Prozent. Im vierten Monat mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent erhöht sich der Zuschlag auf 35 Prozent; bei fünf oder mehr Monaten erhöht er sich noch einmal auf 40 Prozent pro Monat. Für die einzelnen Monate ergeben sich somit folgende Fördersätze:
Monate mit Umsatzeinbruch ≥ 50 Prozent | Höhe des Zuschlags |
1. und 2. Monat | Kein Zuschlag |
3. Monat | 25 Prozent |
4. Monat | 35 Prozent |
5. und jeder weitere Monat | 40 Prozent |
Beispiel: Ein Unternehmen erleidet in den Monaten Januar, Februar und März 2021 einen Umsatzeinbruch von 55 Prozent. Das Unternehmen hat jeden Monat 10.000 Euro betriebliche Fixkosten aus Mietverpflichtungen, Zinsaufwendungen und Ausgaben für Elektrizität, Wasser und Heizung und beantragt dafür die Überbrückungshilfe III. Das Unternehmen erhält eine reguläre Förderung aus der Überbrückungshilfe III in Höhe von jeweils 6.000 Euro für Januar, Februar und März (60 Prozent von 10.000 Euro). Es erhält für den Monat März zusätzlich einen Eigenkapitalzuschuss in Höhe von 1.500 Euro (25 Prozent von 6.000 Euro).
c) Der neue Eigenkapitalzuschuss wird zusätzlich zur regulären Förderung der Überbrückungshilfe III gewährt.
- Weitere Verbesserungen der Überbrückungshilfe III
- Neben dem neuen Eigenkapitalzuschuss wird die Überbrückungshilfe auch insgesamt nochmal verbessert: Die Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Saisonware und verderbliche Ware für Einzelhändler werden auf Hersteller und Großhändler erweitert.
- Für Unternehmen der Veranstaltungs- und Reisewirtschaft wird zusätzlich zur allgemeinen Personalkostenpauschale für jeden Fördermonat eine Anschubhilfe in Höhe von 20 Prozent der Lohnsumme eingeführt, die im entsprechenden Referenzmonat 2019 angefallen wäre. Die maximale Gesamtförderhöhe dieser Anschubhilfe beträgt 2 Mio. Euro.
- Die Veranstaltungs- und Kulturbranche kann zusätzlich Ausfall- und Vorbereitungskosten, die bis zu 12 Monate vor Beginn des geplanten Veranstaltungsdatums angefallen sind, geltend machen.
- Antragstellern wird in begründeten Härtefällen die Möglichkeit eingeräumt, alternative Vergleichszeiträume zur Ermittlung des Umsatzrückgangs im Jahr 2019 zu wählen.
- Unternehmen in Trägerschaft von Religionsgemeinschaften sowie junge Unternehmen bis zum Gründungsdatum 31. Oktober 2020 sind ab jetzt antragsberechtigt. Bisher konnten nur Unternehmen, die bis zum 30. April 2020 gegründet waren, einen Antrag stellen.
- Wie für Soloselbständige mit Einnahmen ausschließlich aus freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeiten wird auch für Soloselbständige, die Gesellschafter von Personengesellschaften sind, ein Wahlrecht geschaffen: Sie können den Antrag auf Neustarthilfe entweder über einen prüfenden Dritten oder als Direktantrag stellen (die Antragstellung auf Neustarthilfe über prüfende Dritte ist damit nur noch für Kapitalgesellschaften verpflichtend).
- Unternehmen und Soloselbstständige erhalten ein nachträgliches Wahlrecht zwischen Neustarthilfe und Überbrückungshilfe III zum Zeitpunkt der Schlussabrechnung. So kann die im Einzelfall günstigste Hilfe aufgrund des unsicheren Verlaufs der ökonomischen Entwicklung nachträglich bestimmt werden.
Der Eigenkapitalzuschuss und die weiteren Verbesserungen werden im Rahmen der bestehenden Überbrückungshilfe III gewährt. Damit wird eine zügige Umsetzung gewährleistet. Die FAQ zur Überbrückungshilfe III werden überarbeitet und zeitnah veröffentlicht, darin wird das Verfahren zur Auszahlung des Eigenkapitalzuschusses erläutert. Nach Anpassung des Programms kann die Antragstellung über die bekannte Plattform ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de erfolgen. Die Antragsbearbeitung und Auszahlung erfolgt in der Verantwortung der Länder.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!SenFin Berlin, Pressemitteilung vom 30.03.2021
Die Senatsfinanzverwaltung hatte im Juli 2020 Corona-bedingt die Frist zum Einbau einer technischen Sicherheitseinrichtung bis zum 31. März dieses Jahres verlängert. Eine entsprechende Allgemeinverfügung wurde am 31. Juli 2020 im Amtsblatt für Berlin veröffentlicht. Diese Frist wird nicht verlängert.
Für den flächendeckenden Einsatz manipulationssicherer Kassensysteme ist es erforderlich, an den gesetzten Fristen festzuhalten. Hinzu kommt, dass eine allgemeine Verlängerung der Einbaufrist Unternehmen schlechter stellen würde, die bereits zertifizierte Kassensysteme eingeführt haben. Ungeachtet dessen besteht weiterhin die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung.
Gemäß Abgabenordnung (AO) war eine Aufrüstung von elektronischen Kassen mit einer TSE bis zum Januar 2020 vorgesehen (§ 146a Abs. 1 Satz 2 AO). Da diese Sicherheitseinrichtung nicht flächendeckend verfügbar war, wurde die Frist mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. November 2019 bundesweit bis zum 30. September 2020 verlängert (BStBl 2019 S. 1010).
Quelle: Senatsverwaltung für Finanzen Berlin
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... weiterlesen!- 1. April 2021
Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets zum 1. April 2021 bzw. 1. Juli 2021
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7340 / 19 / 10003 :022 vom 01.04.2021
Durch Artikel 13, 14 Nummer 1 Buchstabe a und b, Nummer 2 bis 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa, Buchstabe b, d, e, f Doppelbuchstabe aa, Buchstabe i, Nummer 13 bis 15, Nummer 19 Buchstabe a, Nummer 22 Buchstabe b, Artikel 16 Nummer 3, Artikel 19, Artikel 24 Nummer 1 Buchstabe a sowie Artikel 25 und 26 i. V. m. Artikel 50 Abs. 5 und 6 des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21. Dezember 2020 (Jahressteuergesetz 2020 – JStG 2020; BGBl. I S. 3096) wurde zum 1. April 2021 bzw. 1. Juli 2021 die zweite Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets umgesetzt (Zur Umsetzung der ersten Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets zum 1. Januar 2019 vgl. das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 – III C 3 – S-7117-j / 18 / 10002 (2018/1031145) -, BStBl I Seite 1429).
Die zweite Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets beinhaltet insbesondere Folgendes:
• Änderungen beim Versandhandel
Die Bestimmung des Orts der Lieferung bei der Versandhandelsregelung nach § 3c UStG wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 grundlegend geändert. Demnach verlagert § 3c Abs. 1 UStG den Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gemäß dem Bestimmungslandprinzip an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet, sofern nicht der Ausschlusstatbestand des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG (Umsatzschwelle von 10.000 Euro für nur in einem EU-Mitgliedstaat ansässige liefernde Unternehmer wird im vorangegangenen und laufendenden Kalenderjahr nicht überschritten) Anwendung findet. Für die Umsatzschwelle sind ab dem 1. Juli 2021 nicht mehr nur die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG relevant, sondern auch die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 UStG.
• Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten
Mit Wirkung zum 1. Juli 2021 wird bei bestimmten Warenlieferungen durch einen Unternehmer über eine elektronische Schnittstelle (z. B. elektronischer Marktplatz) der Betreiber der elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a UStG Steuerschuldner für die im Gemeinschaftsgebiet für diese Lieferungen anfallende Umsatzsteuer, da die Lieferkette „Unternehmer an Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie Betreiber der elektronischen Schnittstelle an Nichtunternehmer“ fingiert wird. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG betrifft Warenlieferungen über eine elektronische Schnittstelle an Nichtunternehmer durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer, bei denen die Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet. Keine Lieferung zwischen dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle und dem Nichtunternehmer wird nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG fingiert, wenn der liefernde Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG betrifft Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro mittels einer elektronischen Schnittstelle an Nichtunternehmer oder an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person, die weder die Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet hat (vgl. § 3 Abs. 3a Satz 5 UStG). Die Lieferkettenfiktion nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG gilt unabhängig von der Ansässigkeit des liefernden Unternehmers.
Die Regelungen des neuen § 3 Abs. 3a UStG haben Auswirkungen auf die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Haftung der Betreiber elektronischer Marktplätze (§§ 22f und 25e UStG). Der Marktplatzbetreiber haftet für nicht entrichtete Umsatzsteuer durch auf seinem Marktplatz tätige Händler/Unternehmen nach § 25e Abs. 1 UStG nur noch in solchen Fällen, in denen die Lieferkettenfiktion des § 3 Abs. 3a UStG keine Anwendung findet (z. B. Fernverkauf innerhalb des Gemeinschaftsgebiets über eine elektronische Schnittstelle von im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern an Nichtunternehmer). Die Regelungen zur Haftung der Betreiber elektronischer Marktplätze (§§ 22f und 25e UStG) wurden daher entsprechend modifiziert.
Diese Folgeänderungen zur Haftung für Betreiber elektronischer Marktplätze auf Grund der zweiten Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets bleiben einem gesonderten BMF-Schreiben vorbehalten.
• Erweiterung der einzigen Anlaufstelle (Nicht-EU-Verfahren)
Die bestehenden (besonderen) Besteuerungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen (§ 18 Abs. 4c und 4d UStG) wurden mit Wirkung zum 1. Juli 2021 auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet ausgedehnt (sog. One-Stop-Shop (OSS) – Nicht-EU-Regelung; § 18i UStG).
Die Teilnahme an dem Verfahren OSS – Nicht-EU-Regelung können nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer auf elektronischem Weg ab dem 1. April 2021 beim BZSt anzeigen (vgl. weitergehende Informationen auf den Internetseiten des BZSt unter www.bzst.bund.de).
• Erweiterung der einzigen Anlaufstelle (EU-Verfahren)
Die bestehenden (besonderen) Besteuerungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet (§ 18 Abs. 4e UStG) bzw. im Inland (§ 18h UStG) ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen (sog. kleine einzige Anlaufstelle bzw. Mini-One-Stop-Shop) wurden mit Wirkung zum 1. Juli 2021 auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet erweitert (sog. One-Stop-Shop (OSS) – EU-Regelung; § 18j UStG). Darüber hinaus können sich Unternehmer – unabhängig von ihrer Ansässigkeit – für den erweiterten OSS nach § 18j UStG entscheiden, um die Umsatzsteuer für folgende Umsätze anzumelden und zu entrichten:
- innergemeinschaftlichen Fernverkäufe (§ 3c Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG) sowie
- fiktive Lieferungen durch Betreiber einer elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines EU-Mitgliedstaates an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet.
Die Teilnahme an dem Verfahren OSS – EU-Regelung können Unternehmer auf elektronischem Weg ab dem 1. April 2021 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzeigen (vgl. weitergehende Informationen auf den Internetseiten des BZSt unter www.bzst.bund.de).
• Einführung der einzigen Anlaufstelle für den Import
Für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 ein neuer (optionaler) sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS; § 18k UStG) eingeführt.
Die Teilnahme an dem Verfahren IOSS können Unternehmer auf elektronischem Weg ab dem 1. April 2021 beim BZSt anzeigen (vgl. weitergehende Informationen auf den Internetseiten des BZSt unter www.bzst.bund.de).
• Einführung einer Sonderregelung zur Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer
Für die Fälle, in denen der IOSS nicht genutzt wird, wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 eine (optionale) Sonderregelung (sog. Special Arrangement; § 21a UStG) eingeführt, bei der die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für die Einfuhren eines Monats durch die Beförderer (Post- bzw. Expresskurierdienstleister) von den Sendungsempfängern vereinnahmt und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung entrichtet werden kann.
• Abschaffung der 22 Euro-Freigrenze
Die 22 Euro-Freigrenze bei der EUSt wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 abgeschafft.
Außerdem wurde zeitgleich durch Artikel 16 Nummer 1 und 2 i. V. m. Artikel 50 Abs. 6 JStG 2020 § 5 UStDV aufgehoben, da auch bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen an Nichtunternehmer ab 1. Juli 2021 vom besonderen Besteuerungsverfahren nach §§ 18i oder 18j UStG Gebrauch gemacht werden kann.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 26. März 2021 – III C 3 – S-7155 / 19 / 10004 :001 (2021/0342556), BStBl I S. xxxx, geändert worden ist, wie folgt geändert:
(…)
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
-
Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 1. April 2021
Berücksichtigung der Instandhaltungsrückstellung bei der Grunderwerbsteuer
FinMin Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) 3 – S-452.1 / 41 vom 19.03.2021
Mit Urteil vom 16. September 2020, II R 49/17 BStBl XXX hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass beim Erwerb von Teileigentum der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist. Die Urteilsgrundsätze gelten auch beim Erwerb von Wohnungseigentum.
Im Hinblick auf die bisherige abweichende Verwaltungsübung sind die Grundsätze dieses Urteils beim Erwerb von Teileigentum oder Wohnungseigentum nur anzuwenden, wenn der Notarvertrag nach dem [Tag der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 16. September 2020 – II R 49/17] geschlossen worden ist.
Quelle: FinMin Baden-Württemberg
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7419 / 19 / 10002 :004 vom 29.03.2021
I.
Mit BMF-Schreiben vom 29. Januar 2021, III C 2 – S-7419 / 19 / 10002:004 (DOK 2020/0981332), haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und Länder beschlossen, dass § 25 UStG bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar ist. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird es nicht beanstandet, wenn auf bis zum 31. Dezember 2020 ausgeführte Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet die Sonderregelung des § 25 UStG angewendet wird.
II.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird die im BMF-Schreibens vom 29. Januar 2021, III C 2 – S-7419 / 19 / 10002:004 (DOK 2020/0981332) enthaltene Nichtbeanstandungsregelung bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 1. April 2021
Steuerabkommen mit Estland
Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 01.04.2021
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Dezember 2020 zur Änderung des Abkommens vom 29. November 1996 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und Vermögen (19/28117) vorgelegt. Im Wege eines bilateralen Protokolls sollen unter anderem Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung umgesetzt werden.
Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 426/2021
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... weiterlesen!- 1. April 2021
BFH: Nichtrückkehrtage i. S. der Grenzgängerregelung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2002
BFH, Urteil I R 37/17 vom 30.09.2020
Leitsatz
Tage, an denen der Steuerpflichtige von einer Geschäftsreise aus dem Drittland tatsächlich an seinen Wohnsitz zurückkehrt, gehören nicht zu den Nichtrückkehrtagen i. S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2002. Entsprechendes gilt für Geschäftsreisen an Wochenend- und Feiertagen, sofern die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt. Die anders lautenden Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV vom 20.12.2010 verstoßen gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG).
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 06.04.2017 – 3 K 3729/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der Einkünfte des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus seiner Tätigkeit als Vizedirektor einer Schweizerischen Aktiengesellschaft.
2
Der Kläger wohnte im Streitjahr (2010) im Inland. Dort war er auch ansässig i.S. des Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12.03.2002 (BGBl II 2003, 68, BStBl I 2003, 166) —DBA-Schweiz 1971/2002—.
3
Der Kläger war seit … Arbeitnehmer der X AG mit Sitz in …/Schweiz (X AG). Laut Arbeitsvertrag betrug sein Arbeitspensum 40 Stunden pro Woche, verteilt auf Montag bis Freitag. Mit Beschluss des Verwaltungsrats der X AG vom … wurde er als Vizedirektor eingegliedert. In das Handelsregister … wurde zunächst nur das Zeichnungsrecht “Kollektivunterschrift zu zweien” eingetragen. Die Eintragung der Funktionsbezeichnung “Vizedirektor” erfolgte erst nach Ablauf des Streitjahres.
4
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ging der Kläger von 65 Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2002 aus, so dass er nicht als Grenzgänger mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der inländischen Besteuerung unterliege. Zu den Nichtrückkehrtagen zählte er sowohl Wochenendtage als auch Tage, an denen er von einer Drittland-Geschäftsreise an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt war. Stattdessen folge aus Art. 15 Abs. 4 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA–Schweiz 1971/2002 die Freistellung der streitigen Einkünfte von der deutschen Besteuerung.
5
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) verneinte ebenfalls die Grenzgängereigenschaft des Klägers gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2002 und ging hierfür sogar von 67 Nichtrückkehrtagen aus. Mangels Eintragung der Funktion des Vizedirektors in das Handelsregister verneinte das FA allerdings auch die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2002. Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.07.2012 unterwarf es deshalb denjenigen Teil des Arbeitslohns, der auf die Ausübung der Tätigkeit in Drittstaaten oder im Inland entfiel, der inländischen Besteuerung (63/240 des Bruttoarbeitslohns). Die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung nach Art. 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 DBA-Schweiz 1971/2002 einbehaltene Quellensteuer in Höhe von 4,5 % wurde in dem Bescheid nicht berücksichtigt. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2013 als unbegründet zurück.
6
Die hiergegen gerichtete Klage hatte im ersten Rechtsgang keinen Erfolg (Finanzgericht —FG— Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19.12.2013 – 3 K 1189/13). Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) das FG-Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben hatte (Urteil vom 20.07.2016 –
I R 40/14,
BFH/NV 2017, 312), wies das FG die Klage im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 06.04.2017 –
3 K 3729/16 erneut als unbegründet ab. Entgegen der Auffassung der Beteiligten sei der Kläger im Streitjahr als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2002 anzusehen und damit der inländischen Einkommensteuer zu unterwerfen. Er habe nicht mehr als 60 Nichtrückkehrtage nachgewiesen, da sowohl Wochenendtage als auch Tage, an denen der Kläger von einer Drittland-Geschäftsreise an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt sei, keine Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 seien. Die hiervon abweichenden Regelungen in § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.2010 (
BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146 —KonsVerCHEV—) seien wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes unwirksam und darüber hinaus erst ab dem Inkrafttreten der KonsVerCHEV am 23.12.2010 anwendbar. Da der Arbeitslohn aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots weiterhin nur teilweise erfasst werde, könne auch die Schweizerische Quellensteuer zu keiner Änderung des angefochtenen Bescheids führen. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen i.S. des § 163 Satz 3 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AO) liege ebenfalls nicht vor.
7
Der Kläger macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.07.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2013 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt wird.
8
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es hat keinen Antrag gestellt.
II.
10
Die Revision des Klägers ist zulässig. Die Revisionsfrist war am 26.05.2017, dem Tag, an dem die Revision beim BFH einging, noch nicht abgelaufen, da sie erst am 25.04.2017 begann und am 26.05.2017 endete.
11
1. Die Revisionsfrist von einem Monat beginnt mit der Zustellung des vollständigen FG-Urteils (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gemäß § 53 Abs. 2 FGO ist ein FG-Urteil von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zuzustellen. Danach durfte das FG-Urteil u.a. an Anwälte und Steuerberater gegen Empfangsbekenntnis —auch durch Telekopie (Fax)— zugestellt werden (§ 174 Abs. 1 und 2 ZPO). Zum Nachweis der Zustellung genügt bei dieser Zustellungsform das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis (§ 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO), welches durch Telekopie an das Gericht zurückgesandt werden kann (§ 174 Abs. 4 Satz 2 ZPO).
12
2. Im Streitfall weist das von der bevollmächtigten Rechtsanwältin unterschriebene und an das Gericht per Fax zurückgesandte Empfangsbekenntnis den 25.04.2017 als Tag der Zustellung des FG-Urteils aus. Dadurch ist grundsätzlich der volle Beweis dafür erbracht, dass das Urteil tatsächlich an diesem Tag zugestellt worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.10.1998 – IV R 10/98,
BFH/NV 1999, 500; vom 23.02.2006 –
IX B 206/05,
BFH/NV 2006, 1667; vom 22.09.2015 –
V B 20/15,
BFH/NV 2016, 50).
13
Für einen möglichen Gegenbeweis reicht der Hinweis des FA auf die Angaben der Prozessbevollmächtigten in der Revisionsschrift vom 26.05.2017 nicht aus. Dort wird lediglich ausgeführt, dass das FG-Urteil am 24.04.2017 “zugegangen” sei. Diese Aussage kann den durch das Empfangsbekenntnis erbrachten Beweis schon deshalb nicht entkräften, weil der Tag des Eingangs im Büro der Prozessbevollmächtigten nicht mit dem Tag der Zustellung identisch sein muss. Vielmehr ist der Tag der Zustellung (erst) derjenige Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übersandten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (Senatsurteil vom 25.01.2005 – I R 54/04,
BFH/NV 2005, 1572, m.w.N.).
14
3. Aufgrund des Fristbeginns am 25.04.2017 und des gesetzlichen Feiertages am 25.05.2017 (Christi Himmelfahrt) endete die einmonatige Revisionsfrist am 26.05.2017 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
III.
15
Die Revision ist aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2002 anzusehen. Seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Vizedirektor bei der Schweizerischen X AG sind im Streitjahr unter Beachtung des Verböserungsverbots in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommensteuer einzubeziehen.
16
1. Der Kläger war gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte er einen Wohnsitz im Inland und unterlag daher mit sämtlichen im Streitjahr erzielten Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer.
17
2. Die Ausübung des inländischen Besteuerungsrechts ist hinsichtlich der streitigen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) nicht durch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA–Schweiz 1971/2002 eingeschränkt. Zwar sieht diese Vorschrift bei einer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Person unter bestimmten Voraussetzungen vor, die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA–Schweiz 1971/2002 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall aber nicht vor, da der Kläger als Grenzgänger i.S. des vorrangigen Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2002 anzusehen ist (Senatsurteil vom 17.11.2010 – I R 76/09,
BFHE 232, 68,
BStBl II 2012, 276 unter Hinweis auf dessen Wortlaut “ungeachtet des Artikels 15”).
18
a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA–Schweiz 1971/2002). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so entfällt ihre Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2002). Ergänzend heißt es in Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991 (BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929 —Verhandlungsprotokoll—), Arbeitstage im Sinne dieser Regelung seien die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Diese Bestimmung enthält nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2002 (Senatsurteil vom 13.11.2013 – I R 23/12,
BFHE 244, 270,
BStBl II 2014, 508, m.w.N.).
19
b) In Übereinstimmung mit den Beteiligten ist das FG davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 in Deutschland ansässig war und für seine Tätigkeit als Vizedirektor der X AG im Streitjahr Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielte. Insoweit sind keine Rechtsfehler erkennbar.
20
c) Darüber hinaus hat das FG zu Recht entschieden, dass der Kläger entgegen der Annahme der Beteiligten nicht mehr als 60 Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2002 nachgewiesen hat und deshalb als Grenzgänger anzusehen ist.
21
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 11.11.2009 – I R 15/09,
BFHE 227, 419,
BStBl II 2010, 602, m.w.N.; vom 09.06.2010 –
I R 115/08,
BFH/NV 2010, 2275) führen Tage, an denen der Steuerpflichtige von einer Geschäftsreise aus einem Drittland tatsächlich an seinen Wohnsitz zurückkehrt, nicht zu Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2002. Der Wortsinn des Begriffs Rückkehr schließt es aus, eine tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz als Nichtrückkehrtag anzusehen. Dies wird durch den Zweck der Grenzgängerregelung bestätigt, der engeren Bindung zum Ansässigkeitsstaat Rechnung zu tragen. Eine tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz kann nicht zu einer Lockerung dieser Bindung führen. Vielmehr hat jede tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz —unabhängig von ihrem Ausgangspunkt— eine Stärkung der Bindung zum Ansässigkeitsstaat zur Folge.
22
Darüber hinaus zählen nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile in BFHE 227, 419,
BStBl II 2010, 602, m.w.N.; in
BFH/NV 2010, 2275; vom 12.10.2010 –
I R 86/08,
BFH/NV 2011, 579; in
BFHE 232, 68,
BStBl II 2012, 276) auch Geschäftsreisen an Wochenend- und Feiertagen nicht zu den Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2002, sofern die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt. Dies ergibt sich insbesondere aus der für die Gerichte bindenden Regelung in Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls. Danach sind Arbeitstage i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA–Schweiz 1971/2002 (nur) die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage.
23
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, an denen der Senat festhält, hat das FG von den 67 Nichtrückkehrtagen, die das FA dem angegriffenen Einkommensteuerbescheid 2010 zugrunde gelegt hat, zu Recht insgesamt 12 Tage abgezogen und damit nur 55 Nichtrückkehrtage ermittelt. Zum einen waren nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) insgesamt sechs Tage als Nichtrückkehrtage berücksichtigt worden, an denen der Kläger von Geschäftsreisen in die Vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt war. Zum anderen waren bei den Geschäftsreisen insgesamt sechs weitere Wochenend- und Feiertage berücksichtigt worden, obwohl die Arbeit an diesen Tagen nach den Feststellungen des FG nicht ausdrücklich vereinbart war und die X AG für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder Freizeitausgleich noch eine zusätzliche Bezahlung leistete. Vielmehr sah der Arbeitsvertrag des Klägers nach den Feststellungen des FG lediglich die Wochentage Montag bis Freitag als Arbeitstage vor. Etwaige Einzelweisungen des Vorgesetzten erfüllen nicht das aus Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls folgende Erfordernis einer arbeitsvertraglichen Regelung.
24
d) § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHEV, nach dem bei mehrtägigen Geschäftsreisen alle Wochenend- und Feiertage als Nichtrückkehrtage anzusehen sind, sofern der Arbeitgeber die Reisekosten trägt, sowie § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV, nach dem eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen, führen zu keinem anderen Ergebnis.
25
aa) Ermächtigungsgrundlage für die KonsVerCHEV ist der durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) eingefügte § 2 Abs. 2 Satz 1 AO. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. des Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen) den Rang einer Rechtsverordnung verleihen. Hintergrund war die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 02.09.2009 – I R 111/08,
BFHE 226, 276,
BStBl II 2010, 387;
I R 90/08,
BFHE 226, 267,
BStBl II 2010, 394), dass behördliche Konsultationsvereinbarungen für Gerichte keine bindende Wirkung haben.
26
bb) § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV verstoßen aber gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes —GG—) und sind daher vom Senat als unwirksam zu verwerfen. Durch die im Rang einer Rechtsverordnung stehende KonsVerCHEV kann keine Regelung getroffen werden, die dem im Rang eines Gesetzes stehenden DBA–Schweiz 1971/2002 widerspricht oder dessen Lücken ergänzt. Vielmehr ist die “Grenzmarke” des Wortlauts des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2002 zu beachten (Senatsurteil vom 10.06.2015 – I R 79/13,
BFHE 250, 110,
BStBl II 2016, 326, m.w.N.).
27
Diesen Anforderungen werden weder § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHEV noch § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV gerecht. Wie bereits ausgeführt, stützt der Senat sein von diesen Vorschriften abweichendes Verständnis gerade auf den Wortlaut des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2002 sowie auf die ausdrückliche Regelung in Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls, auf das im Zustimmungsgesetz vom 30.09.1993 (BGBl II 1993, 1886,
BStBl I 1993, 927) Bezug genommen wird. Auf die Schlussfolgerungen der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, auf die das BMF im Revisionsverfahren ausdrücklich Bezug genommen hat und die mit der Resolution A/Res/73/202 vom 20.12.2018 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen offiziell zur Kenntnis genommen worden sind, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Zwar wird in diesen Schlussfolgerungen ausgeführt, “spätere Übereinkünfte” und eine “spätere Praxis” gemäß Art. 31 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (BGBl II 1985, 927) seien Mittel zur Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags. Dies gilt aber nur im Rahmen möglicher Auslegungen des völkerrechtlichen Vertrags und kann nicht zu einer Überschreitung der Wortlautgrenze führen.
28
cc) Ob § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV darüber hinaus wegen fehlender Bestimmtheit (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO zu verwerfen sind oder insoweit der Bezugsrahmen der Zustimmungsgesetze zum DBA-Schweiz 1971/2002 den Anforderungen an die Bestimmtheit genügt (vgl. auch Senatsurteile in BFHE 250, 110,
BStBl II 2016, 326 zu § 24 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV; vom 30.05.2018 –
I R 62/16,
BFHE 262, 54 zu § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV), braucht unter diesen Umständen nicht weiter erörtert zu werden. Entsprechendes gilt für den Umfang der Verwerfungskompetenz des Senats im Fall einer fehlenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
29
dd) Im Übrigen würde eine durch § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV bewirkte Änderung der Ermittlung der Nichtrückkehrtage nach der Rechtsprechung des Senats allenfalls für den Zeitraum ab deren Inkrafttreten am 23.12.2010 (§ 26 KonsVerCHEV) gelten. § 25 KonsVerCHEV i.V.m. Art. 97 § 1 Abs. 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des JStG 2010, wonach die KonsVerCHEV bereits für Besteuerungssachverhalte ab dem 01.01.2010 anwendbar sein soll, ändert daran nichts (vgl. hierzu Senatsurteil in BFHE 250, 110,
BStBl II 2016, 326). Im Streitfall liegen die entscheidenden Tage aber vor dem 23.12.2010.
30
e) Ob die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2002 erfüllt sind, obwohl die Funktion des Klägers als Vizedirektor erst später in das Handelsregister eingetragen worden ist, kann wegen der Vorrangigkeit des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2002 im Streitfall offen bleiben.
31
3. Auch wenn Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA–Schweiz 1971/2002 vorsieht, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommensteuer einzubeziehen, ist der Senat wegen des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren an die nur teilweise Einbeziehung dieser Einkünfte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 gebunden.
32
Das FG hat zu Recht entschieden, dass unter diesen Umständen auch eine etwaige Berücksichtigung der Schweizerischen Quellensteuer zu keiner Änderung des angefochtenen Bescheids führen kann und deshalb nicht weiter zu erörtern ist. Aufgrund des geringen Umfangs der Tätigkeiten des Klägers in Drittstaaten gilt dies auch für die Frage, ob derjenige Teil der Einkünfte, der sich auf Tätigkeiten in Drittstaaten bezieht, nach den mit diesen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (im Streitfall nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika) in Deutschland besteuert werden kann (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 19.04.1999 – I B 141/98,
BFH/NV 1999, 1317).
33
4. Schließlich ist das FG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Entscheidung des FA, der Kläger sei kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2002, keine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) darstellt.
34
Zwar kann eine Billigkeitsmaßnahme, die als eigenständiger Verwaltungsakt ergeht (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 579) und hinsichtlich der Steuerfestsetzung einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO darstellt (Senatsbeschluss vom 12.07.2012 –
I R 32/11, BFHE 237, 307,
BStBl II 2015, 175, m.w.N.), mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Satz 3 AO). Im Streitfall ergibt aber eine Auslegung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids nach den für den Kläger erkennbaren Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (vgl. hierzu Senatsurteil in BFHE 237, 307,
BStBl II 2015, 175), dass keine Billigkeitsmaßnahme getroffen worden ist. Denn das FA hat sich allein auf die Anwendung der KonsVerCHEV gestützt.
35
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!- 1. April 2021
BFH zur Einsicht in Kindergeldakten
BFH, Beschluss III R 59/19 vom 03.11.2020
Leitsatz
- Die Akteneinsicht in Kindergeldsachen nach dem EStG richtet sich nach der AO; insoweit besteht ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung.
- Bei der Abwägung der Interessen des Einsichtssuchenden und der Familienkasse ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsaufwand regelmäßig geringer ist als in Steuersachen, weil sich in Kindergeldakten seltener als in anderen Steuerakten Daten von und Informationen über Dritte befinden, die durch das Steuergeheimnis geschützt sind, dass in elektronischer Form geführte Kindergeldakten leichter zu duplizieren sind als Papierakten und dann trotz Akteneinsicht für die Fallbearbeitung zur Verfügung stehen, und dass elektronisch geführte Akten durch die Gewährung von Akteneinsicht keinem erhöhten Integritäts- oder Verlustrisiko ausgesetzt sind.
Tenor:
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache werden der Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens auferlegt.
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 06.11.2018 – 12 K 132/18 ist gegenstandslos.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter der Kinder D und R. Sie bezog für diese bis Januar 2014 Kindergeld.
2
Mit Schreiben vom 17.11.2017 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) Einsicht in die Kindergeldakte. Die Familienkasse teilte ihnen dazu am 07.02.2018 mit, dass dem Antrag auf Akteneinsicht nicht entsprochen werden könne. Am 16.03.2018 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, ihnen die Akte in ausgedruckter Form zu übersenden. Die Familienkasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 09.04.2018 ab. Den Einspruch der Klägerin vom 09.05.2018 wies die Familienkasse am 28.05.2018 als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 06.11.2018 als unbegründet ab.
3
Aufgrund des Antrags vom 17.04.2020 erhielt der Klägervertreter am 27.04.2020 im Revisionsverfahren Einsicht in die Kindergeldakte. Am 02.10.2020 erklärte die anwaltlich vertretene Klägerin und am 23.09.2020 die Familienkasse den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
II.
4
Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht gemäß §§ 143 Abs. 1, 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Dies führt nach summarischer Prüfung zur Kostentragungspflicht der Beklagten, da die Klägerin in dem Rechtsstreit ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses obsiegt hätte. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Akteneinsicht in die Kindergeldakte.
5
1. Seit der Übernahme des Kindergeldrechts in das Einkommensteuerrecht zum 01.01.1996 richtet sich das Verwaltungsverfahren allein nach der Abgabenordnung —AO— (Senatsurteil vom 19.11.2008 – III R 108/06,
BFH/NV 2009, 357, unter II.2.). Dies gilt, obwohl dem Kindergeld eine Doppelfunktion zukommt. Es dient gemäß § 31 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung und Ausbildung und, soweit das Kindergeld hierfür nicht erforderlich ist, nach § 31 Satz 2 EStG der sozialrechtlichen Förderung der Familie (vgl. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.06.2004 –
2 BvL 5/00,
BVerfGE 110, 412, BGBl I 2004, 2570, unter C.II.1. am Ende; Senatsurteil vom 25.07.2019 –
III R 34/18,
BFHE 265, 487, Rz 30).
6
a) Die AO enthält —anders als andere Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 147 der Strafprozessordnung— keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten. Allerdings steht dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zu (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 23.02.2010 – VII R 19/09,
BFHE 228, 139,
BStBl II 2010, 729, Rz 11). Der Anspruch des Einsichtssuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung ist gewahrt, wenn die Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat (BFH-Beschluss vom 04.06.2003 –
VII B 138/01,
BFHE 202, 231,
BStBl II 2003, 790, unter II.2.a).
7
Der Gesetzgeber hat ein allgemeines Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren für nicht praktikabel gehalten, weil diesem Gesichtspunkte des Schutzes Dritter und das Ermittlungsinteresse der Finanzbehörden sowie der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörde entgegenstünden, die vor jeder Akteneinsicht zu prüfen hätte, ob ein Geheimhaltungsinteresse Dritter beeinträchtigt sein könnte und dann das gesamte Kontrollmaterial, behördeninterne Vermerke und Anweisungen und Ähnliches aus den Akten zu entfernen hätte (BTDrucks 7/4292, S. 24 f.). Daraus hat der BFH im Beschluss in BFHE 202, 231,
BStBl II 2003, 790, unter II.2.b abgeleitet, dass die Einsichtnahme in die Akten während des laufenden Verwaltungs- oder Steuerermittlungsverfahrens lediglich eine in Anwendung des § 91 AO oder des § 364 AO aus Gründen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu gewährende Ausnahme sein soll. Im Beschluss vom 26.05.1995 –
VI B 91/94 (BFH/NV 1995, 1004) nahm der BFH an, dass das Finanzamt nach seinem Ermessen Akteneinsicht gewähren kann, obwohl in der AO ein allgemeines Akteneinsichtsrecht nicht geregelt ist, und dies jedenfalls dann regelmäßig geschehen sollte, wenn Verhältnisse Dritter nicht berührt werden.
8
b) Einsichtsgesuche in Kindergeldakten sind nicht nach anderen Grundsätzen zu behandeln als Akteneinsichtsgesuche, die in gewöhnlichen steuerlichen Verwaltungsverfahren gestellt werden.
9
Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch Kinderfreibeträge und Kindergeld in den §§ 67 ff. EStG einige Sonderregeln verfahrensrechtlicher Art für das Kindergeld geschaffen. Ein Akteneinsichtsrecht ist darin nicht normiert, obwohl die allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften (§ 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch), denen das Verwaltungsverfahren in Kindergeldsachen bis zur Neuregelung unterlag, ein solches im Sozialverwaltungsverfahren grundsätzlich vorsehen.
10
Somit sind die Interessen des Einsichtssuchenden und die der Familienkasse gegeneinander abzuwägen. Diese Belange können anders gelagert sein als in gewöhnlichen steuerlichen Verwaltungsverfahren, so dass die Abwägung häufiger zur Gewährung von Akteneinsicht führen mag. Insbesondere dürften sich in Kindergeldakten seltener als in gewöhnlichen Steuerakten Kontrollmitteilungen oder Prüfhinweise sowie Daten von und Informationen über Dritte befinden, die durch das Steuergeheimnis geschützt werden. Gerade der Schutz Dritter und der zu diesem Zweck im Falle der Gewährung von Akteneinsicht zu betreibende Verwaltungsaufwand waren aber nach der Gesetzesbegründung maßgebliche Gründe für die fehlende Regelung eines Akteneinsichtsrechts im steuerlichen Verwaltungsverfahren. Auch sind die inzwischen in elektronischer Form geführten Kindergeldakten leichter zu duplizieren als Papierakten, sie stehen damit trotz Akteneinsicht ohne zeitliche Einschränkungen für die Fallbearbeitung zur Verfügung und unterliegen keinem durch die Gewährung von Akteneinsicht erhöhten Integritäts- oder sogar Verlustrisiko.
11
2. Die Familienkasse hat das ihr eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Sie hat zwar —wie die Einspruchsentscheidung vom 28.05.2018 zeigt— erkannt, dass kein in der AO geregelter Akteneinsichtsanspruch der Klägerin besteht, es ihr jedoch nicht verwehrt ist, im Einzelfall nach ihrem Ermessen Akteneinsicht zu gewähren. Die Familienkasse ist bei der Entscheidung aber davon ausgegangen, dass die Klägerin keinerlei berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht habe. Sie ist daher in eine Interessensabwägung überhaupt nicht eingetreten. Da nach den Umständen des Einzelfalls die Belange der Klägerin, namentlich die Sprachbarriere, das Fehlen von Unterlagen zum Kindergeldverfahren und das Erfordernis, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die Interessen der Familienkasse jedoch deutlich überwogen, war von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen, und es bestand ein Anspruch der Klägerin auf Einsicht in die Kindergeldakte.
12
Die Familienkasse hat gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin geltend gemacht hatte, der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig und mit dem Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Kindergeldes überfordert gewesen zu sein. Auch der Vortrag, die Klägerin verfüge nicht mehr über Unterlagen oder Informationen zum Stand der Kindergeldangelegenheit, fand keinen Eingang in die Entscheidung.
13
Soweit sich die Familienkasse darauf berufen hat, dass über die Kindergeldansprüche bis zur Höchstaltersgrenze der Kinder bestandskräftig entschieden sei, kann dies zwar für die —gleichfalls in die Abwägung einzustellende Frage, ob die Auskunft noch der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen kann— von Bedeutung sein. Indessen fehlt der Einspruchsentscheidung eine Begründung, welche die Tatsachen enthält, die es erlauben würden, diese Erwägung nachzuvollziehen und nachzuprüfen. So sind weder die Bescheiddaten noch die jeweils beschiedenen Zeiträume angegeben. Außerdem ist zu beachten, dass auch bestandskräftige Bescheide geändert werden können, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift vorliegen. Hier hatte die Klägerin jahrelang Kindergeld für ihre Söhne bezogen und war darum bemüht, die Umstände der Beendigung der Zahlungen aufzuklären, so dass der nötige Bezug zu einem Steuerrechtsverhältnis nach wie vor bestand.
14
Soweit die Familienkasse darauf abstellt, dass die Entscheidungen allein auf der Grundlage der von der Klägerin übersandten Unterlagen getroffen worden seien, hat sie nicht erwogen, dass —anders als regelmäßig in gewöhnlichen Steuerverwaltungsverfahren— somit Rechte Dritter bzw. das Steuergeheimnis einer Akteneinsicht nicht entgegenstanden.
15
Auch der im Ausgangsbescheid zur Begründung herangezogene Umstand, dass die Unterlagen nur noch in elektronischer Form vorliegen, sprach gerade nicht gegen eine Akteneinsicht. Vielmehr folgt hieraus, dass ein etwaiges Verlustrisiko für die Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht keine und der Aufwand für die Übersendung z.B. an eine andere Familienkasse oder ein FG entfielen und die Fertigung einer Duplikatsakte allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielen können. Da es sich um ein bei der Familienkasse bereits abgeschlossenes Verfahren handelte, drohte auch aus diesem Grund keinerlei Verzögerung bei der Bearbeitung des Falles.
16
3. Angesichts der vorgenannten Umstände kann es im Streitfall hier auch dahinstehen, ob Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung über das Auskunftsrecht hinaus ein Recht auf Einsicht in die Steuerakten begründet.
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... weiterlesen!BFH, Urteil III R 62/19 vom 15.07.2020
Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger kann die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung eines Pkw, für den er den Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung nach § 7g EStG in Anspruch genommen hat, nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Beweismittel nachweisen.
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.06.2018 – 7 K 7287/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Gründe:
I.
1
Streitig ist, wie bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 und der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG der Nachweis für die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines PKW zu führen ist.
2
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Ehegatten im Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hatte im Jahr 2011 einen Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung eines PKW in Höhe von 15.200 € (40 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten von 38.000 €) gebildet und am 02.09.2014 einen PKW C für 27.881 € (netto) angeschafft, dessen Bruttolistenpreis bei 33.390 € lag.
3
In der Einkommensteuererklärung für 2014 (Streitjahr) gaben die Kläger nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 34.902 € an. Dabei hatte der Kläger die Entnahmen durch die private Kfz-Nutzung mit Hilfe der sog. Fahrtenbuchmethode bewertet und den für die Anschaffung eines PKW gebildeten Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 11.152,40 € auf den PKW C übertragen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 18.11.2015 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest. Nach einer Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die vom Kläger vorgelegten Fahrtenbücher nicht ordnungsgemäß geführt und daher nicht anzuerkennen seien. Sie setzte für die private Nutzung des PKW C einen Betrag von 1.332 € (1 % x 4 Monate x 33.300 €) an und versagte die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibung. Sie berücksichtigte lediglich eine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 1.548,94 € (1/6 von 27.881 € x 4/12).
4
Das FA schloss sich der Auffassung der Prüferin an und erließ am 18.03.2016 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014. Der Einspruch der Kläger vom 31.03.2016 blieb insoweit ohne Erfolg.
5
Mit der Klage verfolgten die Kläger das Ziel, bei der Gewinnermittlung für den PKW C eine gewinnerhöhende Hinzurechnung von 11.152,40 €, eine gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten in Höhe von 11.152,40 €, eine Sonderabschreibung in Höhe von 3.345 € und eine AfA von 930,60 € (statt 1.548,94 €) zu berücksichtigen sowie die Entnahme für die private Nutzung dieses PKW anhand der Fahrtenbuchmethode mit 1.445,62 € (8,45 % der Aufwendungen für den PKW) statt mit 1.332 € zu bewerten.
6
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger den PKW C jedenfalls im Jahr 2014 zu 90 % oder mehr betrieblich genutzt habe. Die vorgelegten Fahrtenbücher seien zu verwerfen, die unzureichenden Angaben insbesondere im Fahrtenbuch 5/2014 seien nicht als einige wenige kleinere Flüchtigkeitsfehler anzusehen. Eine Schätzung des privaten Nutzungsanteils auf weniger als 10 % sei bei der Verwerfung des Fahrtenbuchs ausgeschlossen und werde auch im Rahmen des § 7g EStG durch die 1 %-Regelung ersetzt. Der private Nutzungsanteil am PKW sei gleichfalls nach der 1 %-Methode zu bemessen.
7
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
8
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das angefochtene Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.06.2018 – 7 K 7287/16 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung eines um die Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags von 11.152,40 €, die gewährte (lineare) AfA von 1.548,94 € und eine Nutzungswertentnahme von 1.445,62 € erhöhten sowie um eine Herabsetzung der Anschaffungskosten des PKW C in Höhe von 11.152,40 €, eine Sonderabschreibung von 3.345 €, eine (lineare) AfA von 930,60 € und die bisher angesetzte Nutzungswertentnahme von 1.332 € geminderten Gewinns des Klägers aus Gewerbebetrieb festgesetzt wird.
9
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— i.V.m. § 121 FGO).
II.
11
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG. Zwar hat das FG zu Recht das Fahrtenbuch verworfen und die den PKW C betreffende Nutzungswertentnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der 1 %-Regelung bewertet (1.). Entgegen der Auffassung des FG ist aber der Umfang einer nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung von Kfz im Anwendungsbereich des § 7g EStG nicht nur mittels ordnungsgemäßer Fahrtenbücher nachzuweisen (2.). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG —von seinem rechtlichen Standpunkt aus zu Recht— keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die private Nutzung des PKW C im Streitjahr bzw. im Folgejahr einen Anteil von 10 % oder mehr erreicht hat und ob der Betrieb des Klägers Ende 2013 die in § 7g Abs. 6 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG normierten Größenmerkmale nicht überschritten hat.
12
1. Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. —wenn ein solcher nicht vorhanden ist— den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 01.03.2012 – VI R 33/10,
BFHE 236, 497,
BStBl II 2012, 505, Rz 12). Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt (BFH-Urteil vom 16.03.2006 –
VI R 87/04,
BFHE 212, 546,
BStBl II 2006, 625, unter II.1.b). Die genannten Angaben müssen sich in hinreichend übersichtlicher und geordneter Form regelmäßig schon dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen und dadurch eine stichprobenartige Überprüfung ermöglichen. Das schließt es nicht aus, im Fahrtenbuch gegebenenfalls auch Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele und Kunden oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke zu verwenden, solange die gebrauchten Kürzel entweder aus sich heraus verständlich oder z.B. auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sind und der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird (BFH-Urteil in BFHE-Urteil 212, 546,
BStBl II 2006, 625, unter II.1.d).
13
Das FG ist von der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH ausgegangen und aufgrund einer umfassenden Würdigung des den PKW C betreffenden Fahrtenbuchs 5/2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorgelegten Aufzeichnungen zahlreiche unzureichende Eintragungen in Gestalt von weder aus sich selbst heraus verständlichen noch im Fahrtenbuch erläuterten Abkürzungen sowie ungenau angegebenen Fahrtzwecken enthalten, so dass sie insgesamt nicht mehr als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anzusehen sind. Diese vom FG aufgrund der Gesamtwürdigung der Aufzeichnungen vorgenommene Schlussfolgerung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst. Sie ist daher für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO, vgl. Senatsurteil vom 03.07.2014 – III R 30/11,
BFHE 246, 477,
BStBl II 2015, 157, Rz 33).
14
2. Gemäß § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts um bis zu 40 %, höchstens um den nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG hinzugerechneten Betrag, gewinnmindernd herabgesetzt werden, so dass sich dadurch die Bemessungsgrundlagen u.a. für die AfA und für Sonderabschreibungen entsprechend verringern. Außerdem können nach § 7g Abs. 5 EStG bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung und Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG Sonderabschreibungen von bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden, sofern das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird und die betriebsbezogenen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 7g Abs. 6 EStG).
15
Wird das Wirtschaftsgut in den Fällen des § 7g Abs. 2 EStG nicht entsprechend genutzt, sind gemäß § 7g Abs. 4 EStG der Abzug des Investitionsabzugsbetrags, die Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Verringerung der Bemessungsgrundlage und die Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 EStG rückgängig zu machen. Gleiches gilt gemäß § 7g Abs. 6 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 EStG für die in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen, wenn das Wirtschaftsgut nicht im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
16
Sowohl bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g Abs. 1 bis 4 EStG als auch bei der Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 EStG ist eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 % erforderlich (Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes —UntStRG— 2008, BTDrucks 16/4841, S. 52 und 53; zu § 7g Abs. 1 EStG: BFH-Urteile vom 19.03.2014 – X R 46/11,
BFHE 245, 36,
BStBl II 2017, 291, Rz 16, und vom 06.04.2016 –
X R 28/14,
BFHE 254, 218,
BStBl II 2017, 302, Rz 29; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— vom 20.11.2013,
BStBl I 2013, 1493, zu Zweifelsfragen zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 EStG).
17
3. Der Nachweis einer nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW i.S. des § 7g EStG kann nicht nur durch ordnungsgemäße Fahrtenbücher geführt werden.
18
a) Die Frage, wie die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts nachzuweisen sind, ist in § 7g EStG nicht ausdrücklich geregelt.
19
aa) Geklärt ist, dass der Nachweis einer ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW jedenfalls nicht anhand der 1 %-Regelung geführt werden kann, da ein Durchschnittswert in Höhe von monatlich 1 % des abgerundeten Bruttolistenpreises in etwa einem Anteil der Privatnutzung von 20 bis 25 % entspricht (BFH-Beschluss vom 03.01.2006 – XI B 106/05,
BFH/NV 2006, 1264, unter 2.). Der XI. Senat führte in dieser Entscheidung weiter aus, dass der Umfang der Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen und die Vorlage eines Fahrtenbuchs nachgewiesen werden könne, ließ aber dahin stehen, auf welche andere Weise die tatsächliche Nutzung eines PKW belegt werden kann. Die Entscheidung vom 26.11.2009 –
VIII B 190/09 (
BFHE 226, 541,
BStBl II 2013, 946) betraf dagegen lediglich die Frage, wie die künftig beabsichtigte fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines noch anzuschaffenden Kfz schlüssig und plausibel darzulegen ist. Der VIII. Senat hielt den Vortrag für ausreichend, der Nachweis über die Nutzung werde anhand geeigneter Aufzeichnungen im Jahr der Anschaffung und im Folgejahr erbracht, obwohl für ein bereits genutztes Fahrzeug die 1 %-Regelung Anwendung fand. Er legte dieses Vorbringen dahingehend aus, dass die Antragstellerin die Nutzung des noch anzuschaffenden Fahrzeugs durch ein Fahrtenbuch dokumentieren werde. Ob der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung auch auf andere Weise als durch das Fahrtenbuch geführt werden kann, war nicht Gegenstand der Entscheidung.
20
bb) In der Literatur werden zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten:
21
Nach einer Ansicht ist der Nachweis bei PKW mittels eines Fahrtenbuchs zu führen (Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 24 und Rz 96; KKB/Egner/Stößel, § 7g EStG, 5. Aufl., Rz 58; Bugge in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7g Rz E 19 und F 12; Kaligin in Lademann, EStG, § 7g EStG Rz 40; Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 7g Rz 22 unter Hinweis auf die Auffassung der Finanzverwaltung sowie Kratzsch, in Frotscher/Geurts, EStG, Freiburg 2018, § 7g Rz 48 und 89, der regelmäßig bzw. grundsätzlich den Nachweis durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch verlangt, aber ein solches nicht für zwingend erforderlich hält, soweit im Ausnahmefall eine private Nutzung von mehr als 10 % so gut wie ausgeschlossen ist).
22
Nach anderer Auffassung enthält § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG keine konkreten Vorgaben für den Nachweis. Die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung bei einem PKW lasse sich aber aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch ein Fahrtenbuch belegen, wogegen die 1 %-Regelung zur Nachweisführung ausscheide (Bartone in Korn, § 7g EStG Rz 25.7 und Rz 127; ähnlich Brandis in Blümich, § 7g EStG Rz 45: für betriebliche Pkw Fahrtenbuch bzw. jedenfalls ordnungsgemäße Aufzeichnungen erforderlich).
23
cc) Die Finanzverwaltung vertritt zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags die Auffassung, dass der Umfang der betrieblichen Nutzung im maßgebenden Nutzungszeitraum vom Steuerpflichtigen anhand geeigneter Unterlagen darzulegen sei, im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG durch das ordnungsgemäße Fahrtenbuch. Bei Anwendung der sog. 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) sei grundsätzlich von einer schädlichen Privatnutzung auszugehen (BMF-Schreiben vom 08.05.2009, BStBl I 2009, 633, zu Zweifelsfragen zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 EStG in der Fassung des UntStRG 2008 vom 14.08.2007, ebenso nachfolgende BMF-Schreiben vom 20.11.2013,
BStBl I 2013, 1493, und vom 20.03.2017,
BStBl I 2017, 423).
24
dd) Die Gesetzesbegründung befasst sich nur mit den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags und der Sonderabschreibungen, nicht jedoch mit deren Nachweis (Entwurf eines UntStRG 2008, BTDrucks 16/4841, S. 52 f.).
25
b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW nicht auf ordnungsgemäße Fahrtenbücher beschränkt. Er kann —entsprechend der für die Aufklärung des Sachverhalts geltenden allgemeinen Grundsätze— auch durch andere Beweismittel geführt werden.
26
aa) Grundsätzlich ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie hat dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 Abs. 1 AO). Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden (§ 88 Abs. 2 Satz 1 AO). Zugleich sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie haben die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihnen bekannten Beweismittel anzugeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (§ 90 Abs. 1 AO). Entsprechendes gilt im finanzgerichtlichen Verfahren. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen ohne Bindung an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten. Es hat die Beteiligten bei der Sachverhaltsaufklärung heranzuziehen. Diese haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären (§ 76 Abs. 1 FGO). Das FG entscheidet sodann nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch Finanzbehörde oder FG zumutbare Mitwirkungspflicht u.a. dann gesteigert, wenn die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts die Abgrenzung privater und betrieblicher Aufwendungen erfordert. Dabei hat der Steuerpflichtige durch die Anführung von Tatsachen den Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Betrieb darzutun und auf Verlangen entsprechende Nachweise (Unterlagen) vorzulegen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 04.07.1990 – GrS 2–3/88,
BFHE 161, 290,
BStBl II 1990, 817, unter C.II.5.h aa, und BFH-Beschluss vom 18.08.2010 –
X B 178/09, BFH/NV 2010, 2010, Rz 7).
27
bb) Einschränkungen dieser Verpflichtungen können sich aus den Einzelsteuergesetzen ergeben. Eine solche Beschränkung der Beweismittel auf Belege einerseits und ordnungsgemäße Fahrtenbücher andererseits regelt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG. Nach dieser Vorschrift kann die private Nutzung abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit den auf Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG regelt indessen nur die Bewertung der Entnahmen (BFH-Urteil vom 20.11.2012 – VIII R 31/09,
BFH/NV 2013, 527, Rz 13). Dabei stellt die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG enthaltene sog. 1 %-Regelung als typisierender Ansatz der privaten Nutzungsentnahme bei Kfz (Senatsurteil vom 24.02.2000 –
III R 59/98,
BFHE 191, 286,
BStBl II 2000, 273, unter II.3.) lediglich einen Berechnungsmodus dar (BFH-Urteil vom 01.03.2001 –
IV R 27/00, BFHE 195, 200,
BStBl II 2001, 403, unter 3.). Dieser gilt über die Verweisung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG auch bei der Bewertung der Vorteile aus der privaten Nutzung betrieblicher Kfz. In beiden Fällen finden sich parallel ausgestaltete Ausnahmevorschriften, die bei der Verwendung der sog. Fahrtenbuchmethode den Ansatz der tatsächlich auf die privaten Fahrten entfallenden Aufwendungen anstelle der 1 %-Regelung erlauben.
28
cc) § 7g EStG regelt dagegen die steuerliche Begünstigung der Investitionstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial (Entwurf eines UntStRG 2008, BTDrucks 16/4841, S. 32 und 52). Gefördert werden —unter näher bestimmten Voraussetzungen— abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, nicht lediglich Kfz. Im Ergebnis unterscheiden sich damit die Regelungsgegenstände des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und des § 7g EStG grundlegend voneinander, obwohl die Vorschriften im gleichen Abschnitt (II. Einkommen) und Unterabschnitt (3. Gewinn) des EStG enthalten sind. Sie sind —anders als § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und § 8 Abs. 2 EStG— nicht durch eine Verweisungsnorm miteinander verknüpft.
29
dd) Der Sinn und Zweck der Regelungen verlangt nicht, den in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgegebenen Weg zum Nachweis der privaten Nutzung von Kfz auf die in § 7g EStG geregelten Sachverhalte zu übertragen.
30
Die Sätze 2 und 3 des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellen Ausnahmen von den allgemeinen Bewertungsregeln dar (BFH-Urteil vom 19.03.2009 – IV R 59/06,
BFH/NV 2009, 1617, unter II.4.c aa). Es handelt sich jedoch nicht um Regelungen, die umfassend sämtliche Fälle der Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erfassen, denn sie betreffen lediglich die zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz. Bei Kfz im gewillkürten Betriebsvermögen ist der auf die private Nutzung entfallende Aufwand (tatsächliche Selbstkosten) anzusetzen (Senatsurteil vom 09.11.2017 –
III R 20/16,
BFHE 260, 113,
BStBl II 2018, 278, Rz 13 und 14), wobei der Steuerpflichtige —nach dem Willen des Gesetzgebers— den Nutzungsanteil im Rahmen allgemeiner Darlegungs- und Beweislastregelungen nachzuweisen hat, ohne dass die Führung eines Fahrtenbuchs zwingend erforderlich ist (Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen, BTDrucks 16/634, S. 11).
31
Dementsprechend kann etwa auch bei der Abgrenzung von Privatvermögen und gewillkürtem Betriebsvermögen anhand der Geringfügigkeitsgrenze die mindestens 10 %ige betriebliche Nutzung nicht allein durch das Fahrtenbuch, sondern auch durch andere —zeitnah geführte— Aufzeichnungen belegt werden (BFH-Urteil vom 21.08.2012 – VIII R 12/11, Rz 21; noch offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 195, 200,
BStBl II 2001, 403, unter 3.).
32
Gleiches gilt für weitere Formen der Fahrzeugnutzung wie etwa die Nutzung eines zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs zu anderen betriebsfremden Zwecken im Falle der Erzielung anderweitiger außerbetrieblicher Einkünfte. Auch diese wird nicht durch die 1 %-Regelung erfasst (BFH-Urteil vom 26.04.2006 – X R 35/05,
BFHE 214, 61,
BStBl II 2007, 445, unter II.4.); sie ist mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten (BFH-Urteil in
BFHE 214, 61,
BStBl II 2007, 445, unter II.4.c).
33
Schließlich bemisst sich der Wert verdeckter Gewinnausschüttungen in Form von PKW-Nutzungen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht nach der 1 %-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben in der Regel mit dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung (BFH-Urteile vom 23.02.2005 – I R 70/04,
BFHE 209, 252,
BStBl II 2005, 882, unter II.3.b, und vom 23.01.2008 –
I R 8/06,
BFHE 220, 276,
BStBl II 2012, 260, unter II.3.).
34
ee) Auch wenn Praktikabilitätserwägungen für die Auffassung der Finanzverwaltung sprechen mögen, so stellt die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG geregelte Fahrtenbuchmethode, welche an die 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anknüpft, nach dem Vorstehenden keine zu verallgemeinernde Vorschrift zum Nachweis der Anteile der privaten und der betrieblichen Nutzung von Kfz dar. Ohne ausdrückliche gesetzliche Verweisung kommt eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG im Rahmen des § 7g EStG daher nicht in Betracht.
35
4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben.
36
Das FG wird im zweiten Rechtsgang im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 96 Abs. 1 FGO zu prüfen haben, ob ihm die Beweise eine hinreichend sichere Überzeugung dafür vermitteln, dass der Kläger den PKW C zu mindestens 90 % betrieblich genutzt hat. Dem Kläger ist nicht verwehrt, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO ergänzend zu den Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern weitere Belege vorzulegen, um für die Zwecke des § 7g EStG die betriebliche Veranlassung der aufgezeichneten Fahrten und damit die fast ausschließliche betriebliche Nutzung des PKW zu dokumentieren.
37
5. Auf die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler kommt es nicht mehr an. Führt die Revision —wie im Streitfall— aus materiellen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, muss nicht mehr darüber entschieden werden, ob außerdem ein Verfahrensfehler vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 21.01.2010 – VI R 51/08,
BFHE 228, 85,
BStBl II 2010, 700, Rz 11, und vom 19.04.2012 –
III R 85/09,
BFHE 237, 145,
BStBl II 2013, 19, Rz 18).
38
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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Leitsatz
Mehrere Steuerfälle erfordern grundsätzlich entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder – bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt (Steuerfall).
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 12.06.2018 – 3 K 77/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) buchte im August 2014 bei einem Reiseveranstalter für sich und seine Lebensgefährtin eine fünfmonatige Kreuzfahrt von A nach B.
2
Der Reiseveranstalter erteilte dem Kläger am 10.02.2015 und am 29.09.2015 zwei Rechnungen für die Kosten der Kreuzfahrt in der höchsten Kategorie über insgesamt 500.000 €. In diesem Betrag sind die Kosten für die Anreise beider Personen enthalten. Der Preis der Luxuskabine, in der bis zu vier Personen Platz fanden, war nach der Angebotsgestaltung des Reiseveranstalters unabhängig von der tatsächlich angemeldeten Personenzahl.
3
Während der Reise entstanden weitere Kosten in Höhe von insgesamt 45.000 € für beide Personen (Ausflüge, Restaurantbesuche, Inanspruchnahme von Spa–, Fitness– und Frisördienstleistungen an Bord). Diese zusätzlichen Leistungen wurden gesondert gebucht und über das “Bordkonto” taggenau abgerechnet.
4
Die Aufwendungen für die Reise wurden vollumfänglich vom Kläger getragen. Seine Lebensgefährtin wäre aus eigenen Mitteln zur Unternehmung einer solchen Reise finanziell nicht in der Lage gewesen.
5
Am 24.06.2016 gab der Kläger eine Schenkungsteuererklärung ab, in der er eine Zuwendung an seine Lebensgefährtin in Höhe von rund 25.000 € erklärte (anteilige Kosten für die Anreise, einen Flug nach E, Ausflüge und Verpflegung). Der Kläger erklärte, er werde die Schenkungsteuer übernehmen.
6
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 05.07.2016 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) für eine freigebige Zuwendung “zum 10.02.2015” gegenüber dem Kläger eine Steuer in Höhe von rund 100.000 € fest. Dabei legte es einen steuerpflichtigen Erwerb der Lebensgefährtin in Höhe von rund 300.000 € zugrunde, in den u.a. die halben Gesamtreisekosten eingegangen waren. Den Erwerb bezeichnete das FA im Bescheid als “sonstige Forderung” mit der Erläuterung: “Schenkung Weltreise …” und erläuterte, der Gegenstand der Zuwendung sei die gemeinsame Weltreise.
7
Mit Einspruchsentscheidung vom 01.03.2017 setzte das FA die Schenkungsteuer herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung differenzierte das FA zwischen “Buchung der Reise” (500.000 €), “Flug D–E” (900 €) und “Ausflüge und Verpflegung” (45.000 €).
8
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Mitnahme auf die Kreuzfahrt erfülle weder als Verschaffung eines eigenen Anspruchs gegenüber dem Reiseveranstalter noch im Hinblick auf die tatsächliche Durchführung den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Der Kläger habe seiner Lebensgefährtin zwar ein eigenes, aber kein frei verfügbares Forderungsrecht auf Durchführung der Reise verschafft. Sie habe auch keine eigenen Aufwendungen erspart. Die Kostenübernahme für Anreise, Flüge, Ausflüge und Verpflegung teile dieses Schicksal. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1559 veröffentlicht.
9
Mit der Revision macht das FA eine Verletzung materiellen Rechts (§ 7 ErbStG; §§ 814, 819 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) geltend.
10
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
12
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide erweist sich im Ergebnis bereits deshalb als zutreffend, weil das FA der Besteuerung zu Unrecht eine einheitliche Schenkung zugrunde gelegt hat.
13
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. In objektiver Hinsicht bedarf es einer Vermögensverschiebung, d.h. einer Vermögensminderung auf der Seite des Zuwendenden und einer Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 13.09.2017 – II R 54/15,
BFHE 260, 181,
BStBl II 2018, 292, Rz 12, und vom 03.07.2019 –
II R 6/16,
BFHE 265, 421,
BStBl II 2020, 61, Rz 15, jeweils m.w.N.), und der (objektiven) Unentgeltlichkeit der Zuwendung (BFH-Urteile vom 06.05.2015 –
II R 34/13,
BFHE 250, 197,
BStBl II 2015, 821, Rz 15, und vom 16.09.2020 – II R 33/19, BFH/NV 2021, 317, Rz 16; BFH-Beschluss vom 05.07.2018 –
II B 122/17,
BFHE 262, 163,
BStBl II 2018, 660, Rz 13, jeweils m.w.N.). In subjektiver Hinsicht bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen (BFH-Urteile vom 27.11.2013 –
II R 25/12,
BFH/NV 2014, 537, Rz 11, und in
BFHE 265, 421,
BStBl II 2020, 61, Rz 15, jeweils m.w.N.).
14
2. Was Gegenstand der Schenkung ist, richtet sich nach bürgerlichem Recht.
15
a) Auszugehen ist grundsätzlich vom Parteiwillen, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll (BFH-Urteil vom 18.09.2013 – II R 63/11,
BFH/NV 2014, 349, Rz 11, m.w.N.). Indes ist Gegenstand der Besteuerung im Falle der freigebigen Zuwendung erst die Ausführung der Zuwendung als solche. Die Schenkungsteuer knüpft nicht bereits an die Abgabe des Versprechens einer unentgeltlichen Leistung an, weil es bis zur Erfüllung des Versprechens an einer objektiven Bereicherung des Versprechensempfängers fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 28.11.1967 –
II 72/63,
BFHE 91, 104,
BStBl II 1968, 239, unter I.1., und vom 15.03.2007 –
II R 5/04,
BFHE 215, 540,
BStBl II 2007, 472, unter II.4.b).
16
b) Dementsprechend entsteht die Schenkungsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden, verschafft werden soll (BFH-Beschluss vom 18.02.2008 – II B 109/06,
BFH/NV 2008, 1163, unter A.1.; BFH-Urteil vom 20.01.2010 –
II R 54/07,
BFHE 228, 177,
BStBl II 2010, 463, Rz 14, jeweils m.w.N.). Es kommt dabei grundsätzlich auf den Eintritt des Leistungserfolgs an (BFH-Urteil in
BFHE 228, 177,
BStBl II 2010, 463, Rz 14).
17
c) Grundsätzlich stellt materiell-rechtlich jede freigebige Zuwendung einen eigenständigen steuerbegründenden Tatbestand dar (§ 38 der Abgabenordnung —AO— i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und vgl. BFH-Urteil in BFHE 215, 540,
BStBl II 2007, 472, unter II.1.b bb). Rechtlich selbständig zu beurteilende Zuwendungen liegen insbesondere vor, wenn die Zuwendungen nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen beruhen, den Zuwendungen kein obligatorisches Forderungsrecht zugrunde liegt, das ein Stammrecht des Bedachten auf die einzelnen Zuwendungen begründet (BFH-Urteile vom 22.09.2004 –
II R 50/03,
BFH/NV 2005, 993, unter II.2.b, und vom 22.10.2014 –
II R 26/13,
BFHE 247, 456,
BStBl II 2015, 239, Rz 22) und kein einheitlicher Steuerentstehungszeitpunkt vorliegt (BFH-Urteil in
BFHE 228, 177,
BStBl II 2010, 463, Rz 13 ff.; FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 –
3 K 2766/16 Erb,
EFG 2018, 1987, Rz 27; vgl. auch Gebel in Troll/Gebel/ Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 7 Rz 78; Halaczinsky in Daragan/Halaczinsky/ Riedel, ErbStG, BewG, 3. Aufl., § 9 ErbStG Rz 45; Götz in Fischer/Pahlke/ Wachter, ErbStG, 7. Aufl., § 14 Rz 49, m.w.N.).
18
3. Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO).
19
a) Mehrere Steuerfälle erfordern entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder —bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück— die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt (Steuerfall) (BFH–Urteile vom 30.08.2017 – II R 46/15,
BFHE 259, 370,
BStBl II 2019, 38, Rz 17, und vom 06.11.2019 –
II R 34/16, BFHE 267, 440,
BStBl II 2020, 465, Rz 18). Es ist deshalb grundsätzlich unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammenzufassen (BFH-Urteile vom 07.12.2016 –
II R 21/14,
BFHE 256, 381,
BStBl II 2018, 196, Rz 26, m.w.N., und in
BFHE 259, 370,
BStBl II 2019, 38, Rz 17).
20
b) Den zur Bestimmtheit eines Steuerbescheids notwendigen Angaben genügt auch eine Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen (etwa einen Betriebsprüfungsbericht), die sich bereits in Händen des Steuerpflichtigen befinden (BFH-Urteil vom 17.12.2014 – II R 18/12,
BFHE 248, 92,
BStBl II 2015, 619, Rz 17, m.w.N.). Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn aus derartigen Anlagen zwar erkennbar ist, welche Zuwendungen im Einzelnen erfasst werden sollten, das Finanzamt aber im Schenkungsteuerbescheid und in der Einspruchsentscheidung nicht angegeben hat, welche Schenkungsteuer für die aufgeführten Zuwendungen jeweils festgesetzt wurde (BFH-Urteil vom 20.11.2013 –
II R 64/11,
BFH/NV 2014, 716, Rz 32; BFH-Beschluss vom 17.07.2019 – II B 30, 32–34, 38/18,
BFHE 265, 5,
BStBl II 2019, 620, Rz 38; vgl. auch FG Köln, Urteil vom 10.11.2005 –
9 K 5652/01,
EFG 2006, 165, unter 2.).
21
c) Ausnahmsweise ist eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang verzichtbar, wenn der Zweck des Bestimmtheitserfordernisses gleichwohl gewahrt ist. Für den Betroffenen muss erkennbar sein, welcher Sachverhalt besteuert wird, damit Entstehen der Steuerschuld, ggf. Eingreifen von Steuerbefreiungen und Vergünstigungen und Verjährung ohne Weiteres festzustellen sind (BFH-Urteile vom 17.09.1986 – II R 62/84, BFH/NV 1987, 738, und vom 22.11.1995 –
II R 26/92,
BFHE 179, 177,
BStBl II 1996, 162, unter II.2.a bb).
22
aa) Eine Differenzierung ist entbehrlich, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden und auch aus anderweitigen rechtlichen Gründen keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht (BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 993, unter II.2.a, und in
BFH/NV 2014, 716, Rz 30, jeweils m.w.N.). Das gilt insbesondere, wenn dem Finanzamt wegen mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen Zeitpunkt und Höhe der jeweiligen Einzelzuwendungen unbekannt geblieben sind (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 215, 540,
BStBl II 2007, 472, unter II.1.b cc). In diesem Falle genügt die Angabe des mutmaßlichen Zeitraums, in dem diese Zuwendungen vorgenommen wurden, und eines einheitlichen (Schätz–)Betrags nach § 162 AO (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2007 –
II R 17/06,
BFHE 217, 398,
BStBl II 2008, 46, unter II.1.a, und in
BFHE 259, 370,
BStBl II 2019, 38, Rz 18).
23
bb) Hingegen ist eine Differenzierung insbesondere dann erforderlich, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche nach Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des Eintritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen, sowie der für den Einzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z.B. im Rahmen des § 14 ErbStG) zukommen kann (BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 993, unter II.2.a, und in
BFH/NV 2014, 716, Rz 28) oder die jeweiligen Erwerbe unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen (BFH-Urteil in
BFH/NV 2014, 716, Rz 33).
24
d) Ob ein Schenkungsteuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB festzustellen. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Bei der Auslegung des Bescheids ist nicht allein auf dessen Tenor abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung. Zweifel gehen zu Lasten der Behörde (BFH-Urteil in BFHE 267, 440, BStBl II 2020, 465, Rz 19, m.w.N.).
25
e) Die fehlende Angabe der besteuerten einzelnen Lebenssachverhalte oder die unzulässige unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid führt grundsätzlich zur Nichtigkeit eines solchen Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO (BFH-Urteile in BFHE 228, 177,
BStBl II 2010, 463, Rz 18, m.w.N.; in
BFH/NV 2014, 716, Rz 30; in
BFHE 259, 370,
BStBl II 2019, 38, Rz 17, und in BFHE 267, 440,
BStBl II 2020, 465, Rz 18, m.w.N.). Ein Bescheid ist dagegen lediglich rechtswidrig, wenn sich dem Steuerbescheid entnehmen lässt, dass das Finanzamt —wenn auch rechtsirrtümlich— bei der Steuerfestsetzung vom Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsvorgangs ausgegangen ist und für diesen vermeintlich einheitlichen Erwerbsvorgang die Pflichtangaben des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO vorliegen (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 228, 177,
BStBl II 2010, 463, Rz 17 f.). Ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig oder nichtig ist, bedarf indes keiner Entscheidung, wenn eine im Übrigen zulässige Anfechtungsklage erhoben wurde, die nach § 40 Abs. 1 FGO auch gegen einen unwirksamen Verwaltungsakt statthaft ist. Hat sie Erfolg, wird der Verwaltungsakt zur Beseitigung des Rechtsscheins aufgehoben (vgl. BFH-Urteile vom 26.06.1985 –
IV R 62/83,
BFH/NV 1987, 19; vom 05.10.1994 –
I R 31/93,
BFH/NV 1995, 576, unter II.B.1., und vom 25.02.1999 –
IV R 36/98,
BFH/NV 1999, 1117, unter 2.).
26
4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die angefochtenen Bescheide im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Dabei kann dahinstehen, ob es sich —wie vom FG verneint— bei den vom Kläger erbrachten Leistungen um steuerbare Zuwendungen an seine Lebensgefährtin handelt. Die Bescheide entsprechen den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO nicht. Der Senat kann offenlassen, inwieweit eine Einspruchsentscheidung diesbezügliche Mängel heilen kann, denn auch diese genügt im Streitfall nicht.
27
a) Es liegt keine einheitliche Zuwendung vor. Vielmehr handelt es sich bei der Übernahme der Kosten für die Kabine und die auf dem Bordkonto gebuchten Ausflüge, Restaurant–, Frisör–, Spa– und Fitnessleistungen jeweils um einzelne und voneinander zu unterscheidende selbständige Leistungen. Selbst wenn alle Aufwendungen auf einem —bisher nicht festgestellten— einheitlichen Schenkungsversprechen beruhen sollten, fehlte es jedenfalls an einem einheitlichen Steuerentstehungszeitpunkt. Diese Versprechen wären zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfüllt worden.
28
b) Eine Zusammenfassung aller über das Bordkonto abgerechneten Leistungen, wie sie auch noch die Einspruchsentscheidung vorgenommen hat, war nicht zulässig. Eine Bezugnahme etwa auf das Bordkonto fehlt. Die Differenzierung war nicht ausnahmsweise entbehrlich. Jede einzelne Leistung wäre darauf zu überprüfen, ob es sich um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handelt. An Bord getätigte Ausgaben können zwar freigebige Zuwendungen sein, aber auch Aufwendungen oder Anschaffungen für den Kläger selbst oder schließlich Aufwendungen der Lebensführung. Es wäre zu prüfen gewesen, ob eine Steuerbefreiung z.B. wegen Unterhaltsleistungen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG) oder Gelegenheitsgeschenken (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG) vorliegt. Im Hinblick auf die Frist des § 14 ErbStG hätten die Zeitpunkte benannt werden müssen. Eine Schätzung war nicht gerechtfertigt. Die Ermittlung der einzelnen Zuwendungsbeträge, –sachverhalte und –zeitpunkte war aufgrund der vom Kläger dem FA zur Verfügung gestellten Einzelabrechnung des Bordkontos nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Es ist unerheblich, ob die Summe mehrerer zeitlich nacheinander vorgenommener Einzelzuwendungen —und damit der Bemessungsgrundlagen— zwischen den Beteiligten unstreitig war. Die Anwendung des § 14 Abs. 1 ErbStG ist nur bei taggenauer Ermittlung des Zehn-Jahres-Zeitraums möglich (BFH-Urteil in BFHE 215, 540,
BStBl II 2007, 472, unter II.1.b cc).
29
c) Zudem fehlt es an gesonderten Steuerfestsetzungen für jede einzelne in Betracht kommende Zuwendung. Das gilt insbesondere für die Position “Buchung der Reise” mit dem Entgelt für die Kabine. Ein rechtfertigender Grund, davon Abstand zu nehmen, ist nicht ersichtlich.
30
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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Leitsatz
- Einen Prozessbevollmächtigten trifft an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes kein Verschulden, wenn er mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte (Anschluss an BGH-Beschluss vom 12.04.2016 – VI ZB 7/15, NJW-RR 2016, 816).
- Leistungen aufgrund eines Fördervertrags mit der „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen“ sind unter bestimmten Umständen nicht steuerbar.
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 14.03.2018 – 3 K 737/17 aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2017 dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um 15.000 € vermindert wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Behandlung einer als sog. “Thüringen-Stipendium” bezeichneten Geldzahlung in Höhe von 15.000 €.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) studierte bis zum Frühjahr 2012 Medizin. Im Anschluss war sie bei der Z-Klinik im Rahmen ihrer fachärztlichen Ausbildung angestellt. Im Herbst 2012 schlossen die Klägerin und die “Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen” (Stiftung) einen Vertrag über den Erhalt von Fördermaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, die den Facharzt für Allgemeinmedizin und den Facharzt für Innere Medizin absolvieren (Fördervertrag). Entsprechend der vertraglichen Regelung in § 4 Abs. 2 erhielt die Klägerin im Jahr 2012 (Streitjahr) eine Einmalzahlung in Höhe von 15.000 €.
3
Im Fördervertrag wird u.a. ausgeführt:
§ 1 Ziel des Vertrages
“Ziel des Vertrages ist die Umsetzung der Fördermaßnahmen zur ambulanten ärztlichen Versorgung. Durch die Fördermöglichkeiten im Rahmen des Thüringen-Stipendiums sollen die in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen/ Ärzte finanziell unterstützt und an die Niederlassung im Bereich des Freistaats Thüringen gebunden werden. Die Ärztinnen/Ärzte, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt befinden, sollen das Thüringen-Stipendium erhalten, wenn sie sich im Gegenzug verpflichten, für eine bestimmte Dauer als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen teilzunehmen.
Mit den Fördermaßnahmen soll der drohenden Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung entgegen gewirkt und die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen bei der Erfüllung/Gewährleistung des Sicherstellungsauftrags gemäß § 75 SGB V unterstützt werden. …”
§ 2 Pflichten der Vertragspartner
“Die Stipendiatin/der Stipendiat verpflichtet sich, dass sie/er mit Unterzeichnung des Vertrages die vorgeschriebene Weiterbildung zu dem von ihm angegebenen Fachgebiet absolvieren und an der entsprechenden Facharztprüfung teilnehmen wird.
Die Stipendiatin/der Stipendiat verpflichtet sich, unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung, für einen bestimmten Zeitraum im Bereich des Freistaats Thüringen in der vertragsärztlichen Versorgung tätig zu sein.
Dafür erhält die Stipendiatin/der Stipendiat von der Stiftung eine Förderung als Einmalzahlung zur finanziellen Unterstützung für den gesamten Zeitraum der Weiterbildung.”
§ 6 Verpflichtung zur vertragsärztlichen Tätigkeit im Bereich des Freistaates Thüringen
“Die Stipendiatin/der Stipendiat erhält die Förderung, wenn sie/er sich verpflichtet, unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für die Dauer von mindestens 4 Jahren als Ärztin oder Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen teilzunehmen. Die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist in eigener Niederlassung oder als angestellte Ärztin oder Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Vertragsarztpraxis ab mindestens 20 Wochenstunden möglich. …”
§ 9 Rückzahlung der Förderung
“Sollte die Weiterbildung zum Facharzt nicht abgeschlossen werden, verpflichtet sich die Stipendiatin/der Stipendiat, die gewährten Fördermittel an die Stiftung zurückzuzahlen.
Sollte die Stipendiatin/der Stipendiat sich nicht unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung im Bereich des Freistaates Thüringen niederlassen oder als angestellte Ärztin oder Arzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig sein, verpflichtet sie/er sich, die gewährten Fördermittel an die Stiftung zurückzuzahlen. …
Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Fördermittel besteht auch dann, wenn die Stipendiatin/der Stipendiat bzw. Ärztin/Arzt keine mindestens vierjährige vertragsärztliche Tätigkeit im Bereich des Freistaates Thüringen ausübt. …”
4
Die Klägerin reichte am 30.09.2016 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein, in der sie die erhaltenen 15.000 € nicht als Einkünfte ansetzte. Abweichend hiervon berücksichtigte das FA diese Einmalzahlung im Einkommensteuerbescheid vom 18.05.2017 als Einkünfte.
5
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
6
Hiergegen hat die Klägerin am 03.08.2018 Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung, deren Frist bis zum 16.01.2019 verlängert worden war, kam als Telefax beim Bundesfinanzhof (BFH) am 17.01.2019 um 00:02 Uhr an. Der Schriftsatz umfasste 18 Seiten, wurde jedoch zwei Mal hintereinander übermittelt, wobei nur die zweite Fassung auf der letzten der insgesamt übermittelten 36 Seiten unterschrieben war. Die Originalschrift ging mit Post am 18.01.2019 ein.
7
Nach einem diesbezüglichen Hinweis durch den Vorsitzenden des Senats beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte aus, sie habe den Schriftsatz versehentlich doppelt ausgedruckt und nur die letzte Seite unterschrieben. Dies habe sie beim Einlegen ins Faxgerät nicht bemerkt. Zudem ergebe sich aus den Sendeprotokollen ihres Faxgerätes, dass ähnlich umfangreiche Dokumente regelmäßig deutlich schneller übermittelt worden seien.
8
Der Senat hat eine Auskunft bei der Posteingangsstelle des BFH eingeholt. Weitere Telefaxübermittlungen sind danach im Zeitraum zwischen dem 16.01.2019, 23:00 Uhr, und dem 17.01.2019, 07:00 Uhr, nicht eingegangen.
9
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 14.03.2018 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2017 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 15.000 € vermindert wird.
10
Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
11
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
12
1. Die Revision ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb der verlängerten Frist des § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO begründet worden. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO vor. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin war ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten.
13
a) Die Frist zur Begründung der (rechtzeitig erhobenen) Revision lief am 16.01.2019 ab. Die Revisionsbegründung ist per Telefax erst am 17.01.2019 um 00:02 Uhr beim BFH eingegangen. Die Frist ist damit versäumt. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist (BFH-Beschlüsse vom 10.03.2014 – X B 230/12, BFH/NV 2014, 888, und vom 08.07.2011 –
III B 7/10,
BFH/NV 2011, 1895).
14
b) Der Klägerin ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
15
Einen Prozessbevollmächtigten trifft an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes kein Verschulden, wenn er mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtszeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs —BGH— vom 12.04.2016 – VI ZB 7/15, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW–RR— 2016, 816, m.w.N.; vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 888).
16
Im Streitfall ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Prozessbevollmächtigten von einem solchen Fall auszugehen. Die Übertragung der Revisionsbegründung mittels Telefax der Prozessbevollmächtigten hatte um 23:43 Uhr begonnen. Zudem ergibt sich aus den Sendeprotokollen ihres Faxgerätes, dass ähnlich umfangreiche Dokumente regelmäßig deutlich schneller übermittelt worden sind, so —neben einer Vielzahl weiterer Belege— z.B. Sendungen von 28 Seiten am 09.01.2019 in 08:18 Minuten, von 30 Seiten am 10.01.2019 in 09:55 Minuten, von 29 Seiten am 10.01.2019 in 10:29 Minuten und von 33 Seiten am 14.01.2019 in 07:27 Minuten. Berücksichtigt man diese Übertragungszeiten, wäre die Revisionsbegründung bei einer normalen Übertragungsdauer noch vor 24:00 Uhr beim BFH eingegangen.
17
Insofern fällt die tatsächliche Übertragungszeit für die Revisionsbegründung von 36 Seiten in 18:32 Minuten aus dem Rahmen. Die Prozessbevollmächtigte durfte darauf vertrauen, dass die Revisionsbegründung innerhalb der üblichen Übertragungsdauer an den BFH übermittelt wird, so dass sie am verspäteten Eingang kein Verschulden trifft.
18
2. Die Revision ist auch begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und der Klage stattgegeben.
19
a) aa) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst (ständige Rechtsprechung; vgl. Senatsurteile vom 13.03.2018 – IX R 18/17,
BFHE 261, 264,
BStBl II 2018, 531, und vom 14.04.2015 –
IX R 35/13,
BFHE 249, 488,
BStBl II 2015, 795; Senatsbeschluss vom 23.03.2016 –
IX B 22/16,
BFH/NV 2016, 1013, jeweils m.w.N.).
20
bb) Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines wechselseitigen Austauschvertrags ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) veranlasst ist (vgl. Senatsurteile vom 24.04.2012 – IX R 6/10, BFHE 237, 197,
BStBl II 2012, 581, und vom 21.09.2004 –
IX R 13/02,
BFHE 207, 284,
BStBl II 2005, 44). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Veranlassung der Gegenleistung durch die Leistung stellt der BFH in erster Linie auf die (objektivierte) Perspektive des Leistenden ab. Dies kommt z.B. in der Formulierung zum Ausdruck, wonach es sich um eine Leistung handeln muss, die “um des Entgelts willen” erbracht wird (Senatsurteile in
BFHE 261, 264,
BStBl II 2018, 531, und vom 16.06.2015 –
IX R 26/14,
BFHE 250, 362,
BStBl II 2015, 1019). Preisgelder, Aufwandspauschalen sowie während des Aufenthalts in den Produktionsräumen gezahlte Verpflichtungsgelder für die Teilnahme an einer Fernsehshow stellen sich danach als Gegenleistung für die Teilnahme an der Show dar, auch wenn die Aussicht auf den Erhalt der Gegenleistung ex ante ungewiss ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 237, 197,
BStBl II 2012, 581, und vom 28.11.2007 –
IX R 39/06,
BFHE 220, 67,
BStBl II 2008, 469; Senatsbeschluss vom 16.06.2014 –
IX B 22/14,
BFH/NV 2014, 1540). Grundsätzlich unerheblich ist dagegen die private Motivation im konkreten Einzelfall. Es kommt folglich nicht darauf an, aus welchen Gründen der Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist und ohne welche Inhalte er mutmaßlich nicht zustande gekommen wäre (conditio sine qua non).
21
cc) Indes führt nicht jede Einnahme in Zusammenhang mit einem Tun, Dulden oder Unterlassen zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (Senatsurteile vom 11.07.2017 – IX R 28/16,
BFHE 259, 272,
BStBl II 2018, 86, Rz 27; vom 06.09.2016 –
IX R 27/15,
BFHE 255, 176,
BStBl II 2018, 335, Rz 38, und in
BFHE 207, 284,
BStBl II 2005, 44; BFH-Beschluss vom 16.02.2007 –
VIII B 26/06,
BFH/NV 2007, 1113). Das bedeutet nicht, der Leistende müsse bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten. Erforderlich —aber auch ausreichend— ist vielmehr, eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung, wonach die Leistung die Gegenleistung ausgelöst haben muss (vgl. Senatsurteile in BFHE 237, 197,
BStBl II 2012, 581, und in
BFHE 207, 284,
BStBl II 2005, 44). Auf diese Weise ordnet der Leistende sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu. Ist der Austausch zwischen der Leistung und der im wirtschaftlichen Zusammenhang damit erbrachten Gegenleistung danach erwerbsgerichtet, dient er dem Erzielen von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG (Senatsurteil in
BFHE 207, 284,
BStBl II 2005, 44).
22
b) Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht. Es ist deshalb aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die Einmalzahlung der Stiftung an die Klägerin unter Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet.
23
aa) Zwar ist das FG ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Einmalzahlung weder zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG noch zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört. Die Einmalzahlung erfolgte weder “für” ein —gegenwärtiges oder zukünftiges— Dienstverhältnis der Klägerin, noch im Zusammenhang mit einem ersten freiberuflichen Tätigwerden bzw. einer im Aufbau befindlichen freiberuflichen Tätigkeit.
24
bb) Die Einmalzahlung der Stiftung ist aber auch nicht durch eine Leistung der Klägerin i.S. des § 22 Nr. 3 EStG veranlasst. Das FG hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die Leistung der Klägerin bestehe einerseits in einem “Tun”, nämlich für die Dauer von vier Jahren nach Bestehen der Facharztprüfung im Freistaat Thüringen berufstätig zu sein, und andererseits in einem “Unterlassen” —gleichsam einem Wettbewerbsverbot—, innerhalb von vier Jahren nicht außerhalb des Freistaats Thüringen berufstätig zu sein. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
25
Die Vertragsauslegung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist, bindet sie den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 25.02.2009 – IX R 76/07,
BFH/NV 2009, 1268, und vom 22.05.2007 –
IX R 22/06,
BFH/NV 2007, 1836, m.w.N.). Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall; der hierin liegende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
26
(1) Grundsätzlich könnte die (zukünftige) ärztliche Tätigkeit als Leistung dem Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG unterfallen; auch ein Unterlassen —z.B. in Gestalt eines (Rechts–)Verzichts— kann eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG sein. Die vom FG angenommene Veranlassung der Einmalzahlung durch die spätere Berufstätigkeit bzw. durch das Unterlassen einer beruflichen Betätigung außerhalb des Freistaats Thüringen lässt sich dem Fördervertrag jedoch nicht entnehmen. Hiernach erhielten die Stipendiaten die Förderung bereits dann, wenn sie sich “verpflichten”, nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für vier Jahre im Freistaat Thüringen tätig zu sein (§ 2 Abs. 2 und § 6 des Fördervertrags). Auslösendes Moment für die Einmalzahlung —und insofern Kern und Schwerpunkt des Fördervertrags (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3)— war somit die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Fördervertrags erklärte Bereitschaft, zukünftig für vier Jahre als Arzt im Freistaat Thüringen tätig zu sein. Die zukünftige ärztliche Tätigkeit selbst ist dagegen nicht der Grund für die Zahlung, sondern schafft lediglich die weiteren Voraussetzungen für das Behaltendürfen der Einmalzahlung (vgl. § 9 des Fördervertrags).
27
(2) Die Annahme des FG, die Klägerin sollte die Förderung für ihre spätere Tätigkeit als Ärztin erhalten, lässt sich auch nicht in Einklang bringen mit den Erwägungen zur Verneinung von Einkünften aus nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit. Wenn das FG diesbezüglich zu Recht festgestellt hat, die Einmalzahlung der Klägerin und die spätere Arzttätigkeit im Freistaat Thüringen —mithin das positive Tun— stünden (noch) nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, kann im Rahmen des § 22 Nr. 3 EStG nicht ohne Weiteres etwas anderes gelten.
28
c) Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG —und einer hierauf gestützten Vertragsauslegung, die er selbst vornehmen kann (vgl. z.B. Senatsurteile vom 03.02.1998 – IX R 38/96,
BFHE 185, 379,
BStBl II 1998, 539, und vom 30.07.1991 –
IX R 43/89,
BFHE 165, 245,
BStBl II 1991, 918)— in der Sache selbst und gibt der Klage statt. Die Einmalzahlung in Höhe von 15.000 € unterliegt bei der Klägerin nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG der Einkommensteuer (grundsätzlich a.A. bei einer Einmalzahlung im Rahmen des Thüringen-Stipendiums für Assistenzärzte wohl Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, Rundverfügung vom 23.07.2018 – S 2121 A – 013 3 St 213,
Deutsches Steuerrecht 2018, 1719, 1721).
29
aa) Die Einmalzahlung der Stiftung wird —wie bereits ausgeführt— durch die im Zeitpunkt des Abschlusses des Fördervertrags erklärte Bereitschaft, zukünftig für eine gewisse Zeit im Freistaat Thüringen tätig werden zu wollen, ausgelöst. Es bedarf indes keiner Entscheidung, ob diese Erklärung Gegenstand einer Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG sein könnte. Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang schon, ob der Vertrag zwischen den Stipendiaten und der Stiftung überhaupt auf einen Leistungsaustausch gerichtet ist, oder ob die Stiftung damit nicht lediglich einen (übergeordneten) gesellschaftspolitischen Zweck verfolgt.
30
bb) Jedenfalls kommt der im Fördervertrag (in Form einer Verpflichtung) zum Ausdruck gebrachten (zukünftigen) Leistungsbereitschaft aus der Perspektive des Erklärenden keine derartige wirtschaftliche Bedeutung zu, weshalb sich die Zahlung als Entgelt für die Erklärung darstellen würde.
31
(1) Anders als das FG angenommen hat, ist die BFH-Rechtsprechung zu vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten nicht auf den Streitfall übertragbar. Bei einem Wettbewerbsverbot ist die Zahlung ein Entgelt für ein Unterlassen. Der Wettbewerber verpflichtet sich (einklagbar), für eine bestimmte Zeit zu unterlassen, seine Leistungen in einem bestimmten Gebiet oder in einer bestimmten Sparte zu erbringen, und erhält dafür das Entgelt als Ausgleich bzw. Entschädigung (vgl. z.B. Senatsurteile vom 11.03.2003 – IX R 76/99,
BFH/NV 2003, 1161, und vom 23.02.1999 –
IX R 86/95,
BFHE 188, 552,
BStBl II 1999, 590; BFH-Urteile vom 02.04.2008 –
X R 61/06,
BFH/NV 2008, 1491, und vom 12.06.1996 –
XI R 43/94,
BFHE 180, 433,
BStBl II 1996, 516); bei Zuwiderhandlung schuldet er Schadenersatz.
32
(2) Hier liegen die Dinge anders. Die Stiftung konnte weder (einklagbar) durchsetzen, dass sich die Klägerin nach Bestehen der Facharztprüfung im Freistaat Thüringen niederlässt, noch konnte sie (einklagbar) verhindern, dass sich die Klägerin außerhalb des Freistaats Thüringen betätigt. In diesen Fällen hätte die Klägerin zwar die Einmalzahlung in Höhe von 15.000 € zurückerstatten müssen; einen darüber hinausgehenden Schadenersatz- oder Unterlassungsanspruch hätte die Stiftung hingegen nicht geltend machen können.
33
(3) Angesichts dessen handelt es sich bei der Einmalzahlung von 15.000 € nicht um ein leistungsbezogenes Entgelt. Die Höhe der Zahlung ist nicht durch die Verpflichtungserklärung der Klägerin “wirtschaftlich” veranlasst; insbesondere sind die erklärte Bereitschaft der Klägerin und die Zahlung nicht nach wirtschaftlichen Kriterien abgewogen. So ist die Förderung im Fall der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit vor Ablauf von vier Jahren in voller Höhe —und nicht nur anteilig— zurückzuzahlen (§ 9 des Fördervertrags). Die Förderung ist keine Bezahlung für die erklärte Leistungsbereitschaft, sondern sie soll bei der Zielgruppe als finanzieller Anreiz zu allererst die innere Bereitschaft auslösen bzw. stärken, sich im Freistaat Thüringen vertragsärztlich niederzulassen. Ihrer Zweckrichtung nach wirkt die Zahlung in diesem Sinne auf die Willensbildung ein. Damit nimmt der Stipendiat aber noch nicht am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teil. Trotz Abgabe einer “Verpflichtungserklärung” im Fördervertrag wird eine verbindliche und damit für den Empfänger werthaltige Verpflichtung gerade nicht begründet.
34
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Übertragung der Berechnung der Steuer folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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... weiterlesen!- 1. April 2021
BFH: Zur temporären Nutzung aufgestellte Container sind bewertungsrechtlich kein Gebäude
BFH, Urteil II R 37/17 vom 22.07.2020
Leitsatz
Container, die nicht auf einem eigenen Fundament ruhen, sind bewertungsrechtlich kein Gebäude, wenn sie lediglich für eine vorübergehende Nutzung aufgestellt sind und nach Wegfall des nur zeitweise bestehenden Raumbedarfs wieder entfernt werden sollen.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 28.04.2017 – 3 K 95/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 28.04.2017 – 3 K 95/15, soweit das Finanzgericht die Klage abgewiesen hat, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18.02.2015 sowie der Bescheid des Beklagten über den Einheitswert —Nachfeststellung— auf den 01.01.2013 vom 11.09.2014 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) vermietete zwei Containeranlagen (XX und YY) an die A GmbH (Mieterin), welche die Container auf einem Grundstück ihres Betriebs, einer Luftwerft, aufstellte.
2
Die im Mai 2012 errichtete Containeranlage XX bestand aus 51 Containern, die zu einem eingeschossigen Werkstatt- und Sozialraumkomplex zusammengesetzt waren. Die Mieterin benötigte die Räume vorübergehend, um sie Zulieferern für Nacharbeiten an Flugzeugteilen und für Schulungen zur Verfügung zu stellen. Demgemäß hatte sie im April 2012 eine “Containeranlage nicht nach der Energieeinsparverordnung” (EnEV) in der Fassung vom 29.04.2009 (BGBl I 2009, 954) für eine Mietzeit von 24 Monaten bei der Klägerin bestellt. Die im März 2012 für eine Aufstellzeit von 24 Monaten beantragte Baugenehmigung wurde im September 2012 bis zum 01.10.2014 erteilt; nach Ablauf der Frist war die Anlage innerhalb eines Monats zu beseitigen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) stand die Anlage auf einem “Hanggelände”, das “mit erheblichem Aufwand” eingeebnet und mit Schotter bzw. Kies sowie Sand bedeckt worden war. Unter den Containern lagen wiederverwendbare Betonklötze (sog. Betonsetzer) mit einer Grundfläche von je 60 x 60 cm und einer Höhe von je 15 oder 20 cm, außerdem dünne Kunststoffscheiben. Um Tiere am Untergraben zu hindern, waren an den Außenwänden der Anlage Bleche angebracht und Kiesbeete angelegt worden. Zum Eingang des Komplexes führte ein breiter, neu erbauter Weg aus Verbundpflaster. Die auf dem Betriebsgelände bereits vorhandene Asphaltstraße hatte die Mieterin bis zu diesem Weg verlängert.
3
Die Containeranlage YY vermietete die Klägerin aufgrund eines Angebots aus August 2012 für 12 Monate bis Ende September 2013. Die Container wurden im September 2012 an die Mieterin geliefert. Im selben Monat beantragte diese eine auf 12 Monate befristete Baugenehmigung. Der dem Antrag beigefügte Wärmeschutznachweis enthielt die Bemerkung, dass es sich bei dem Vorhaben um ein provisorisches Gebäude für eine Zeit von bis zu 24 Monaten handele, für das die EnEV gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EnEV in der Fassung vom 29.04.2009 nicht gelte. Die Anlage bestand aus 11 Containern, die ein eingeschossiges Objekt mit Büro- und Sozialräumen bildeten. Sie dienten der Unterbringung von Mitarbeitern der Mieterin, die die Nacharbeiten der Flugzeugteile-Zulieferer begleiteten und überwachten. Die Container standen auf einem Parkplatz am Rande einer Werkstraße auf Verbundpflaster. Der Untergrund, über den Flugzeuge manövriert werden konnten, war am Aufstellplatz und auch anderswo auf dem Gelände der Luftwerft schon vor Aufstellung der Container vorhanden. Um Höhenunterschiede auszugleichen, lagen dünne Kunststoffscheiben unter den Containerecken.
4
Die Container beider Anlagen konnten entweder —vormontiert— per LKW angeliefert und mit dem Autokran verladen oder in Einzelteilen transportiert und erst am Aufstellort zusammengesetzt werden. Sie ließen sich ohne großen Aufwand und ohne Beschädigung in ihre Bestandteile —Fußboden-, Decken- und Wandelemente sowie Stützen— zerlegen und nach den Vorstellungen des jeweiligen Kunden neu zusammensetzen. Mehrere Einzelcontainer konnten zu größeren Zimmern und Fluren verbunden werden. Die Container verfügten über Vorrichtungen für ihren Anschluss an das Strom-, Telefon- und EDV-Netz, an Brandmeldeanlagen sowie an die Frisch- und Abwasserversorgung. Auf dem Betriebsgelände der Mieterin wurden sie mit den dort —insbesondere unter den Werkstraßen— vorhandenen Leitungen verbunden. Die Container konnten mit Elektro- und Gasheizungen sowie Klimaanlagen ausgestattet, nicht aber an eine Zentralheizung angeschlossen werden. In den Anlagen XX und YY wurden elektrische Heizungen verwendet. Regenrinnen und -rohre waren nicht vorhanden.
5
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) forderte die Klägerin zur Abgabe von Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts auf den 01.01.2013 auf. Dies lehnte die Klägerin mit der Begründung ab, bei den Containeranlagen handele es sich nicht um Gebäude. Eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden liege nicht vor. Die Container könnten beliebig versetzt, ausgetauscht und in anderer Form zusammengebaut werden. Sie würden nur vorübergehend genutzt und seien lediglich für kurze Zeit vermietet worden.
6
Mit Bescheid über den Einheitswert —Nachfeststellung–– auf den 01.01.2013 vom 11.09.2014 stellte das FA den Einheitswert für die Containeranlagen auf insgesamt 106.041 € fest. Die Art der wirtschaftlichen Einheit bezeichnete es mit “Geschäftsgrundstück – Gebäude auf fremdem Grund und Boden”.
7
Der Einspruch der Klägerin hatte nur teilweise Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.02.2015 setzte das FA den Einheitswert auf 95.867 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es führte aus, die Container ruhten in beiden Anlagen auf Einzelfundamenten. Sie stellten kein Provisorium dar, da sie ein massives Gebäude, wenn auch befristet, ersetzen sollten. Hierdurch unterschieden sie sich von vorübergehend aufgestellten Containern, die nach Fertigstellung eines Massivbaus wieder entfernt werden sollen, und von Baustellencontainern, die zur Verwendung auf stets wechselnden Einsatzstellen vorgesehen seien. Für eine Einordnung als Gebäude spreche auch die Verbindung mehrerer Container zu baulichen Einheiten.
8
Der Klage gab das FG teilweise statt. Es entschied, die Containeranlage XX habe am 01.01.2013 die Anforderungen an ein Gebäude erfüllt, die Anlage YY hingegen nicht. Beide Objekte hätten kein eigenes Fundament besessen und nach ihrer individuellen Zweckbestimmung nur vorübergehend verwendet werden sollen. Während die Anlage YY aber behelfsmäßig ausgesehen habe, sei die Anlage XX nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ortsfest gewesen. Die Mieterin habe diese Anlage aufwändig in das Betriebsgelände eingepasst, indem sie u.a. ein “Hanggelände” eingeebnet habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1727, veröffentlicht.
9
Mit der Revision macht das FA eine fehlerhafte Auslegung des bewertungsrechtlichen Gebäudebegriffs geltend. Zudem verletze die Würdigung des FG, die Anlage YY stelle kein Gebäude dar, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Gebäudeeigenschaft der Anlage folge aus der Art ihrer Nutzung, aus der Notwendigkeit ihrer Zerlegung für den An- und Abtransport und aus dem Umstand, dass das Aufstellen von Containern keine provisorische, sondern eine endgültige, wenngleich befristete Lösung gewesen sei.
10
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision ebenfalls eine unrichtige Auslegung des Gebäudebegriffs. Nach ihrer Auffassung richtet sich die Gebäudeeigenschaft in erster Linie danach, ob die Container ihrer individuellen Zweckbestimmung nach für eine dauernde Nutzung aufgestellt sind. Das FG habe die Anlage XX aber trotz der Feststellung, die Container seien nur zur vorübergehenden Nutzung bestimmt gewesen, als Gebäude beurteilt. Darüber hinaus verstießen die Feststellungen, die Anlage habe auf einem “mit erheblichem Aufwand” eingeebneten “Hanggelände” gestanden, gegen den klaren Inhalt der Akten und verletzten den Anspruch auf rechtliches Gehör.
11
Das FA beantragt,
- die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen;
- die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
12
Die Klägerin beantragt,
- die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, und den Bescheid über den Einheitswert —Nachfeststellung— auf den 01.01.2013 vom 11.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2015 aufzuheben;
- die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
II.
13
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Containeranlage XX ein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne ist. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Die Containeranlage YY hat das FG zu Recht nicht als Gebäude beurteilt.
14
1. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder um Betriebsgrundstücke handelt. Gemäß § 70 Abs. 3 BewG gilt als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.
15
a) Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist (ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 15.06.2005 – II R 67/04,
BFHE 210, 52,
BStBl II 2005, 688, unter II.1.; vom 24.05.2007 –
II R 68/05,
BFHE 217, 168,
BStBl II 2008, 12, unter II.2.c; vom 09.07.2009 –
II R 7/08,
BFH/NV 2009, 1609, unter II.1., und vom 26.10.2011 –
II R 27/10,
BFHE 235, 192,
BStBl II 2012, 274, unter II.1.a, jeweils m.w.N.).
16
b) Die feste Verbindung mit dem Boden ist zunächst dann gegeben, wenn einzelne oder durchgehende Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und dadurch mit dem Boden verankert ist. Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, ist es unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist. Für die Annahme eines Fundaments genügt jede gesonderte (eigene) Einrichtung, die eine feste Verbindung des aufstehenden Bauwerks mit dem Grund und Boden bewirkt (BFH-Urteile vom 10.06.1988 – III R 65/84,
BFHE 154, 143,
BStBl II 1988, 847, unter II.2.; vom 23.09.1988 –
III R 9/85,
BFH/NV 1989, 484, unter 2., und in
BFHE 235, 192,
BStBl II 2012, 274, unter II.1.b, jeweils m.w.N.).
17
c) Ausnahmsweise liegt eine feste Verbindung auch ohne Fundament oder sonstige Verankerung vor, wenn das Bauwerk lediglich durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist (BFH-Urteile vom 04.10.1978 – II R 15/77,
BFHE 126, 481,
BStBl II 1979, 190; vom 23.09.1988 –
III R 67/85,
BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3., und in
BFHE 235, 192,
BStBl II 2012, 274, unter II.1.c, jeweils m.w.N.).
18
Danach können auch einzelne oder verbundene Container, die nicht auf einem Fundament ruhen, Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ihrer individuellen Zweckbestimmung nach für eine dauernde Nutzung aufgestellt (oder errichtet) sind und sich die ihnen zugedachte Ortsfestigkeit (Beständigkeit) auch im äußeren Erscheinungsbild manifestiert (BFH-Urteile in BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, und vom 25.04.1996 –
III R 47/93,
BFHE 180, 506,
BStBl II 1996, 613, unter II.1.b, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 12.03.1997 –
II B 71/96,
BFH/NV 1997, 642).
19
aa) Ob Container aufgestellt werden, um einen bestimmten Zweck auf Dauer oder nur vorübergehend zu erfüllen, hängt in erster Linie von der ihnen im jeweiligen Unternehmen zugedachten Funktion ab (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.a).
20
Welche Funktion Container erfüllen sollen, ist als innere Tatsache anhand äußerer Merkmale zu bestimmen. Aus objektiven Umständen ist auf die den Containern zugedachte Funktion zu schließen. Anhaltspunkte können sich insbesondere aus der Art der Nutzung, dem Ort der Aufstellung, dem Ausmaß der Integration in ein Grundstück, der baulichen Gestaltung sowie dem Erfordernis einer Baugenehmigung ergeben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.). Im Falle von Leasing oder Miete ist die vereinbarte Nutzungszeit zu berücksichtigen.
21
In diesem Falle richtet sich die Zweckbestimmung nach der Intention der Vertragsparteien.
22
bb) Sind Container zur Verwendung auf stets wechselnden Einsatzstellen, wie Baustellen, Messen und Veranstaltungen vorgesehen, fehlt regelmäßig die dem Gebäudebegriff immanente Ortsfestigkeit (vgl. BFH-Urteile vom 18.06.1986 – II R 222/83,
BFHE 147, 262,
BStBl II 1986, 787, und in
BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.a). Ebenso sind Container für eine lediglich vorübergehende Nutzung aufgestellt, wenn sie nach Errichtung, Erweiterung oder Instandsetzung eines massiven Gebäudes (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.a) oder nach Wegfall eines von vornherein nur zeitweise bestehenden Raumbedarfs wieder entfernt werden sollen.
23
Sollen Container dagegen auf unabsehbare Zeit ein massives Gebäude ersetzen, sind sie —wenn sich dies auch im äußeren Erscheinungsbild manifestiert— als Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne anzusehen. Führen in einem solchen Fall außerhalb der Zweckbestimmung liegende Umstände, wie z.B. die Kündigung des Pachtvertrags über das Grundstück, zu einer tatsächlichen Veränderung des Aufstellplatzes der Container, hat dies keinen Einfluss auf ihre Beurteilung als Gebäude (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.a).
24
d) Haben einzelne oder verbundene Container über einen Zeitraum von sechs Jahren am selben Ort gestanden, ist ungeachtet der im Einzelfall vorhandenen Zweckbestimmung von einer auf Dauer angelegten Nutzung auszugehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 228,
BStBl II 1989, 113, unter II.3.a).
25
e) Der Beurteilung der Gebäudeeigenschaft sind die tatsächlichen Verhältnisse am Bewertungsstichtag zugrunde zu legen. Bei der Nachfeststellung ist dies grundsätzlich der Nachfeststellungszeitpunkt gemäß § 23 Abs. 2 BewG. Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, bleiben außer Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.1999 – II R 44/96,
BFH/NV 2000, 8; Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz 18, § 23 Rz 37; Bruschke in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 19 BewG Rz 162, 164).
26
2. Das FG ist bei der Beurteilung der Containeranlage XX von anderen Maßstäben ausgegangen. Den Grundsatz, dass Container, die nicht auf einem Fundament ruhen und noch nicht längere Zeit am selben Ort gestanden haben, nur dann mit dem Grund und Boden fest verbunden sind, wenn sie ihrer individuellen Zweckbestimmung nach für eine dauernde Nutzung aufgestellt sind und sich die ihnen zugedachte Ortsfestigkeit im äußeren Erscheinungsbild manifestiert, hat es seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es hat sich vielmehr allein am äußeren Erscheinungsbild orientiert.
27
a) Das FG hat den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass die Anlage XX ihrer individuellen Zweckbestimmung nach nur vorübergehend verwendet werden sollte. Die Mieterin habe die Räume nur zeitweise benötigt und die Container demgemäß befristet angemietet. Auch die Baugenehmigung sei befristet beantragt und erteilt worden. Die einzelnen Container hätten einfach —im Ganzen oder zerlegt— abtransportiert und ihr Standort sowie ihre Konfiguration jederzeit verändert werden können. Auch die Art der Anschlüsse an das Versorgungsnetz lasse nicht den Schluss zu, dass die Container für eine dauernde Nutzung vorgesehen waren. Im Betrieb der Mieterin hätten diese vielmehr eine provisorische, behelfsmäßige Funktion erfüllt.
28
b) Trotz dieser Würdigung ist das FG wegen des äußeren Erscheinungsbilds zu dem Schluss gelangt, die Containeranlage XX sei ein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne. Die Mieterin habe jene Container aufwändig in ihr Betriebsgelände integriert. Zwar stellt die Integration in ein Grundstück —als Teil des äußeren Erscheinungsbildes— ein Indiz für eine zugedachte Ortsfestigkeit dar. Auch liegt ein Gebäude nur vor, wenn sich seine Bestimmung zur dauernden Nutzung auch im äußeren Erscheinungsbild manifestiert. Das Merkmal des äußeren Erscheinungsbildes vermag aber die Feststellung, dass die zu beurteilenden Container ihrer individuellen Zweckbestimmung nach für eine dauernde Nutzung aufgestellt sind, nicht zu ersetzen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben, soweit das FG die Klage abgewiesen hat.
29
Da die Revision der Klägerin schon aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg hat, war auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr einzugehen.
30
3. Soweit die Vorentscheidung aufzuheben war, ist die Sache auch spruchreif. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; er ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben. Die Containeranlage XX erfüllte zu Beginn des Jahres 2013 nicht die Anforderungen an ein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne, da ihr die Ortsfestigkeit fehlte.
31
a) Die Beurteilung, ob ein Bauwerk mit dem Grund und Boden fest verbunden und damit ortsfest ist, stellt eine Tatsachenwürdigung dar, die zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 FGO gehört und deshalb das Revisionsgericht grundsätzlich bindet. Der BFH kann solche Feststellungen nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang stehen.
32
b) Dies betrifft im Streitfall die Würdigung, die nicht auf einem Fundament ruhende und nicht längere Zeit stehende Containeranlage XX sei auch nicht zur dauernden Nutzung bestimmt gewesen, gegeben. Container, wie die hier verwendeten, dienen dazu, einen dringenden und häufig nur temporären Bedarf an Büro-, Schulungs- oder Fertigungsräumen zu decken. Allein aus solchen Arten der Nutzung kann nicht auf eine ihnen zugedachte Ortsfestigkeit geschlossen werden. Entgegen der Ansicht des FA sind Containeranlagen auch ohne Weiteres versetzbar. Wegen der Möglichkeit, sie einfach auf- und abzubauen und per LKW —vormontiert oder zerlegt— zum nächsten Aufstellort zu fahren, werden sie gerade eingesetzt. Ihre Anmietung für einen begrenzten Zeitraum (hier: 24 Monate) spricht dafür, dass sie nicht zur dauernden Nutzung vorgesehen waren. Für diese Einschätzung ist nicht erforderlich, dass sie die Phase bis zur Fertigstellung eines Massivbaus überbrücken sollen. Auch wenn ein Raumbedarf von vornherein nur zeitweise besteht und ein Massivbau deshalb entbehrlich ist, fehlt es an einer Zweckbestimmung zur dauernden Nutzung. Daran ändert die Notwendigkeit einer Baugenehmigung jedenfalls dann nichts, wenn diese —wie im Streitfall— befristet beantragt und erteilt wurde. Angesichts dieser Verhältnisse kann das Ausmaß der Integration in das Grundstück zu keinem anderen Ergebnis führen.
33
4. Nichts anderes gilt für die Containeranlage YY. Die Würdigung des FG, die ebenfalls nicht auf einem eigenen Fundament ruhenden und nicht längere Zeit stehenden Container seien nicht für eine dauernde Nutzung aufgestellt worden und bildeten daher kein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne, ist nicht zu beanstanden.
34
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und 2 FGO.
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... weiterlesen!- 1. April 2021
BFH: Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2010 auch ohne Eintragung der Funktion in das Handelsregister
BFH, Urteil I R 60/17 vom 30.09.2020
Leitsatz
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2010 setzt keine Eintragung der Funktion des Steuerpflichtigen in das Handelsregister voraus. Die anders lautende Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV vom 20.12.2010 verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG).
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 13.07.2017 – 3 K 2439/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der Einkünfte des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) aus seiner Tätigkeit als “CFO Group …” einer Schweizerischen Aktiengesellschaft.
2
Der Kläger wohnte im Streitjahr (2012) im Inland. Dort war er auch ansässig i.S. des Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl II 2011, 1092, BStBl I 2012, 513) —DBA-Schweiz 1971/2010—.
3
Der Kläger war Arbeitnehmer der X AG mit Sitz in Z/ Schweiz (X AG). Dort war er seit April 2002 der “Corporate Executive Group” (CEG) zugeordnet. Die CEG ist kein Leitungsgremium mit Kompetenzen/Zuständigkeiten, sondern bezeichnet eine Managementstufe mit ca. … Managern, die auch die höchste Managementebene der X AG umfasst. Im Rahmen seiner Funktion als “Chief Financial Officer” (CFO) einer niederländischen Konzerngesellschaft erteilte der Verwaltungsrat der X AG dem Kläger mit Zirkulationsbeschluss vom …2008 die “Kollektivunterschrift zu zweien (einschließlich der Prokura)”, die im Jahr 2009 ohne Funktionsbezeichnung in das Handelsregister des Kantons Z eingetragen wurde. Im Streitjahr hatte der Kläger die Funktion des “CFO Group …”, die ebenfalls dem CEG zugeordnet war. In dieser Funktion berichtete der Kläger direkt an den “Head of Group …” und fachlich an den “Chief Financial & Administration Officer”; beide gehörten zum … Mitglieder umfassenden “… Executive Committee” (…EC), dem der Verwaltungsrat der X AG die aktive Geschäftsleitung übertragen hatte. Der Kläger selbst war nicht Mitglied des …EC.
4
Im Streitjahr kehrte der Kläger an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnort im Inland zurück. Er übte seine Tätigkeit an 63 von 240 Arbeitstagen in Drittstaaten und im Inland aus.
5
Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 06.03.2014 unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den im Streitjahr erzielten Arbeitslohn des Klägers der inländischen Besteuerung, soweit er auf eine Tätigkeit für die X AG in Drittstaaten oder im Inland entfiel (63/240 = … €), und setzte die Einkommensteuer auf … € fest. Die Eintragung des Klägers in das Handelsregister mit einer “Kollektivunterschrift zu zweien” ohne Funktionsbezeichnung reiche nicht, um die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 zu erfüllen. Die Berechnung des Steuersatzes erfolgte unter Einbeziehung der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) für den gesamten Arbeitslohn festgesetzte und vom Kläger gezahlte Quellensteuer wurde nicht angerechnet.
6
Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens ergingen der Änderungsbescheid vom 02.06.2014 und die Teileinspruchsentscheidung vom 25.06.2014 (§ 367 Abs. 2a der Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung —AO—), mit denen die Einkommensteuer auf … € festgesetzt wurde.
7
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, setzte die Einkommensteuer mit Urteil vom 13.07.2017 – 3 K 2439/14 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2017, 1870) auf … € herab. Der Kläger unterliege mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit insgesamt nicht der inländischen Besteuerung, da er auch ohne Eintragung einer Funktionsbezeichnung in das Handelsregister zum Personenkreis des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 gehöre. Dass er zivilrechtlich über die Vertretungsmacht eines Direktors, zumindest aber über die Vertretungsmacht eines Prokuristen verfüge, ergebe sich bereits aus der in das Handelsregister eingetragenen “Kollektivunterschrift zu zweien”. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.2010 (
BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146 —KonsVerCHEV—) sei deshalb so auszulegen, dass eine solche Eintragung ausreiche.
8
Das FA macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es hat keinen Antrag gestellt.
II.
11
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, die er im Streitjahr als “CFO Group …” der Schweizerischen X AG bezogen hat, von der inländischen Besteuerung freizustellen sind und lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
12
1. Der Kläger war gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte er einen Wohnsitz im Inland und unterlag daher mit sämtlichen im Streitjahr erzielten Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer.
13
2. Hinsichtlich der streitigen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) war die Ausübung des Besteuerungsrechts aber durch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA–Schweiz 1971/2010 eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift werden bei einer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Person (unten a) die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA–Schweiz 1971/2010, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA–Schweiz 1971/2010 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, sofern sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden können (unten b) und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird (unten c). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
14
a) Das FG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA–Schweiz 1971/2010 in Deutschland ansässig war. Insoweit sind keine Rechtsfehler erkennbar.
15
b) Das Besteuerungsrecht der Schweiz für die von der Schweizerischen X AG an den Kläger gezahlten Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA–Schweiz 1971/2010 hat das FG rechtsfehlerfrei aus Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 abgeleitet. Danach können vorbehaltlich des Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2010 die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, können sie in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2010).
16
aa) Der Kläger war kein Grenzgänger i.S. des vorrangigen Art. 15a DBA–Schweiz 1971/2010. Die Beteiligten gehen insoweit übereinstimmend davon aus, dass der Kläger im Streitjahr mehr als 60 Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2010 nachgewiesen hat. Dem ist das FG ohne erkennbare Rechtsfehler gefolgt.
17
bb) Des Weiteren ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr zu dem in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 genannten Personenkreis gehörte.
18
(1) Angesichts des Ausnahmecharakters des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 kommt grundsätzlich keine Ausweitung des dort genannten Personenkreises in Betracht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Hintergrund der Ausnahmeregelung in der besonderen Art der dort genannten Tätigkeiten liegt, die ihre Wirkungen grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft entfalten (vgl. Senatsbeschluss vom 19.04.1999 – I B 141/98,
BFH/NV 1999, 1317 unter Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 15.11.1971 –
GrS 1/71,
BFHE 103, 433,
BStBl II 1972, 68). Deshalb reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige aus zivilrechtlicher Sicht eine Stellung einnimmt, die im Hinblick auf die damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht mit den ausdrücklich in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 genannten Personen vergleichbar ist (Senatsurteil vom 14.03.2011 –
I R 23/10,
BFHE 233, 385,
BStBl II 2013, 73). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
19
(2) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zum Schweizerischen Recht wird die X AG nach außen durch den Verwaltungsrat vertreten; dieser kann die Vertretung einem oder mehreren Mitgliedern (Delegierte) oder Dritten (Direktoren) übertragen und Prokuristen oder andere Bevollmächtigte ernennen (Art. 718 Abs. 1 und 2 sowie Art. 721 des Schweizerischen Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht] vom 30.03.1911 —OR—). Die Mitglieder des Verwaltungsrats und die Direktoren haben organschaftliche Vertretungsmacht, die —ebenso wie die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht in Form der Prokura (Art. 458 Abs. 1 OR)— in das Handelsregister einzutragen ist. Die Eintragung hat aber keine konstitutive Wirkung. Der Verwaltungsrat kann neben der Vertretung auch die Geschäftsführung oder einzelne Zweige derselben übertragen (Art. 716 Abs. 2 und Art. 716b OR).
20
Im Streitfall hat der Verwaltungsrat der X AG dem Kläger mit Zirkulationsbeschluss vom …2008 die “Kollektivunterschrift zu zweien (einschließlich der Prokura)” gewährt. Daraufhin ist der Kläger im Jahr 2009 mit der “Kollektivunterschrift zu zweien” ohne Funktionsbezeichnung in das Handelsregister eingetragen worden. Die aktive Geschäftsleitung hat der Verwaltungsrat der X AG dem …EC übertragen. Die Leitungsmacht des zum CEG gehörenden Klägers war hierarchisch eine Stufe tiefer angesiedelt.
21
(3) Auf Grundlage dieser Feststellungen hat das FG unter Berücksichtigung der Statuten der X AG und des im Streitjahr gültigen Unterschriftenreglements der X AG rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der Kläger im Außenverhältnis die organschaftliche Vertretungsmacht eines Direktors, mindestens aber die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht eines Prokuristen erlangt hat. Dies folgt insbesondere aus der in das Handelsregister eingetragenen “Kollektivunterschrift zu zweien”, da eine Handlungsvollmacht i.S. des Art. 462 OR, die nicht zur Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 ausgereicht hätte (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1317), keine eintragungsfähige Tatsache gewesen wäre.
22
Dass die interne Leitungsmacht des Klägers geringer als die interne Leitungsmacht der Mitglieder des …EC war und er bei Ausübung seiner Vertretungsmacht das “vier-Augen-Prinzip” beachten musste, hat das FG für die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 zutreffend als unerheblich eingestuft.
23
Hinsichtlich der internen Leitungsmacht folgt dies bereits aus den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO), dass der ausdrücklich in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 genannte Titel “Direktor” gemäß Art. 718 Abs. 2 OR allein an die Vertretungsmacht nach außen und nicht an die internen Geschäftsführungskompetenzen anknüpft; die Vertretungsmacht nach außen stand dem Kläger aufgrund seiner Eintragung in das Handelsregister aber uneingeschränkt zu. Darüber hinaus hatte er nach den Feststellungen des FG jedenfalls die üblicherweise Prokuristen zugesprochene Leitungsmacht inne.
24
Hinsichtlich des “vier-Augen-Prinzips” ist zu berücksichtigen, dass dieses nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) für sämtliche Mitarbeiter einschließlich der in das Handelsregister eingetragenen Personen galt. Im Übrigen kann Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 keine Beschränkung auf zur Einzelvertretung berechtigte Personen entnommen werden.
25
(4) Die fehlende Eintragung der Funktion des Klägers in das Handelsregister führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV, nach dessen Wortlaut Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 nur für diejenigen Personen anwendbar sein soll, “deren vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasste Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen ist”.
26
Ermächtigungsgrundlage für die KonsVerCHEV ist der durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) eingefügte § 2 Abs. 2 Satz 1 AO. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarungen i.S. des Art. 25 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen) den Rang einer Rechtsverordnung verleihen. Hintergrund war die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 02.09.2009 – I R 111/08,
BFHE 226, 276,
BStBl II 2010, 387;
I R 90/08,
BFHE 226, 267,
BStBl II 2010, 394), dass behördliche Konsultationsvereinbarungen für Gerichte keine bindende Wirkung haben.
27
Zwar kann § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV —entgegen der Auffassung des FG— nicht dahin ausgelegt werden, dass jede Eintragung in das Handelsregister genügt, die auf eine entsprechende Leitungs- und Vertretungsmacht schließen lässt; dies widerspricht dem klaren Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich eine Eintragung der “Funktion oder Prokura” fordert (zu einer etwaigen Auslegungsfähigkeit hinsichtlich des Zeitpunkts der Eintragung vgl. FG Münster, Urteil vom 21.03.2019 – 6 K 2185/17 E,
EFG 2019, 958, Revision BFH I R 23/19).
28
§ 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV verstößt aber gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes —GG—) und ist daher vom Senat als unwirksam zu verwerfen. Durch die im Rang einer Rechtsverordnung stehende KonsVerCHEV kann keine Regelung getroffen werden, die dem im Rang eines Gesetzes stehenden DBA–Schweiz 1971/2010 widerspricht oder dessen Lücken ergänzt. Vielmehr ist die “Grenzmarke” des Wortlauts des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 zu beachten (Senatsurteil vom 10.06.2015 – I R 79/13,
BFHE 250, 110,
BStBl II 2016, 326, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV nicht gerecht.
29
§ 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV sieht mit dem Erfordernis der Eintragung der Funktion in das Handelsregister ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal vor, das dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 nicht zu entnehmen ist. Vielmehr stellt der Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 allein auf die vom Steuerpflichtigen übernommenen Funktionen sowie auf die damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht ab (vgl. auch Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15 Rz 103; Kempermann in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 107; Anger/Capozzi, Internationales Steuerrecht 2018, 575, 580; Brettschneider, EFG 2017, 1875, 1876; Kubaile, Internationale Wirtschaftsbriefe 2012, 23, 27). Auf die Schlussfolgerungen der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, auf die das BMF im Revisionsverfahren ausdrücklich Bezug genommen hat und die mit der Resolution A/Res/73/202 vom 20.12.2018 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen offiziell zur Kenntnis genommen worden sind, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Zwar wird in diesen Schlussfolgerungen ausgeführt, “spätere Übereinkünfte” und eine “spätere Praxis” gemäß Art. 31 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (BGBl II 1985, 927) seien Mittel zur Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags. Dies gilt aber nur im Rahmen möglicher Auslegungen des völkerrechtlichen Vertrags und kann nicht zu einer Überschreitung der Wortlautgrenze führen.
30
Auch der Umstand, dass es sich bei den in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 genannten Funktionen um eintragungspflichtige Tatsachen handelt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Daraus hätte nur dann auf die Notwendigkeit einer Eintragung in das Handelsregister geschlossen werden können, wenn die Eintragung sämtlicher Funktionen, die in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 genannt wird, konstitutive Wirkung hätte. Dies trifft aber nicht zu.
31
(5) Ob § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV darüber hinaus wegen fehlender Bestimmtheit (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO zu verwerfen ist oder insoweit der Bezugsrahmen der Zustimmungsgesetze zum DBA–Schweiz 1971/2010 den Anforderungen an die Bestimmtheit genügt (vgl. auch Senatsurteile in BFHE 250, 110,
BStBl II 2016, 326 zu § 24 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV; vom 30.05.2018 –
I R 62/16,
BFHE 262, 54 zu § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV), braucht unter diesen Umständen nicht weiter erörtert zu werden. Entsprechendes gilt für den Umfang der Verwerfungskompetenz des Senats im Fall einer fehlenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
32
cc) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger durch seine Tätigkeit als “CFO Group …” nicht nur Aufgaben außerhalb der Schweiz übernommen. Darüber hinaus hat die ESTV für den gesamten Arbeitslohn Schweizerische Quellensteuer festgesetzt, die der Kläger auch gezahlt hat. Dadurch entfallen sowohl die Voraussetzungen der abkommensrechtlichen Rückfallklausel in Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2010 als auch die Voraussetzungen der unilateralen Rückfallklausel in § 50d Abs. 8 EStG.
33
c) Indem die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA–Schweiz 1971/2010 erfüllt sind, hat der Kläger seine Arbeit auch i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA–Schweiz 1971/2010 in der Schweiz ausgeübt. Dass seine Einkünfte teilweise auf Tätigkeiten in Drittländern oder im Inland beruhten, ist hierfür unerheblich. Das FG hat insofern zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Senats hingewiesen, wonach die in Art. 15 Abs. 4 DBA–Schweiz 1971/2010 enthaltene Fiktion eines Tätigkeitsorts im Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft auch für die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA–Schweiz 1971/2010 gilt (Senatsurteile vom 25.10.2006 – I R 81/04,
BFHE 215, 237,
BStBl II 2010, 778; vom 11.11.2009 –
I R 83/08,
BFHE 227, 402,
BStBl II 2010, 781; in
BFHE 233, 385,
BStBl II 2013, 73).
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3. Schließlich ist auch die Anwendung des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ergibt sich aus Art. 15 Abs. 4 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA–Schweiz 1971/2010.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!- 31. März 2021
Steueroasen-Abwehrgesetz beschlossen
BMF, Pressemitteilung vom 31.03.2021
Das Bundeskabinett hat am 31. März 2021 den Entwurf des Steueroasen-Abwehrgesetzes beschlossen. Die Bundesregierung geht damit gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb durch Steueroasen vor.
Ziel des Steueroasen-Abwehrgesetzes ist es, über Staatsgrenzen hinweg für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Nicht kooperative Staaten und Steuergebiete (Steueroasen) werden durch gezielte Abwehrmaßnahmen dazu angehalten, internationale Standards im Steuerbereich umzusetzen und Steuervermeidung zu verhindern. Zu diesem Zweck sollen Personen und Unternehmen davon abgehalten werden, Geschäftsbeziehungen in diesen Steueroasen fortzusetzen oder neu aufzunehmen.
Wir tun was, um Steueroasen auszutrocknen. Mit der geplanten Regelung gehen wir gegen Steuerflucht an, indem wir Geschäftsbeziehungen zu Staaten und Steuergebieten abwehren, die sich nicht an internationale Steuerstandards halten. Es ist gut, dass wir zusammen mit unseren EU-Partnern an einem Strang ziehen. So sorgen wir gemeinsam für mehr globale Steuergerechtigkeit. Jeder muss seinen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten, nicht nur die Bäckerei von nebenan, sondern auch der internationale Großkonzern. Wenn sich jemand aus der Steuerpflicht herausstehlen will, schlagen wir mit gezielten Abwehrmaßnahmen zu.Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz geht die Bundesregierung über die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen hinaus. Der Gesetzentwurf enthält folgende Abwehrmaßnahmen:
- Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs
Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen mit Bezug zu Steueroasen können steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. - Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung
Es greift eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, wenn in einer Steueroase eine sog. Zwischengesellschaft ansässig ist. Unternehmen können so Steuerzahlungen nicht mehr umgehen, indem sie Einkünfte auf eine Gesellschaft in einer Steueroase verlagern, weil sämtliche aktive und passive Einkünfte der Zwischengesellschaft der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. - Verschärfte Quellensteuermaßnahmen
Zudem kommen verschärfte Quellensteuermaßnahmen zur Anwendung, wenn beispielsweise Zinsaufwendungen an in Steueroasen ansässige Personen geleistet werden. Damit wird die beschränkte Steuerpflicht von in Steueroasen ansässigen Personen auf bestimmte Einkünfte (insbesondere für sämtliche Finanzierungsentgelte) erweitert, die außerdem dem Steuerabzug nach § 50a Einkommensteuergesetz unterworfen werden. - Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen
Bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen sollen Steuerbefreiungen und Vorschriften in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eingeschränkt bzw. versagt werden, wenn diese Bezüge von einer Körperschaft geleistet werden, die in einer Steueroase ansässig ist, oder Anteile an einer in einer Steueroase ansässigen Gesellschaft veräußert werden.
Der im Entwurf angelegte und sachgerechte Maßnahmenmix ermöglicht, dass passgenau an die unterschiedlichen Sachverhalte angeknüpft wird. Dadurch kann das Gesetz breite Wirkung entfalten. Gleichzeitig wird durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausgestaltung der Abwehrmaßnahmen sichergestellt, dass auf den jeweiligen Geschäftsvorgang stets die passende Abwehrmaßnahme Anwendung findet.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BVerfG, Pressemitteilung vom 31.03.2021 zum Beschluss 2 BvR 1161/19 vom 04.03.2021
Mit am 31.03.2021 veröffentlichten Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde einer Kapitalgesellschaft stattgegeben, die sich gegen ein Urteil des Bundesfinanzhofs richtete, mit dem dieser eine auf § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) gestützte Einkünftekorrektur der Teilwertabschreibung eines ausgefallenen unbesicherten Konzerndarlehens für rechtmäßig erklärt hatte. Das Urteil verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil der Bundesfinanzhof entgegen Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) abgesehen hat.
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin einer inländischen GmbH, die wiederum im Streitjahr zu 99,98 % an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Belgien beteiligt war. Die inländische GmbH führte für die belgische Kapitalgesellschaft ein Verrechnungskonto, das ab Januar 2004 mit 6 % p. a. verzinst wurde. Die Darlehensgewährung durch das Verrechnungskonto war nicht besichert. Für einen von einer Bank gewährten Betriebsmittelkredit über mehrere Millionen Euro zahlte die Beschwerdeführerin im Streitjahr 2005 Zinsen in Höhe von 3,14 % p. a. Im September 2005 vereinbarten die inländische GmbH und die belgische Kapitalgesellschaft einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein in Höhe des wertlosen Teils der gegen die belgische Kapitalgesellschaft gerichteten Forderungen aus dem Verrechnungskonto. Dieser wurde zwar in der Bilanz der inländischen GmbH gewinnmindernd ausgebucht, jedoch rechnete das Finanzamt die „Teilwertabschreibung“ nach der unter anderem für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung ‑ zunächst gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) in Verbindung mit § 15 Nr. 2 KStG ‑ für körperschaft- und gewerbesteuerliche Zwecke wieder hinzu. Im sich anschließenden Einspruchsverfahren stützte das Finanzamt die Einkünftekorrektur sodann auf § 1 Abs. 1 AStG.
Die hiergegen gerichtete Klage der Beschwerdeführerin hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung führte der Bundesfinanzhof im Wesentlichen aus, dass die durch die fehlende Besicherung und die Teilwertabschreibung bedingte Gewinnminderung in voller Höhe der Korrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG unterliege. Der Korrektur stehe auch nicht das Unionsrecht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH stelle eine mit § 1 Abs. 1 AStG vergleichbare Regelung eine zur Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen Mitgliedstaaten gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) dar. Zwar könnten das wirtschaftliche Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft an ihren Beteiligungsgesellschaften sowie ihre Verantwortung als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften Geschäftsabschlüsse unter nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigen. Diese Einschränkung komme hier jedoch nicht zum Tragen. Das nationale Gericht habe nach der Rechtsprechung des EuGH Gründe dieser Art zu berücksichtigen und im Rahmen einer Abwägung (im Einzelfall) daran zu messen, mit welchem Gewicht die jeweils zu beurteilende Abweichung vom Maßstab des Fremdüblichen in den Territorialitätsgrundsatz und die hierauf gründende Zuordnung der Besteuerungsrechte eingreife. Im Streitfall komme danach eine Einschränkung der Berichtigung nach § 1 AStG nicht in Betracht, weil die Ausreichung von Fremdkapital eine unzureichende Eigenkapitalausstattung ausgleiche.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot sowie eine Verletzung ihres Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Offenbleiben kann, ob das angegriffene Urteil gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verstößt, weil der Bundesfinanzhof für den im Rahmen des § 1 AStG gebotenen Fremdvergleich ohne Weiteres von einer Vollbesicherung auszugehen scheint, ohne dies im Hinblick auf die übliche Höhe von Sicherheiten für die konkrete Verrechnungsabrede und mögliche Wechselwirkungen zwischen dieser und der Höhe des vereinbarten Zinssatzes zu begründen.
Jedenfalls verletzt die Entscheidung die Beschwerdeführerin wegen der Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV durch den Bundesfinanzhof in ihrem Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
- Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Allerdings stellt nach ständiger Rechtsprechung nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (Willkürmaßstab). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Es muss unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne sachlich einleuchtende Begründung bejaht.
- So liegt der Fall hier. Die richtige Anwendung des Unionsrechts auf den vom Bundesfinanzhof (erstmals) unter § 1 AStG subsumierten Fall der Hingabe eines fremdunüblich nicht besicherten Darlehens war jedenfalls nach der vom Bundesfinanzhof dafür gegebenen Begründung und angesichts der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum blieb.
a) Zutreffend geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass die von ihm nach § 1 Abs. 1 AStG vorgenommene Einkünftekorrektur eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV darstellt. Die damit verbundene Ungleichbehandlung ist nur statthaft, wenn sie durch vom Unionsrecht anerkannte zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
b) Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs setzt sich jedoch nicht mit der Frage auseinander, ob die Einkünftekorrektur nach Maßgabe seiner Auslegung von § 1 AStG im Hinblick auf nicht besicherte Forderungen überhaupt der, vom EuGH für legitim erklärten, Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten dient. Dass dieser Rechtfertigungsgrund einschlägig sei, setzt der Bundesfinanzhof ohne Weiteres voraus, obwohl es hierzu weiterer Ausführungen bedurft hätte. Denn weder die Nichtbesicherung der Darlehensforderung, die der Bundesfinanzhof dem Fremdvergleich zugrunde legt, noch eine spätere Abschreibung der Forderung führen ohne Weiteres zu einer Übertragung von Gewinnen, also zu einem unversteuerten „Hinaustransferieren“ von Gewinnen, das nach der Entscheidung des EuGH vom 31. Mai 2018 (C-382/16 – Hornbach-Baumarkt) geeignet sein könnte, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
c) Der Bundesfinanzhof untersucht vielmehr allein die Voraussetzungen, unter denen der EuGH in seiner Hornbach-Entscheidung für den Fall, dass die zu beurteilende Regelung zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis geeignet ist, auch deren Erforderlichkeit bejaht hat. Der EuGH verlangt in jedem Fall, in dem der Verdacht besteht, dass ein geschäftlicher Vorgang über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen, die nicht fremdübliche Bedingungen rechtfertigen können. Der Bundesfinanzhof sieht solche wirtschaftlichen Gründe für die Hingabe eines nicht besicherten Darlehens nicht als gegeben an, wenn dies strukturell der Zuführung von Eigenkapital nahesteht.
Dabei ist zwar nicht willkürlich, dass der Bundesfinanzhof der Rechtsprechung des EuGH bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe für fremdunübliche Bedingungen keinen die territorialen Besteuerungsrechte stets verdrängenden Automatismus entnommen hat, sondern eine Abwägung zulässt. Es fehlt jedoch eine sachlich einleuchtende Begründung dafür, warum der Bundesfinanzhof die Rechtslage auch im Hinblick auf sein Abwägungsergebnis im konkreten Fall für durch die Rechtsprechung des EuGH zweifelsfrei geklärt hält. Denn das übergeht, dass wirtschaftliche Gründe für den Abschluss eines fremdunüblichen Geschäfts nach Auffassung des EuGH gerade dann vorliegen können, wenn eine Tochtergesellschaft auf die Zuführung von Kapital angewiesen ist, weil sie über kein ausreichendes Eigenkapital verfügt. Dazu steht die vom Bundesfinanzhof vorgenommene Abwägung in einem von ihm nicht aufgelösten Widerspruch.
d) Schließlich ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine nationale Regelung zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis nur erforderlich, soweit sich die steuerliche Berichtigung auf den Teil beschränkt, der über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten. Ob die angegriffene Entscheidung insoweit mit der vom EuGH geklärten Rechtslage in Einklang steht, ist nicht nachvollziehbar, weil sie bei dem durch § 1 AStG gebotenen Fremdvergleich jegliche Begründung dafür vermissen lässt, warum der Bundesfinanzhof unter Marktbedingungen von einer Vollbesicherung des Darlehens ausgeht.
Quelle: BVerfG
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... weiterlesen!- 29. März 2021
Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0304 / 19 / 10006 :010 // IV B 1 – S-1317 / 19 / 10058 :011 vom 29.03.2021
Durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) wurde die Richtlinie (EU) 2018/822 vom 25. Mai 2018, ABl. L 139 vom 5. Juni 2018 S. 1, zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie in nationales Recht umgesetzt.
Für die Anwendung der mit diesem Gesetz eingeführten und geänderten Vorschriften gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
Inhaltsverzeichnis
(…)
5. Anwendungs- und Übergangsregelungen
275 Die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen besteht ab dem 1. Juli 2020. Sie besteht auch für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, bei denen der erste Schritt zur Umsetzung nach dem 24. Juni 2018 und vor dem 1. Juli 2020 gemacht worden ist. In diesen Fällen ist die Mitteilung abweichend von § 138f Abs. 2 AO innerhalb von zwei Monaten nach dem 30. Juni 2020 an das Bundeszentralamt für Steuern zu erstatten.
276 Die Annahme der Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen durch das Bundeszentralamt für Steuern ist ab dem 1. Juli 2020 möglich. So kann die Übermittlung über das BOP-Formular ab dem 1. Juli 2020 erfolgen. Zusätzlich steht die Massendatenschnittstelle ELMA ab dem 15. Juli 2020 zur Verfügung.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7155 / 19 / 10004 :001 vom 26.03.2021
I. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 18. März 2021 – III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001 (2021/0251308), BStBl I S. xxx, geändert worden ist, in Abschnitt 8.1 der Absatz 4 wie folgt gefasst:
„(4) Gegenstände zur Versorgung von Schiffen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UStG) sind die technischen Verbrauchsgegenstände – z. B. Treibstoffe, Schmierstoffe, Farbe oder Putzwolle –, die sonstigen zum Verbrauch durch die Besatzungsmitglieder und die Fahrgäste bestimmten Gegenstände – z. B. Proviant, Genussmittel, Toilettenartikel, Zeitungen und Zeitschriften – und die Waren für Schiffsapotheken, Bordkantinen sowie Bordläden, wenn diese üblicherweise für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Besatzungsmitglieder oder die Fahrgäste an Bord bestimmt sind.“
II. Anwendung
Die Grundsätze dieses Schreibens sind für Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. März 2021 ausgeführt werden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 26. März 2021
Projektförderungen durch die öffentliche Hand sollen nicht durch die Umsatzsteuer geschmälert werden
FinMin Niedersachsen, Pressemitteilung vom 26.03.2021
Bayern und Niedersachsen haben am 26.03.2021 gemeinsam einen Entschließungsantrag mit dem Ziel in den Bundesrat eingebracht, dass Projektförderungen durch die öffentliche Hand nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Nach der aktuellen Rechtsprechung der Finanzgerichte liegt eine umsatzsteuerbare Leistung vor, wenn der Förderungsempfänger konkrete Projektvorgaben erfüllt, um die Förderung zu erhalten. In der Folge müssen Förderungsempfänger vermehrt Umsatzsteuer aus dem Förderungsbetrag an das Finanzamt abführen. Die Projektträger zeigen sich von dieser Entwicklung häufig irritiert und ziehen sich wegen der drohenden finanziellen Risiken zunehmend aus Projekten zurück.
„Es ist offensichtlich widersinnig, wenn die öffentliche Hand ein Projekt fördert und zeitgleich einen Anteil dieser Förderung in Form der Umsatzsteuer wieder einbehält. Ein Aufweichen der bestehenden Fördervorgaben ist jedoch nicht sinnvoll. Diese Vorgaben stellen einen effektiven und zielgerichteten Einsatz der begrenzten Fördermittel sicher. Es ist ausdrücklich im Interesse der Steuerzahler und der öffentlichen Haushalte, dass diese Kontrollinstrumente der Projektsteuerung weiter eingesetzt werden. Wir brauchen vielmehr eine Änderung des Umsatzsteuerrechts“, erklärte der Niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers bei der Einbringung.
Der Bayerische Staatsminister der Finanzen und für Heimat Albert Füracker ergänzt: „Staatliche Projektförderungen müssen auch voll beim Empfänger ankommen. Wir unterstützen viele wichtige Vorhaben, um beispielsweise gesundheits-, wirtschafts- oder sozialpolitische Ziele zu erreichen. Mit einem angepassten Umsatzsteuerrecht können auch 100 % der Mittel hier Gutes tun. Gleichzeitig entlasten wir alle Beteiligten von der unnötigen Bürokratie, die mit der Abwicklung der Steuer verbunden ist – das ist eine echte win-win-Situation für alle!“
Dafür muss das europäische Recht, die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, angepasst werden. Mit der vorliegenden Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, sich bei der Europäischen Kommission für eine entsprechende Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einzusetzen.
Zum Hintergrund
Bund, Länder und Kommunen gewähren in großem Umfang Zuwendungen an öffentliche und private Einrichtungen, um Projekte, die im allgemeinen öffentlichen Interesse stehen, zu fördern. Die Zuwendungen werden dabei regelmäßig an detaillierte Projektvorgaben gebunden, um die erforderlichen Erfolgskontrollen sicherzustellen. Sind die Projektvorgaben darauf gerichtet, dass der Zuwendungsempfänger eine konkrete Aufgabe oder ein konkretes Projekt im Auftrag des Zuwendungsgebers für eine bestimmte Zeit oder in einer bestimmten Art und Weise erledigt, liegt hierin nach der aktuellen Rechtsprechung eine umsatzsteuerliche Leistung. Die Förderung stellt dann das Entgelt für diese Leistung dar. In der Folge muss der Zuwendungsempfänger aus dem zugewendeten Betrag Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
In der Regel kann der Zuwendungsgeber die anfallende Umsatzsteuer nicht zusätzlich zur Förderung erstatten. Da so nur ein um die Umsatzsteuer reduzierter Betrag für die angestrebten Förderziele zur Verfügung steht, wird die Verwirklichung von Förderprojekten zunehmend erschwert.
Auch das Corona-Hilfsprogramm der Europäischen Union, mit dem 390 Milliarden Euro als Zuschüsse an die Mitgliedsstaaten verteilt und dort für Klimaschutz- und Digitalisierungsprojekte eingesetzt werden sollen, wird von dieser Entwicklung betroffen sein. Es steht zu befürchten, dass ein großer Teil der Zuschüsse zu besteuern sein wird und insoweit nicht für die angestrebten Förderziele zur Verfügung steht.
Quelle: FinMin Niedersachsen
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... weiterlesen!Bundesrat, Mitteilung vom 26.03.2021
Der Bundesrat sieht Modernisierungsbedarf beim Rennwett- und Lotteriegesetz. Mit einem am 26. März 2021 beschlossenen Gesetzentwurf schlägt er dem Bundestag vor, Online-Poker und virtuelles Automatenspiel ebenso zu besteuern wie vergleichbare andere Glücksspielformen.
Hintergrund: Legalisierung von Online-Poker und virtuellem Automatenspiel
Der Glücksspielstaatsvertrag 2021, der im Juli 2021 in Kraft treten soll, lässt die Veranstaltung von virtuellem Automatenspiel und Online-Poker erstmals auf Basis einer für alle Länder einheitlich erteilten Erlaubnis der Aufsichtsbehörde zu.
Regelungslücke schließen
Das Rennwett- und Lotteriegesetz weist insoweit in seiner geltenden Fassung eine Regelungslücke auf, warnt die Länderkammer. Es enthält nämlich keine Vorgaben zur Besteuerung dieser Glücksspielformen. Das sei unproblematisch gewesen, solange diese Spiele nicht erlaubnisfähig waren. Nunmehr werde aber eine Ergänzung des Gesetzes notwendig.
Besteuerung wie bei Wetten
Der Vorschlag des Bundesrates: Online-Poker und virtuelles Automatenspiel werden künftig wie bisher schon bei Rennwetten, Sportwetten, öffentlichen Lotterien und Ausspielungen besteuert.
Als Bemessungsgrundlage soll jeweils der geleistete Spieleinsatz abzüglich der Steuer herangezogen werden, wovon sämtliche Aufwendungen des jeweiligen Spielers zur Teilnahme an dem Spiel erfasst sind.
Die beiden neuen Formen und die Renn- und Sportwetten würden jeweils mit 5,3 Prozent der Bemessungsgrundlage besteuert. Die Lotteriesteuer würde unverändert 20 Prozent betragen.
Kampf gegen Spielsucht
Die vorgeschlagenen steuerrechtlichen Regelungen unterstützen die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags: Einerseits überführen sie das bisherige illegale Spielangebot in die Legalität und damit unter die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Glücksspielstaatsvertrages. Andererseits tragen sie dazu bei, Spielsucht und weitere negative Erscheinungen des Spielbetriebs zu bekämpfen.
Modernisierung des Rennwett- und Lotteriegesetzes
Insgesamt wollen die Länder das Rennwett- und Lotteriegesetz modernisieren und den aktuellen Erfordernissen anpassen – etwa die zum Teil veralteten ordnungsrechtlichen Regelungen. Sämtliche Steuerarten sollen dem Standard moderner Steuergesetze entsprechen.
Nächste Stationen: Bundesregierung und Bundestag
Der Entwurf wurde der Bundesregierung zugeleitet, die dazu eine Stellungnahme verfassen kann. Anschließend legt sie beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor.
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Zum Beratungsvorgang
Quelle: Bundesrat
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... weiterlesen!- 26. März 2021
Bundesrat fordert Energiepreisreform
Bundesrat, Mitteilung vom 26.03.2021
Der Bundesrat dringt gegenüber der Bundesregierung auf eine systematische Reform der Abgaben und Umlagen im Energiesektor. Eine entsprechende Entschließung hat die Länderkammer am 26. März 2021 gefasst.
Aktuelles System hemmt Energiewende
Das derzeitige Finanzierungssystem führe zu einer Blockade der Weiterentwicklung der Energiewende, warnen die Länder.
Die verschiedenen Energieträger – beispielsweise Strom, Heizöl und Gas – würden durch Steuern, Abgaben und Umlagen unterschiedlich stark belastet. Hierdurch würden verzerrte Preissignale gesetzt und somit kosteneffiziente Treibhausgasvermeidungsoptionen nicht genutzt. Insbesondere trage die derzeitige umlagebasierte Finanzierung des Erneuerbaren-Energien-Ausbaus dazu bei, dass der Strompreis einen Teil seiner Lenkungs- und Anreizfunktion für effizienten Einsatz und Erzeugung von Strom verliere: Sie verteuere Strom gegenüber anderen Energieträgern und verzerre marktseitige Preissignale beim Strom.
Der Vorschlag: Anreize für Verminderung von Emissionen
Langfristiges Ziel von ordnungspolitischen Maßnahmen müsse es daher sein, zielorientierte Wettbewerbsbedingungen über alle Sektoren herzustellen und somit Anreize für die Verminderung der Emissionen, geeignete Investitionen in die Energiewende und den Klimaschutz zu setzen – und damit zur Erreichung der Klimaschutzziele beizutragen. Nur so könnten die Sektorkopplung angereizt und Wettbewerbsnachteile klimaschonender Technologien überwunden werden.
Es müsse eine raschere und deutlichere Abschmelzung der EEG-Umlage erfolgen. Insbesondere müsse die regenerativen Eigen- und Direktstromversorgung von der EEG-Umlage befreit werden. Eine Reform der Finanzierung der Energiewende solle mit einer grundsätzlichen Überarbeitung des Energiemarktdesigns, insbesondere der Fördersystematik, einhergehen. Ziel könne unter anderem die Etablierung einer funktionierenden und langfristig marktfinanzierten Grünstromvermarktung sein. Die Potenziale zum Lastmanagement würden derzeit bei weitem nicht ausgeschöpft, weil das aktuelle System der staatlich induzierten Preisbestandteile die falschen Anreize setze. Der Rechtsrahmen im Bereich der Netzentgelte müsse beispielsweise über eine Dynamisierung dahingehend weiterentwickelt werden, dass netz- und systemdienliches Verhalten angereizt und flexibles Nutzerverhalten belohnt werde. Hierfür solle der Bund geeignete Modelle für ein stärker lastabhängiges Netzentgeltsystem entwickeln, verlangen die Länder.
Wie es weitergeht
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, ob und wann sie die Anliegen des Bundesrates aufgreift. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.
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Zum Beratungsvorgang
Quelle: Bundesrat
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... weiterlesen!- 26. März 2021
Einfacherer Handel mit Konsumgütern in der EU
Bundesrat, Mitteilung vom 26.03.2021
EU-weite einheitliche Strukturen der Verbrauchsteuern für Tabak, Alkoholgetränke, aber auch Strom und andere Energieerzeugnisse sollen den Binnenmarkthandel künftig vereinfachen. Nach dem Bundestag hat am 26. März 2021 auch der Bundesrat die Umsetzung entsprechender EU-Richtlinien gebilligt.
Elektronische Kontrollsysteme
Die Verfahren zur Besteuerung, Beförderung und Lagerung solcher Produkte werden verschlankt – zum Beispiel durch Umstellung auf ein elektronisches Kontrollsystem der Begleitdokumente statt der bisherigen Papierform. Das umfangreiche Gesetz enthält dazu eine Vielzahl von Detailregelungen. Unter anderem geht es auch um die Überwachung des steuerrechtlich freien Verkehrs vom Hersteller bis zu den Endverkäufern, die die Verbrauchsteuer letztlich abführen müssen. Eine Angleichung der unterschiedlichen Steuersätze in den verschiedenen Mitgliedstaaten ist allerdings nicht vorgesehen.
Befreiung für Wissenschaft und Forschung
Wissenschaft und Forschung erhalten eine Steuerbefreiung, wenn an sich verbrauchsteuerpflichtige Produkte für ihre Zwecke verwendet werden.
Anpassung an erhöhte Ehrenamtspauschale
Das Gesetz passt zudem das Haftungsprivileg für ehrenamtliche Tätigkeiten an die kürzlich erhöhte Ehrenamtspauschale an. Künftig gilt diese Befreiung für alle Organmitglieder eines Vereins sowie für Mitglieder, die für ihre Tätigkeit eine jährliche Vergütung bis zu 840 Euro erhalten. Bei der Anhebung der Ehrenamtspauschale im letzten Jahressteuergesetz war es versäumt worden, das Haftungsprivileg auszuweiten.
Gesplittetes Inkrafttreten
Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt kann das Gesetz wie geplant in Kraft treten – für die einzelnen Regelungen sind unterschiedliche Daten vorgesehen.
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Zum Beratungsvorgang
Quelle: Bundesrat
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... weiterlesen!DStV, Mitteilung vom 25.03.2021
Das Bundesministerium der Finanzen hat das Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden veröffentlicht, zu dessen Entwurfsfassung der DStV im Herbst Stellung genommen hatte. Einzelhändler können ferner von einer weiteren Billigkeitsregelung profitieren, wenn sie im Zeitraum vom 01.03.2020 bis 31.12.2021 Waren an steuerbegünstigte Organisationen spenden bzw. gespendet haben.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ – so einfach klingt das bei Erich Kästner. Unternehmen, die mit Sachspenden dem Gesagten folgen wollen, stehen jedoch oftmals vor umsatzsteuerlichen Fragen.
Das Bundesministerium der Finanzen hat am 18.03.2021 zwei Schreiben veröffentlicht (III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001; III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001), die etwas mehr Licht ins Dunkel bringen könnten. Das Wichtigste in Kürze:
Umsatzsteuerliche Beurteilung von Sachspenden
Dreh- und Angelpunkt für die Umsatzbesteuerung bei Sachspenden stellt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage dar. Das BMF-Schreiben stellt nun unter anderem klar, dass der Ansatz einer Bemessungsgrundlage von 0 Euro (nur) bei wertloser Ware angesetzt werden kann. Als Beispiel nennt das Schreiben Lebensmittel und Non-Food-Artikel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder Frischwaren, bei denen die Verkaufsfähigkeit nicht mehr gegeben ist.
Gerade der Hinweis auf nicht mehr verkaufsfähige Frischwaren in diesem Zusammenhang begrüßt der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV). Diese Klarstellung hatte er in seiner DStV-Stellungnahme S 13/20 zur Entwurfsfassung des nun veröffentlichten Schreibens dringend angeregt.
Die Grundsätze des Schreibens gelten in allen offenen Fällen.
Besondere Billigkeitsregelung von Sachspenden von Einzelhändlern
Die Corona-Pandemie führt gerade für den Einzelhandel zu einer Ausnahmesituation. Oftmals bleiben Unternehmen auf liegen gebliebener Saisonware sitzen.
Wollen von der Krise betroffene Unternehmer diese Waren spenden, können sie von einer besonderen Billigkeitsregelung profitieren. Erhalten steuerbegünstigte Organisationen die Waren, wird die unentgeltliche Wertabgabe nicht besteuert.
Diese Regelung gilt für Spenden, die zwischen dem 01.03.2020 und 31.12.2021 erfolgen bzw. bereits erfolgt sind.
Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V.
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... weiterlesen!FG Köln, Pressemitteilung vom 25.03.2021 zum Urteil 9 K 596/18 vom 11.03.2020 (nrkr – BFH-Az. VIII R 15/20)
eBay-Aktionäre müssen für die Zuteilung von PayPal-Aktien keine Einkommensteuern zahlen. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinem am 25.03.2021 veröffentlichten Urteil vom 11.03.2020 entschieden (Az. 9 K 596/18).
Der Kläger hielt 2015 eBay-Aktien. Durch die Unternehmens-Ausgliederung (Spin-Off) des eBay-Bezahlsystems PayPal erhielten die Aktionäre für jede eBay-Aktie eine PayPal-Aktie. So wurden auch dem Depot des Klägers in 2015 PayPal-Aktien zu einem Kurs von 36 Euro je Aktie gutgeschrieben.
Das Finanzamt behandelte die Gutschrift als steuerpflichtige Sachausschüttung und forderte hierfür Einkommensteuern. Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass er durch die Ausgliederung von PayPal keinen Vermögenszuwachs erfahren habe. Der bisherige Unternehmenswert sei lediglich auf zwei Aktien aufgeteilt worden.
Das Finanzgericht Köln gab der Klage statt und hob die Einkommensteuerfestsetzung 2015 insoweit auf. Die Zuteilung von Aktien im Rahmen eines sog. Spin-Offs sei im Jahr des Aktienbezugs kein steuerpflichtiger Vorgang. Es handele sich nicht um eine Sachdividende, sondern um eine Abspaltung nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG. Deren steuerliche Folgen seien erst im Jahr der Veräußerung der Aktien zu ziehen. Aber selbst wenn eine solche Abspaltung nicht festgestellt werden könnte, sei der Kapitalertrag lediglich mit 0 Euro anzusetzen. Die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts der Zuteilung sei nämlich nicht möglich, weil der Aktionär keine Gegenleistung zu erbringen hatte.
Die Finanzverwaltung hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Das Verfahren wird beim BFH in München unter dem Aktenzeichen VIII R 15/20 geführt.
Quelle: FG Köln
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2770 / 21 / 10001 :001 vom 24.03.2021
Für vor dem 27. Februar 2013 abgeschlossene oder letztmalig geänderte Gewinnabführungsverträge, bei denen nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG a. F. die Verlustübernahme durch statischen Verweis auf die Regelung des § 302 AktG in der Fassung des Artikel 9 des Gesetzes vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553) oder durch wörtliche Wiedergabe dieser Regelung vereinbart worden ist, gilt nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
Aufgrund der am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderung des § 302 AktG durch Artikel 15 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256) ist für die weitere Anerkennung der Organschaft nach § 17 KStG Voraussetzung, dass die bisherigen Vereinbarungen zur Verlustübernahme im Gewinnabführungsvertrag angepasst werden (vgl. auch BFH vom 10. Mai 2017, I R 93/15, BStBl II 2019 S. 278). Dabei muss nach aktueller Rechtslage die Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung (dynamischer Verweis) gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG vereinbart werden.
Der Anerkennung der Organschaft steht es für Veranlagungszeiträume ab 2021 nicht entgegen, wenn die Anpassung der Altverträge zur Aufnahme des dynamischen Verweises nach 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 vorgenommen wird (mit notarieller Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses der Organgesellschaft und Anmeldung der Änderung zur Eintragung ins Handelsregister). Eine Anpassung kann unterbleiben, wenn das Organschaftsverhältnis vor dem 1. Januar 2022 beendet wird.
In den vorgenannten Fällen stellt die Anpassung des Gewinnabführungsvertrages zur Aufnahme eines dynamischen Verweises auf § 302 AktG keinen Neuabschluss des Vertrages dar und daher wird keine neue Mindestlaufzeit im Sinnes des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG in Gang gesetzt.
Die im BMF-Schreiben vom 3. April 2019 (BStBl I 2019 S. 467) geregelten Fallkonstellationen werden durch dieses Schreiben nicht berührt.
Dieses BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Pressemitteilung vom 25.03.2021
Die Bundesregierung und die KfW verlängern das KfW-Sonderprogramm bis zum 31. Dezember 2021 und erhöhen zum 1. April 2021 die Kreditobergrenzen. Das KfW-Sonderprogramm ist am 23. März 2020 gestartet und hat in einem Jahr Unternehmensfinanzierungen in Höhe von insgesamt 49 Mrd. Euro zur Abfederung der Corona-Krise ermöglicht. Profitiert haben vor allem kleine und mittelständische Unternehmen.
Unsere Hilfspolitik wirkt, die deutsche Wirtschaft kommt vergleichsweise gut durch die Corona-Krise. Die Pandemie stellt uns auch weiterhin vor große Herausforderungen. Unser Schutzschirm für Beschäftigte und Unternehmen bleibt daher weit geöffnet. Wir verlängern das KfW-Sonderprogramm und weiten die Corona-Hilfen nochmal aus. Für Unternehmen ist klar: Sie können auf unsere Hilfen über die KfW zählen. Unser Ziel ist es, dass wir nach der Pandemie gemeinsam schnell wieder durchstarten können.Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Die Corona-Krise lässt uns auch in diesem Jahr nicht los und wir lassen unsere Unternehmen nicht alleine. Daher haben wir die Kredithöchstbeträge nochmals deutlich angehoben und geben so den vollen Spielraum des erweiterten Beihilferahmens an unsere Unternehmen weiter. Das hilft nicht nur den kleinen und mittleren Unternehmen, sondern auch den größeren Mittelständlern. Die Verlängerung des gesamten KfW-Sonderprogramms gibt Planungssicherheit für die deutsche Wirtschaft und leistet damit einen Beitrag für den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung.Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
Auch das Jahr 2021 wird ein Corona-Jahr mit großen Belastungen für die deutsche Wirtschaft. Vor allem die kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind von den Folgen der Pandemie betroffen und brauchen einen langen Atem, um die Krise zu überstehen. Mit der Verlängerung des Programms und der Erhöhung der Höchstbeträge verschaffen wir ihnen zusätzlich Luft.Der Vorstandsvorsitzende der KfW, Dr. Günther Bräunig
Die Änderungen im Überblick:
1. Wir geben den Unternehmen zusätzliche Planungssicherheit, indem wir das KfW-Sonderprogramm, inklusive des KfW-Schnellkredits, bis zum 31. Dezember 2021 verlängern (bislang bis zum 30. Juni 2021 befristet).
2. Im KfW-Sonderprogramm unterstützen wir Unternehmen künftig mit deutlich höheren maximalen Kreditbeträgen für Kleinbeihilfen.
Im KfW-Schnellkredit betragen die Kreditobergrenzen künftig
- für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten 1,8 Mio. Euro (bisher 800.000 Euro),
- für Unternehmen mit über zehn bis 50 Beschäftigten 1,125 Mio. Euro (bisher 500.000 Euro),
- für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten 675.000 Euro (bisher 300.000 Euro).
Die maximale Kreditobergrenze je Unternehmensgruppe von 25 Prozent des Jahresumsatzes 2019 wird beibehalten.
Im KfW-Unternehmerkredit und ERP-Gründerkredit mit Laufzeiten von mehr als 6 Jahren erhöhen wir die Kreditobergrenze von bisher 800.000 Euro auf 1,8 Mio. Euro.
3. Die Maßnahmen werden von der KfW zum 1. April 2021 umgesetzt.
Mit den Verbesserungen in der KfW-Corona-Hilfe setzen Bundesregierung und KfW die Möglichkeiten um, die die EU Kommission mit der 5. Änderung des befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen („Temporary Framework“) geschaffen hat.
Die KfW-Corona-Hilfe steht Unternehmen zur Verfügung, die den Vorgaben des „Temporary Framework“ entsprechend nachweislich vor Ausbruch der Corona-Krise noch nicht in Schwierigkeiten waren. Eine Finanzierung von Unternehmen in Schwierigkeiten oder ohne tragfähiges Geschäftsmodell ist ausgeschlossen.
Nähere Informationen zur KfW-Corona-Hilfe unter Informationen für Medienvertreter und Multiplikatoren: KfW-Corona-Hilfe.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BFH, Pressemitteilung Nr. 8/21 vom 25.03.2021 zu den Urteilen VI R 15/19 und VI R 52/18 vom 14.01.2021
Mit Urteilen vom 14.01.2021 – VI R 15/19 und VI R 52/18 – hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Aufwendungen für einen sog. Schulhund teilweise als Werbungskosten abgezogen werden können.
In den Streitfällen hatten die Klägerinnen (Lehrerinnen) ihre Hunde, die sie aus privaten Mitteln angeschafft hatten, arbeitstäglich im Schulunterricht eingesetzt. Der Einsatz erfolgte in Absprache mit dem Dienstherrn und der Elternschaft im Rahmen von zuvor erstellten Schulhundprogrammen zur Umsetzung tiergestützter Pädagogik. Obwohl der Schulhundeinsatz vom Dienstherrn ausdrücklich befürwortet und sogar gewünscht war, beteiligte er sich nicht an den Kosten. Die Klägerinnen erstrebten daher zumindest eine mittelbare Kostenbeteiligung über die Steuer und machten die Aufwendungen für Anschaffung, Futter, Tierarzt, Besuch einer Hundeschule und Ausbildung zum Therapiehund als Werbungskosten geltend. Dies lehnte das Finanzamt (FA) ab. Die Anschaffung und Haltung der Hunde sei nicht nur beruflich, sondern auch privat veranlasst. Da eine sachgerechte Abgrenzung der Veranlassungszusammenhänge nicht möglich sei, scheide der Werbungskostenabzug aus.
Der BFH folgte dem FA zwar dahin, dass die Anschaffung und Haltung eines Hundes stets auch privat (mit)veranlasst sei. Er stellte aber klar, dass eine Aufteilung der Aufwendungen für die Hunde im Wege der Schätzung zu erfolgen habe, wenn diese aufgrund vorliegender Pädagogikkonzepte im Schulunterricht eingesetzt würden. Angesichts der privaten Mitveranlassung könnten in einem solchen Fall jedoch maximal 50 % der Aufwendungen für einen Schulhund als Werbungskosten anerkannt werden. Ein hälftiger Abzug sei anzuerkennen, wenn der Hund innerhalb einer regelmäßig fünftägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt werde.
Die Aufwendungen für die Ausbildung des Schulhundes der Klägerin des Verfahrens VI R 15/19 zum Therapiehund erkannte der BFH darüber hinaus in voller Höhe als Werbungskosten an, da diese spezielle Ausbildung ersichtlich nur durch den Schuleinsatz veranlasst und eine private Mitveranlassung nicht ersichtlich sei.
Aufwendungen für einen sog. Schulhund als Werbungskosten
Leitsatz:
- Aufwendungen für einen sog. Schulhund können bis zu 50 % als Werbungskosten bei den Einkünften einer Lehrerin aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Ein hälftiger Werbungskostenabzug ist nicht zu beanstanden, wenn der Hund innerhalb einer regelmäßig fünftägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird.
- Die Aufwendungen für die Ausbildung eines Schulhundes zum Therapiehund sind regelmäßig in voller Höhe beruflich veranlasst und damit als Werbungskosten abziehbar.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14.03.2019 – 10 K 2852/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen sog. “Schulhund” Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Lehrerin an der A-Schule in B tätig. Auf der Schulkonferenz vom … 2014 wurde der Beschluss gefasst, einen Therapiehund zur Umsetzung der tiergestützten Pädagogik anzuschaffen. An der Schule war zuvor ein Konzept der tiergestützten Pädagogik erarbeitet worden. Die Klägerin schaffte daraufhin mit Kaufvertrag vom … 2014 die am … 2014 geborene Hündin C zum Preise von 1.600 € an. Im Rahmen des Schulhundprogramms wurde die Hündin C von der Klägerin insbesondere im Unterricht eingesetzt. Zu diesem Zweck nahm die Klägerin sie nahezu arbeitstäglich mit in die Schule.
3
In den Steuererklärungen für die Streitjahre (2014 bis 2016) machte die Klägerin Aufwendungen für den Hund als Werbungskosten geltend. Diese setzten sich zusammen aus einer Abschreibung für die Anschaffung des Hundes auf acht Jahre, Aufwendungen für eine Tierhaftpflichtversicherung, Futtermittel, Hundepflege, Tierarzt und den Besuch einer Hundeschule sowie für die Ausbildung als Therapiehund. Die Aufwendungen beliefen sich im Jahr 2014 auf 871,49 €, im Jahr 2015 auf 5.063,71 € (davon 1.750 € für die Ausbildung zum Therapiehund zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 111,60 €) und im Jahr 2016 auf 7.607,60 € (davon 1.908 € für die Ausbildung zum Therapiehund zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 321,60 €).
4
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA–) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Werbungskosten ab. Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Einspruchs legte die Klägerin eine Bescheinigung der Schule vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe die Hündin C als Schulhund im … 2014 erworben und zum Therapiehund ausgebildet. Ergänzend legte die Klägerin den Ausbildungsvertrag zur Therapiehundeausbildung vom … 2014 sowie das Konzept zur Tiergestützten Pädagogik an der A-Schule B vor. Ferner verwies sie darauf, dass die Hundesteuerbefreiung, die sie erhalten habe, nicht erteilt worden wäre, wenn die Hündin C nicht nachweislich zu dem angegebenen Zweck eingesetzt worden wäre.
5
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
6
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 886 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Es berücksichtigte die Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund in voller Höhe und die übrigen Aufwendungen zu einem Drittel als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit.
7
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
8
Es beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 14.03.2019 – 10 K 2852/18 E aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
9
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
II.
10
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für die Hündin C zu Recht teilweise als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
11
1. Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. Senatsurteil vom 23.03.2001 – VI R 175/99, BFHE 195, 225,
BStBl II 2001, 585). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Senatsurteile vom 17.12.2002 –
VI R 137/01,
BFHE 201, 211,
BStBl II 2003, 407, und vom 19.01.2017 –
VI R 37/15,
BFHE 257, 58,
BStBl II 2017, 526, Rz 12, m.w.N.).
12
a) Ergibt die Prüfung, dass Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie grundsätzlich als Werbungskosten abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.09.2009 – GrS 1/06,
BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672).
13
Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht kommen, sofern der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672; Senatsbeschluss vom 24.09.2013 –
VI R 35/11; Senatsurteile vom 08.07.2015 –
VI R 46/14,
BFHE 250, 392,
BStBl II 2015, 1013, und vom 16.01.2019 –
VI R 24/16,
BFHE 263, 449,
BStBl II 2019, 376). Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672).
14
b) Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Arbeitsmittel sind alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (Senatsurteile vom 23.10.1992 – VI R 31/92,
BFHE 169, 350,
BStBl II 1993, 193, und vom 08.11.1996 –
VI R 22/96, BFH/NV 1997, 341; Senatsbeschluss vom 30.06.2010 –
VI R 45/09,
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45).
15
Bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) genutzt werden können, ist für die Einordnung als Arbeitsmittel der tatsächliche Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend (Senatsurteile vom 19.02.2004 – VI R 135/01,
BFHE 205, 220,
BStBl II 2004, 958; vom 20.07.2005 –
VI R 50/03,
BFH/NV 2005, 2185, und vom 20.05.2010 –
VI R 53/09,
BFHE 230, 317,
BStBl II 2011, 723). Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich zur Einnahmeerzielung genutzt werden. Eine geringfügige private Mitnutzung ist unschädlich (Senatsurteil vom 21.10.1988 –
VI R 18/86,
BFHE 155, 310,
BStBl II 1989, 356). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Würdigung aller Umstände nach der tatsächlichen Zweckbestimmung, d.h. nach der Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall, festzustellen (Senatsentscheidungen in
BFHE 155, 310,
BStBl II 1989, 356, und in
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45).
16
Diese Grundsätze gelten auch für die Nutzung von Tieren (vgl. § 90a des Bürgerlichen Gesetzbuchs; Senatsurteil vom 10.09.1990 – VI R 101/86,
BFH/NV 1991, 234; Senatsbeschluss in
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45). Dient ein Hund neben beruflichen in nicht unerheblichem Umfang auch privaten Zwecken, handelt es sich nicht um ein Arbeitsmittel. Dies gilt auch, falls der Anlass für die Anschaffung im beruflichen Bereich gelegen haben sollte und er nicht angeschafft worden wäre, wenn nur eine private Nutzung beabsichtigt gewesen wäre. Liegt keine ausschließliche oder weitaus überwiegende berufliche Nutzung vor, ist auch unbeachtlich, ob die berufliche Nutzung besonders erfolgreich ist (Senatsurteil in
BFH/NV 1991, 234; s.a. Senatsurteil vom 29.01.1960 –
VI 9/59 U,
BFHE 70, 435,
BStBl III 1960, 163).
17
2. Nach diesen Maßstäben hält die Vorentscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
18
a) Ausgehend von den angeführten Rechtsgrundsätzen ist die Würdigung des FG, wonach ein Drittel der Aufwendungen für den Hund, bestehend aus einer zeitanteiligen Absetzung der Anschaffungskosten, Futter, Pflege, Tierhalterhaftpflichtversicherung, Tierarzt und Besuch der Hundeschule, beruflich veranlasst sei, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
19
Bei der Hündin C handelt es sich um ein Haustier, das in den Streitjahren mit im Haushalt der Klägerin lebte und -wie das FG bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat- nicht nahezu ausschließlich beruflich, sondern in nicht unerheblichem Umfang auch privat Verwendung fand. Entsprechend hat das FG die Hündin C zu Recht nicht als Arbeitsmittel der Klägerin i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG angesehen.
20
Nach den Feststellungen der Vorinstanz nutzte die Klägerin den Hund aber auch beruflich, indem sie ihn an ihren Unterrichtstagen, mithin nahezu arbeitstäglich, im Rahmen des Schulhundkonzepts in der Schule einsetzte. Angesichts des Umfangs von regelmäßig fünf Arbeitstagen pro Woche war die berufliche Nutzung des Hundes nicht von untergeordneter Bedeutung. Da die berufliche Verwendung des Hundes in der Regel anhand der Unterrichtstage bemessen werden kann und damit nach objektiven Maßstäben in nachprüfbarer Weise abgrenzbar ist, waren die Aufwendungen für die Haltung des Hundes aufzuteilen. Die durch das FG vorgenommene Schätzung des beruflichen Anteils der angefallenen Aufwendungen mit einem Drittel ist nach den Gegebenheiten des Streitfalls revisionsrechtlich keinesfalls zu beanstanden. Vielmehr erscheint es nach Auffassung des Senats vertretbar, bei einer erheblichen beruflichen Nutzung eines Schulhundes bis zu 50 % der Aufwendungen für das Tier zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Aus Vereinfachungsgründen ist ein hälftiger Werbungskostenabzug jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Hund innerhalb einer regelmäßig fünftägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird.
21
b) Ebenso hält die Würdigung des FG, die Aufwendungen der Klägerin für die Ausbildung der Hündin C zum Therapiehund seien ausschließlich beruflich veranlasst, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, dass eine private Veranlassung insoweit nicht ersichtlich ist. Anders als der Besuch einer allgemeinen Hundeschule, diente die Therapiehundeausbildung nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) dem Erlernen spezieller Fähigkeiten, um die Hündin C im Rahmen des Konzepts des tiergestützten Unterrichts einzusetzen.
22
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Aufwendungen für einen sog. Schulhund als Werbungskosten
Leitsatz:
NV: Aufwendungen für einen sog. Schulhund können bis zu 50 % als Werbungskosten bei den Einkünften einer Lehrerin aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Ein hälftiger Werbungskostenabzug ist nicht zu beanstanden, wenn der Hund innerhalb einer regelmäßig fünftägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.09.2018 – 1 K 2144/17 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen sog. “Schulhund” Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind.
2
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr (2015) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin erzielte als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie ist an einer weiterführenden Schule tätig und wird dort auch in Inklusionsklassen eingesetzt.
3
Im Jahr 2009 erwarb die Klägerin eine Hündin mit Namen H und legte mit ihr 2011 die Begleithundeprüfung ab. Seit 2013 setzt die Klägerin die Hündin H während des Unterrichts als “Schulhund” ein. Die Schulleitung hat die Anwesenheit und den Einsatz von H im Rahmen des Projekts “Schulhund H” genehmigt. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen hat eine “Handreichung – Rechtsfragen zum Einsatz eines Schulhundes” herausgegeben.
4
Im Streitjahr nahm die Klägerin den Hund an allen Schultagen mit zur Schule, wo er sich während ihres Unterrichts in der jeweiligen Klasse aufhielt. Das Projekt begann zunächst mit der reinen Anwesenheit von H, sodass sich die Kinder und der Hund aneinander gewöhnen konnten. Im weiteren Verlauf wurde der Hund aktiv in den Unterricht und auch in die Pausengestaltung einbezogen.
5
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin folgende Aufwendungen für den Hund als Werbungskosten geltend:
Tierarzt | 594,37 € |
Futter | 152,20 € |
Pflege | 46,15 € |
Transportbox | 189,00 € |
Halsband | 33,85 € |
Beschäftigung | 93,67 € |
1.109,24 € |
6
Im finanzgerichtlichen Verfahren legte die Klägerin eine Bescheinigung der Schule folgenden Inhalts vor:
“Hiermit bestätigen wir, dass Frau … die Hündin … [H] angeschafft und entsprechend ausgebildet hat, um sie als Schulhund einzusetzen. Seitens der Schule wurden keine Erstattungen hinsichtlich der Aufwendungen für Hündin … [H] vorgenommen.”
7
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) erkannte die Aufwendungen für den Hund nicht als Werbungskosten an.
8
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach im Streitpunkt erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage teilweise statt und berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen für den Hund zur Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit.
9
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
10
Es beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf 1 K 2144/17 E aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
11
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.
II.
12
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für Hündin H zu Recht teilweise als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
13
1. Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. Senatsurteil vom 23.03.2001 – VI R 175/99, BFHE 195, 225,
BStBl II 2001, 585). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Senatsurteile vom 17.12.2002 –
VI R 137/01,
BFHE 201, 211,
BStBl II 2003, 407, und vom 19.01.2017 –
VI R 37/15,
BFHE 257, 58,
BStBl II 2017, 526, Rz 12, m.w.N.).
14
a) Ergibt die Prüfung, dass Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie grundsätzlich als Werbungskosten abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.09.2009 – GrS 1/06,
BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672).
15
Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht kommen, sofern der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672; Senatsbeschluss vom 24.09.2013 –
VI R 35/11; Senatsurteile vom 08.07.2015 –
VI R 46/14,
BFHE 250, 392,
BStBl II 2015, 1013, und vom 16.01.2019 –
VI R 24/16,
BFHE 263, 449,
BStBl II 2019, 376). Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 227, 1,
BStBl II 2010, 672).
16
b) Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Arbeitsmittel sind alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (Senatsurteile vom 23.10.1992 – VI R 31/92,
BFHE 169, 350,
BStBl II 1993, 193, und vom 08.11.1996 –
VI R 22/96, BFH/NV 1997, 341; Senatsbeschluss vom 30.06.2010 –
VI R 45/09,
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45).
17
Bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) genutzt werden können, ist für die Einordnung als Arbeitsmittel der tatsächliche Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend (Senatsurteile vom 19.02.2004 – VI R 135/01,
BFHE 205, 220,
BStBl II 2004, 958; vom 20.07.2005 –
VI R 50/03,
BFH/NV 2005, 2185, und vom 20.05.2010 –
VI R 53/09,
BFHE 230, 317,
BStBl II 2011, 723). Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich zur Einnahmeerzielung genutzt werden. Eine geringfügige private Mitnutzung ist unschädlich (Senatsurteil vom 21.10.1988 –
VI R 18/86,
BFHE 155, 310,
BStBl II 1989, 356). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Würdigung aller Umstände nach der tatsächlichen Zweckbestimmung, d.h. nach der Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall, festzustellen (Senatsentscheidungen in
BFHE 155, 310,
BStBl II 1989, 356, und in
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45).
18
Diese Grundsätze gelten auch für die Nutzung von Tieren (vgl. § 90a des Bürgerlichen Gesetzbuchs; Senatsurteil vom 10.09.1990 – VI R 101/86,
BFH/NV 1991, 234; Senatsbeschluss in
BFHE 230, 348,
BStBl II 2011, 45). Dient ein Hund neben beruflichen in nicht unerheblichem Umfang auch privaten Zwecken, handelt es sich nicht um ein Arbeitsmittel. Dies gilt auch, falls der Anlass für die Anschaffung im beruflichen Bereich gelegen haben sollte und er nicht angeschafft worden wäre, wenn nur eine private Nutzung beabsichtigt gewesen wäre. Liegt keine ausschließliche oder weitaus überwiegende berufliche Nutzung vor, ist auch unbeachtlich, ob die berufliche Nutzung besonders erfolgreich ist (Senatsurteil in
BFH/NV 1991, 234; s.a. Senatsurteil vom 29.01.1960 –
VI 9/59 U,
BFHE 70, 435,
BStBl III 1960, 163).
19
2. Nach diesen Maßstäben hält die Vorentscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
20
Ausgehend von den angeführten Rechtsgrundsätzen ist die Würdigung des FG, wonach die Hälfte der Aufwendungen für den Hund beruflich veranlasst sei, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
21
Bei der Hündin H handelt es sich um ein Haustier, das im Streitjahr mit im Haushalt der Kläger lebte und -wie das FG bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat- nicht nahezu ausschließlich beruflich, sondern in nicht unerheblichem Umfang auch privat Verwendung fand. Entsprechend hat das FG die Hündin H zu Recht nicht als Arbeitsmittel der Klägerin i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG angesehen.
22
Nach den Feststellungen der Vorinstanz nutzte die Klägerin den Hund aber auch beruflich, indem sie ihn an den Unterrichtstagen, mithin nahezu arbeitstäglich, im Rahmen des Schulhundkonzepts in der Schule einsetzte. Angesichts des Umfangs von regelmäßig fünf Arbeitstagen pro Woche war die berufliche Nutzung des Hundes nicht von untergeordneter Bedeutung. Da die berufliche Verwendung des Hundes in der Regel anhand der Unterrichtstage bemessen werden kann und damit nach objektiven Maßstäben in nachprüfbarer Weise abgrenzbar ist, waren die Aufwendungen für die Haltung des Hundes aufzuteilen. Die durch das FG vorgenommene Schätzung des beruflichen Anteils der angefallenen Aufwendungen mit 50 % ist nach den Gegebenheiten des Streitfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint nach Auffassung des Senats vertretbar, bei einer erheblichen beruflichen Nutzung eines Schulhundes bis zu 50 % der Aufwendungen für das Tier zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Aus Vereinfachungsgründen ist ein hälftiger Werbungskostenabzug jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Hund -wie vorliegend- innerhalb einer regelmäßig fünftägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird.
23
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!BFH, Urteil XI R 41/18 vom 11.11.2020
Leitsatz
- Der für die Gestattung der sog. Ist-Besteuerung maßgebende Gesamtumsatz (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG) ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu bestimmen, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst im laufenden Jahr begonnen hat. Für diese Prognose ist ein Gesamtumsatz nach den Grundsätzen der sog. Soll-Besteuerung zu schätzen.
- § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO enthält ermessenslenkende Vorgaben; eine abwägende Stellungnahme des Finanzamts zur Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nicht erforderlich, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen.
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 25.10.2018 – 14 K 2375/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
A.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, die am 20.09.2011 gegründet wurde. Der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, der am 10.10.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -FA-) eingegangen ist, weist Umsätze für das Jahr der Betriebseröffnung und für das Folgejahr in geschätzter Höhe von 30.000 € bzw. 100.000 € aus. Dem Antrag der Klägerin, die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Besteuerung) nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung (a.F.) zu gestatten, entsprach das FA (Bescheid vom 15.12.2011 unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs). Es ging davon aus, dass der auf einen Jahresbetrag umgerechnete Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres voraussichtlich nicht mehr als 500.000 € betragen werde.
2
Mit Vertrag vom 15.11.2011 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der … GmbH (A), als Generalunternehmerin eine Photovoltaikanlage zu errichten. Von der vereinbarten Gesamtvergütung in Höhe von 1.258.000 € zzgl. Umsatzsteuer waren nach der Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 €, nach der Installation der Wechselrichterstation mit Vorbereitung für den Netzanschluss weitere 450.000 € und nach einem Probebetrieb von 10 Monaten die restlichen 358.000 € zu zahlen. Die Teilbeträge sollten jeweils nur insoweit zur Zahlung fällig werden, als sie von A aus den laufenden Einnahmen der Stromeinspeisung beglichen werden konnten. Als spätester Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage war der 31.12.2011 festgelegt.
3
Die Klägerin stellte A unter dem 19.12.2011 für die (im Jahr 2011 erfolgte) Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 € zzgl. 85.500 € Umsatzsteuer in Rechnung. Hierauf ging am 21.12.2011 auf dem Konto der Klägerin eine Gutschrift in Höhe von 77.350 € ein.
4
Die Klägerin reichte am 27.03.2012 und am 11.06.2012 Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2011 ein. Sie gab Umsätze zu 19 % in Höhe des vereinnahmten Entgelts von (netto) 65.000 € an und ermittelte eine Steuervergütung von 54.186,98 €. Dieser Erklärung stimmte das FA nicht zu.
5
Nach einer Außenprüfung nahm das FA mit Bescheid vom 08.08.2012 die Gestattung der Ist-Besteuerung nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO) rückwirkend zurück. Es ermittelte die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Besteuerung) und setzte mit Bescheid vom 23.08.2012 die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 auf 66.499,96 € fest. Dabei ging es von Umsätzen zu 19 % mit einer Bemessungsgrundlage von 450.000 € aus.
6
Das FA setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2012, die es ebenso nach vereinbarten Entgelten ermittelt hatte, mit Bescheid vom 21.03.2014 auf 142.770,87 € fest. Hiergegen legte die Klägerin gleichfalls Einspruch ein.
7
Mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Gestattung sei rechtswidrig gewesen, weil der nach § 19 Abs. 3 UStG zu berechnende Gesamtumsatz im Jahr 2011 mehr als 500.000 € betragen habe; dabei könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO vorlägen, weil jedenfalls § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO einschlägig sei.
8
Im Verlauf des finanzgerichtlichen Klageverfahrens gab der Geschäftsführer der Klägerin u.a. an, dass es für die Angabe im Fragebogen (Summe der Umsätze des Jahres 2011: 30.000 €) keine konkrete Grundlage gegeben habe.
9
Das Finanzgericht (FG) München wies die Klage mit seinem Urteil vom 25.10.2018 – 14 K 2375/16, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (
EFG) 2019, 485 veröffentlicht ist, als unbegründet ab. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der Zustellungsurkunde am 10.11.2018 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt, ohne dass der Zusteller das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt und seine Unterschrift hinzugefügt hätte.
10
Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2018, das beim Bundesfinanzhof (BFH) noch am selben Tag eingegangen ist, Revision ein.
11
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 23.09.2020 – XI R 41/18 das Verfahren wegen Umsatzsteuer für 2011 und 2012 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgetrennt. Es wird unter dem Az. XI R 28/20 fortgeführt.
12
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
13
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016, soweit sie die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung betreffen, sowie den Bescheid über die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 08.08.2012 aufzuheben.
14
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
B.
15
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
16
I. Die Revision ist zulässig. Sie ist am 11.12.2018 und damit innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingelegt worden.
17
1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim BFH einzulegen. Die Revisionsfrist beginnt nach § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des Tages, an dem die Zustellung erfolgt ist.
18
a) Wählt das Gericht den Weg der Zustellung durch Zustellungsauftrag i.S. des § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 176 ZPO, ist bei einer dann nach § 176 Abs. 2, § 180 ZPO zulässigen Ersatzzustellung die Zustellung grundsätzlich mit der Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten bewirkt (§ 180 Satz 2 ZPO). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass u.a. der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung vermerkt (§ 180 Satz 3 ZPO). Dieser Vermerk gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO. Fehlt dieser Vermerk, liegt ein Zustellungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit der Zustellung führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.01.2005 – II B 38/04,
BFH/NV 2005, 900, unter II.1.; vom 19.09.2007 –
VI B 151/06,
BFH/NV 2007, 2332, unter 1.; BFH-Urteile vom 21.09.2011 –
I R 50/10,
BFHE 235, 255,
BStBl II 2012, 197, Rz 9; vom 28.07.2015 –
VIII R 2/09,
BFHE 251, 162,
BStBl II 2016, 447, Rz 18).
19
b) Verstößt eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gegen zwingende Zustellungsvorschriften, weil -wie hier- der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, ist das zuzustellende Dokument i.S. des § 189 ZPO in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen, in dem er das Schriftstück in die Hand bekommt (vgl. BFH-Beschluss vom 06.05.2014 – GrS 2/13,
BFHE 244, 536,
BStBl II 2014, 645, Rz 78; so auch BFH-Beschlüsse in
BFH/NV 2005, 900, unter II.1.; in
BFH/NV 2007, 2332, unter 1.; BFH-Urteile in
BFHE 235, 255,
BStBl II 2012, 197, Rz 9; in
BFHE 251, 162,
BStBl II 2016, 447, Rz 20; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.09.2019 –
IX ZR 262/18, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2019, 1465, Rz 31). Im Streitfall ist dies erst am 12.11.2018, einem Montag, geschehen. Die am 11.12.2018 beim BFH eingegangene Revision wurde mithin innerhalb der mit Ablauf des 12.12.2018 endenden Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingelegt.
20
2. Danach kommt es auf die von der Klägerin hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht an.
21
II. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat zu Recht dahin erkannt, dass die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 15.12.2011 mit Bescheid vom 08.08.2012 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016) rechtmäßig ist.
22
1. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann gemäß § 130 Abs. 1 AO, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
23
a) Die Gestattung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG a.F. (seit dem 01.01.2012: § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG), die Steuer nicht nach den vereinbarten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen, ist ein Verwaltungsakt, auf den § 130 Abs. 1 AO anwendbar ist (vgl. z.B. Bunjes/Korn, UStG, 19. Aufl., § 20 Rz 30; Frye in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 213; Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 191; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 20 Rz 80).
24
b) Rechtswidrig i.S. des § 130 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt, wenn bei seinem Erlass von einem tatsächlich nicht gegebenen Sachverhalt ausgegangen oder das im Zeitpunkt seines Erlasses geltende Recht unrichtig angewandt worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.12.2008 – VII R 43/07,
BFHE 223, 344,
BStBl II 2009, 344, unter II.1., Rz 12, m.w.N.).
25
2. Die Gestattung der Ist-Besteuerung mit Bescheid des FA vom 15.12.2011 war rechtswidrig; die Voraussetzungen für eine Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG a.F. waren nach der im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 bestehenden Sach- und Rechtslage (z.B. BFH-Urteil vom 10.03.2016 – III R 2/15,
BFHE 253, 12,
BStBl II 2016, 508, Rz 21) von Anfang an nicht gegeben.
26
a) Das FA kann nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Antrag gestatten, dass der Unternehmer die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnen darf (Ist-Besteuerung), wenn dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 € (seit dem 01.01.2020: 600.000 €) betragen hat.
27
aa) Unionsrechtlich beruht § 20 UStG auf Art. 66 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Mitgliedstaaten können danach regeln, dass -abweichend von Art. 63 MwStSystRL, wonach Steuertatbestand und Steueranspruch grundsätzlich zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird- der Steueranspruch für “bestimmte Umsätze” oder für “Gruppen von Steuerpflichtigen” entweder spätestens bei der Ausstellung der Rechnung entsteht oder spätestens bei der Vereinnahmung des Preises.
28
Von diesem Wahlrecht hat der nationale Gesetzgeber mit § 20 UStG nur teilweise Gebrauch gemacht. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 20 Satz 1 UStG richtet sich nur nach der Vereinnahmung des Entgelts und nicht nach der Ausstellung der Rechnung. Auch sind nur Gruppen von Steuerpflichtigen erfasst, nämlich die in § 20 Satz 1 UStG näher bezeichneten Unternehmer. Die nationale Regelung der Ist-Besteuerung in § 20 UStG entspricht jedoch den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. BFH-Urteil vom 22.07.2010 – V R 4/09,
BFHE 231, 260,
BStBl II 2013, 590, Rz 31 ff. – wenn auch zu Art. 10 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -Richtlinie 77/388/EWG- und in Bezug auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F.; z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 28; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 40.3; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG § 20 Rz 6; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 1184).
29
bb) Gesamtumsatz ist gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich bestimmter den Streitfall nicht betreffender steuerfreier Umsätze. Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG oder § 20 UStG), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 UStG). Hat der Unternehmer -wie hier die Klägerin- seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeführt, ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresumsatz umzurechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 UStG). Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt (§ 19 Abs. 3 Satz 4 UStG).
30
cc) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass es nicht auf die Verhältnisse des vorangegangenen, sondern auf die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Kalenderjahres ankommt, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst in diesem Jahr aufgenommen hat.
31
(1) § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG stellt im Hinblick auf die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auf den Gesamtumsatz i.S. des § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr ab. Der Fall, dass die unternehmerische Tätigkeit erstmals im Laufe eines Jahres aufgenommen wird, ist gesetzlich nicht geregelt; weder § 20 UStG noch § 19 Abs. 3 UStG verhalten sich dazu. Im Jahr der erstmaligen Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt kein Vorjahresumsatz vor, so dass -was ständiger Rechtspraxis entspricht und allgemein anerkannt ist (vgl. z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92)- für die Umsatzgrenze auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des laufenden Jahres abzustellen ist. Für das Jahr der Neugründung kommt es mithin darauf an, welche Umsätze der Unternehmer voraussichtlich erzielen wird (vgl. ebenso FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 13.01.2004 – 1 K 3045/02, EFG 2004, 857, Rz 16; einhellige Meinung in der Literatur, vgl. z.B. Bunjes/Korn, a.a.O., § 20 Rz 12; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 159; Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 34; BeckOK UStG/Müller, 26. Ed. [05.10.2020], § 20 Rz 49; Friedrich-Vache in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 20 Rz 11; Stadie, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., § 20 Rz 12; Fritsch in Fritsch/Huschens/Koisiak/Langer, UStG – eKommentar, Fassung vom 01.01.2020, § 20 Rz 6; Henseler in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 13; Mrosek in Wäger, UStG, 1. Aufl., § 20 Rz 18; Lippross, a.a.O., S. 1185). Dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung (vgl. Abschn. 20.1 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) sowie der Regelung für die Sondervorauszahlung bei Dauerfristverlängerung in Neugründungsfällen nach § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG i.V.m. § 47 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) und der hinsichtlich der Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 zeitlich befristeten Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zur Abgabe monatlicher Voranmeldungen im Jahr der Gründung und im Folgejahr. Außerdem gilt für die Besteuerung von Kleinunternehmern (§ 19 UStG) im Hinblick auf den gleichfalls gesetzlich nicht geregelten Fall, dass der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu aufnimmt, nichts anderes (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1984 –
V R 170/83,
BFHE 142, 316,
BStBl II 1985, 142; BFH-Beschlüsse vom 18.10.2007 –
V B 164/06,
BFHE 219, 400,
BStBl II 2008, 263, unter II.2.b, Rz 18; vom 02.04.2009 –
V B 15/08,
BFH/NV 2009, 1284, unter II.3.b, Rz 13). Abweichendes ist auch Art. 66 MwStSystRL nicht zu entnehmen.
32
(2) Der Senat folgt nicht der mit der Revision vorgetragenen Rechtsmeinung, dass bei jeder Unternehmensneugründung im Erstjahr stets die Voraussetzung für eine Ist-Besteuerung hinsichtlich der nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG definierten Umsatzgrenze erfüllt wäre. Zwar trifft es zu, dass ein neugegründeter Betrieb hinsichtlich der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt ist, ohne dass es insoweit auf die Größenmerkmale i.S. des § 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG ankäme, die der begünstigte Betrieb zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht überschritten haben darf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.07.1999 – I R 57/98,
BFHE 190, 103,
BStBl II 2001, 127, unter B.I.; s.a. Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 78; Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 7g Rz 72). Dies ist auf § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG jedoch nicht entsprechend zu übertragen. Diese Regelung soll “kleineren” Unternehmern Erleichterungen bei der Organisation ihrer Buchführung und finanzielle Vorteile durch Entrichtung der Steuer erst bei Zufluss der Entgelte bringen (vgl. z.B. Bunjes/Korn, a.a.O., § 20 Rz 9). Unternehmer, die bereits im Stadium der Neugründung des Unternehmens die betreffende Umsatzgrenze überschreiten, bedürfen dieser Erleichterungen indes nicht.
33
(3) Danach ist es bei Neugründungen im Hinblick auf § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlich, den Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) bis zum 31.12. des Erstjahres -im Streitfall mithin bis zum 31.12.2011- zu schätzen und diesen voraussichtlichen Gesamtumsatz entsprechend § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG auf einen für das ganze Jahr prognostizierten Gesamtumsatz hochzurechnen.
34
dd) Ferner hat das FG zu Recht dahin erkannt, dass in diesem Rahmen die Umsätze des Erstjahres nach den Grundsätzen der Soll-Besteuerung zu schätzen sind.
35
(1) Das FG hat sich mit der Vorentscheidung sowie mit seinem Urteil in einem Parallelverfahren vom gleichen Tag (14 K 2379/16, juris) der vom FG des Landes Brandenburg vertretenen Auffassung (Urteil in EFG 2004, 857), dass bei Neugründungen die voraussichtlichen Umsätze nach der Soll-Besteuerung zu bestimmen sind, angeschlossen. Dem stimmt ein Teil der Literatur zu (vgl. z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92; BeckOK UStG/Müller, a.a.O., § 20 Rz 49; ablehnend aber z.B. Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 161; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, § 20 UStG Rz 11; Stadie, a.a.O., § 20 Rz 12; Radeisen in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 20 Rz 54; Lippross, a.a.O., S. 1185).
36
(2) Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG, der von § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG in Bezug genommen wird, ist der maßgebliche Gesamtumsatz nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Die Grundsätze der Ist-Besteuerung finden bei der Ermittlung des maßgeblichen Gesamtumsatzes nur in den Fällen der Anzahlung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) und bei bereits erteilter Gestattung gemäß § 20 UStG Anwendung. Letztere liegt aber -wie das FG zu Recht erkannt hat- bei einem Antrag auf Ist-Besteuerung gerade noch nicht vor. Die Bedeutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG für einen regelbesteuerten Unternehmer erschöpft sich darin, ob er die ihm bisher genehmigte Besteuerungsart der Ist-Besteuerung weiterführen darf. Für eine Neugründung -wie hier- ist diese Vorschrift dagegen bedeutungslos – die Ist-Besteuerung findet erst dann Anwendung, wenn sie das FA durch die ihm obliegende Ermessensentscheidung genehmigt hat. Anderenfalls hätte es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, die für ihn im Einzelfall günstigere Form der Ist-Besteuerung durch faktische Ausübung herbeizuführen und damit die Genehmigungspflicht des § 20 UStG zu unterlaufen (vgl. FG des Landes Brandenburg, Urteil in EFG 2004, 857). Insoweit ist auch der unionsrechtlichen Grundlage (Art. 66 MwStSystRL) nichts zu entnehmen, das diesem Ergebnis entgegenstehen könnte.
37
(3) Eine (nicht gewollte) Benachteiligung von Unternehmern bei Unternehmensneugründungen gegenüber solchen Unternehmern, die ihr Unternehmen bereits im Vorjahr betrieben haben (so Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 161), liegt darin nicht. Denn auch bei Letzteren ist bei einem Antrag auf Ist-Besteuerung der Gesamtumsatz grundsätzlich nach der Soll-Besteuerung zu berechnen. Beide Fälle unterscheiden sich nur dadurch, dass es bei dem Neugründer -da es ein “Vorjahr” seiner unternehmerischen Tätigkeit nicht gibt- auf die Verhältnisse des laufenden Jahres ankommt. Anderenfalls würde die mögliche Rechtsfolge der Ist-Besteuerung bereits bei der Prüfung ihrer Voraussetzungen berücksichtigt, was systematisch jedoch unzutreffend ist (a.A. Radeisen in Schwarz/Widmann/Radeisen, a.a.O., § 20 Rz 54).
38
ee) Danach war für das Jahr 2011 nach der im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 bestehenden Sach- und Rechtslage ein höherer Gesamtumsatz i.S. des § 20 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 19 Abs. 3 UStG als 500.000 € zu erwarten.
39
(1) Nach den für den Senat i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG, gegen die zulässige und begründete Rügen nicht vorgebracht sind, war als spätester Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage der 31.12.2011 vertraglich festgelegt. Bereits für die erste Teilleistung, die Montage der Module auf den Modultischen, war ein Entgelt in Höhe von (netto) 450.000 € vereinbart, das A am 19.12.2011 zzgl. 85.500 € Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde. Zu Recht hat das FG erkannt, dass für die anzustellende Prognose allein die konkrete unternehmerische Planung hinsichtlich des laufenden Erstjahres entscheidend ist. Daher ist es ohne Belang, ob die von der Klägerin abgerechnete Leistung bereits am 15.12.2011 ausgeführt wurde, welchen Betrag die Klägerin unter dem 19.12.2011 in Rechnung gestellt und A am 21.12.2011 tatsächlich gezahlt hat. Es ist jedenfalls von einem voraussichtlichen Umsatz von September bis Dezember 2011 mit einer Bemessungsgrundlage in Höhe von (netto) 450.000 € auszugehen, so dass der auf das Gesamtjahr hochgerechnete maßgebliche Gesamtumsatz 1.350.000 € beträgt.
40
(2) Es bedarf keiner Entscheidung dazu, ob bereits im Rahmen der nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Prognose über den Gesamtumsatz des Gründungsjahres zu berücksichtigen ist, dass der Unternehmer -wie hier die Klägerin im Hinblick auf die im Vertrag vom 15.11.2011 getroffene Fälligkeitsabrede- möglicherweise berechtigt ist, den für dieses Jahr geschuldeten Betrag der nach vereinbarten Entgelten berechneten Steuer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Die den Grundsätzen der Soll-Besteuerung folgende Schätzung der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i.S. des § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG, die er im Jahr der Neugründung voraussichtlich erzielt hätte, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht nur in einem Teil dieses Jahres ausgeübt worden wäre, beinhaltet jedenfalls keine vorweggenommene inzidente Prüfung der Steuerfestsetzung des Erstjahres; die für dieses Jahr voraussichtlich festzusetzende Steuer ist für die Gestattung i.S. des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG, ob der Unternehmer die Steuer nach den vereinnahmten Entgelten berechnen darf, nicht vorgreiflich.
41
Im Streitfall hatte das FA im Rahmen der nach § 130 Abs. 1, § 130 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AO zu treffenden Ermessensentscheidung über die rückwirkende Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung im Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 nicht davon ausgehen müssen, dass im Falle der Vergütung der Leistung in Raten die Entgeltansprüche unmittelbar nach Leistungserbringung uneinbringlich geworden sein könnten. Denn die § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG betreffende Frage, ob die Mitgliedstaaten berechtigt sind, bereits für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer Berichtigung nach Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen, wenn der Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels Fälligkeit erst nach über zwei Jahren nach Eintritt des Steuertatbestands vereinnahmen kann, wurde erst im Rahmen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss des V. Senats des BFH vom 21.06.2017 – V R 51/16 (
BFHE 258, 505, Rz 69 ff.) aufgeworfen. Sie ist im Übrigen bis heute noch nicht abschließend geklärt (zur erneuten EuGH-Vorlage vgl. BFH-Beschluss vom 07.05.2020 – V R 16/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2020, 1029).
42
Soweit der BFH bereits mit Urteil vom 24.10.2013 – V R 31/12 (
BFHE 243, 451,
BStBl II 2015, 674, Leitsatz) entschieden hat, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt ist, betrifft dies einen anderen Sachverhalt.
43
(3) Das FA hatte bei der zu treffenden Entscheidung über die rückwirkende Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung ferner ebenso wenig zu berücksichtigen, dass die Steuer bei der Berechnung nach vereinbarten Entgelten bei ratenweiser Vergütung im Lichte des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL möglicherweise abweichend von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 UStG nicht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen oder Teilleistungen ausgeführt worden sind, entstanden sein könnte, sondern erst mit Ablauf des Zeitraums, auf den sich die geleisteten Zahlungen beziehen (vgl. EuGH-Urteil baumgarten sports & more vom 29.11.2018 – C-548/17, EU:C:2018:970, Rz 30 f.; BFH-Urteil vom 26.06.2019 –
V R 8/19 (
V R 51/16), BFHE 265, 544, Rz 17). Denn da § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, die Legaldefinition der Teilleistung, nicht unionsrechtskonform auslegbar ist, setzt die Anwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL (vormals Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) voraus, dass der Steuerpflichtige sich auf die Vorschrift beruft (vgl. BFH-Urteile in BFHE 265, 544, Rz 16; vom 22.08.2019 –
V R 47/17,
BFHE 266, 407, Rz 24, noch zu Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Das aber hatte die Klägerin -soweit bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG überhaupt relevant- nicht getan.
44
b) Ferner kommt im Streitfall die Gestattung der Ist-Besteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 2 UStG oder § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG nicht in Betracht. Insbesondere hat die Klägerin mit Blick auf § 20 Satz 1 Nr. 2 UStG -wie das FG für den Senat bindend i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellt hat- keine Befreiung nach § 148 AO erhalten.
45
3. Ein begünstigender Verwaltungsakt darf nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO, der die nach § 130 Abs. 1 AO eröffnete Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit einschränkt, zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
46
a) Ein Verwaltungsakt, der -wie die Gestattung der Ist-Besteuerung- ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf u.a. nur dann zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO).
47
Dabei müssen die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder unvollständig sein; auf ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln kommt es nicht an. Allerdings muss anzunehmen sein, dass das FA bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts den begünstigenden Verwaltungsakt nicht bzw. so nicht erlassen hätte. Deshalb müssen die unrichtigen oder unvollständigen Angaben für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts von entscheidungserheblicher Bedeutung sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.07.1994 – I R 95/93,
BFH/NV 1995, 935, unter II.1.; vom 02.08.2006 –
XI R 57/04,
BFH/NV 2007, 858, unter II.3.a; vom 22.08.2006 –
I R 42/05,
BFH/NV 2007, 404, unter II.2.c bb; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 130 Rz 46; Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz 28 ff.; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 130 AO Rz 69; jeweils m.w.N.).
48
b) Im Streitfall war die Angabe, dass die geschätzte Summe der Umsätze für das Jahr der Betriebseröffnung 30.000 € betrage, unzutreffend. Hierfür gab es, wie das FG aufgrund der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen festgestellt hat, keine Grundlage. Diese Angabe war für die Gestattung auch ursächlich, weil das FA die Gestattung bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts nicht erteilt hätte. Dies ergibt sich aus dem Hinweis des FA in seinem Bescheid vom 15.12.2011, dass es davon ausgehe, dass der Gesamtumsatz von 500.000 € im Jahr 2011 nicht überschritten werde.
49
c) Es ist ohne Belang, dass das FA die Rücknahme in seiner Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 -anders als noch im Bescheid über die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 08.08.2012- allein auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO gestützt und das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO offen gelassen hat.
50
aa) Die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 AO (“kann”) eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO).
51
bb) § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO enthält -wie auch § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 26.06.2007 – VII R 35/06,
BFHE 218, 10,
BStBl II 2007, 742, unter II.4.)- jedoch ermessenslenkende Vorgaben (sog. intendiertes Ermessen). Sie “intendiert” die Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts dann, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.2009 –
VII R 51/08,
BFHE 227, 327,
BStBl II 2010, 382, Rz 30; von Wedelstädt in Gosch, AO § 130 Rz 89; s.a. Wernsmann in HHSp, § 130 AO Rz 58; Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz 39; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz 28). In diesem Fall ist die Rücknahme die nicht begründungsbedürftige Rechtsfolge des § 130 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO; eine abwägende Stellungnahme des FA zur Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist insoweit nicht erforderlich (zu § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO vgl. BFH-Urteil in
BFHE 218, 10,
BStBl II 2007, 742, unter II.4.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz 28).
52
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Leitsatz
- Als Zeiträume, für die eine steuerbegünstigte Verwendung eines Kraftomnibusses i. S. des § 3 Nr. 6 KraftStG zu prüfen ist (Prüfungszeiträume), kommen (nur) diejenigen in Betracht, die bei Steuerpflicht als Entrichtungszeiträume nach § 11 KraftStG zulässig wären.
- Eine steuerbegünstigte Verwendung i. S. des § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG setzt voraus, dass der Kraftomnibus während des maßgeblichen Prüfungszeitraums tatsächlich im Linienverkehr genutzt wird.
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 14.05.2018 – 3 K 1322/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht des Saarlandes zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Gründe:
I.
1
Es ist streitig, ob ein Kraftomnibus nach § 3 Nr. 6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) von der Steuer befreit ist.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Omnibusreiseverkehrsunternehmen und ist seit dem 03.04.2007 Halterin des Kraftomnibusses mit dem amtlichen Kennzeichen …3 (nachfolgend auch Kraftomnibus …3). Das Fahrzeug wurde ausschließlich im Linienverkehr eingesetzt. Dementsprechend war das Halten des Fahrzeugs seit dem 03.04.2007 von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Zum 11.05.2016 wurde das Fahrzeug abgemeldet. Im Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 20.05.2016 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt -HZA-) die Steuer für den Zeitraum vom 03.04.2016 bis zum 11.05.2016 zunächst unter Anwendung des § 3 Nr. 6 KraftStG in Höhe von 0 € fest. Das HZA forderte die Klägerin im Juni 2016 auf, einen Nachweis darüber einzureichen, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 6 KraftStG bis zur Abmeldung des Kraftomnibusses …3 vorlagen. Die Klägerin teilte dem HZA mit, dass das Fahrzeug im Jahr 2016 nicht bewegt worden sei und sich daher der Kilometerstand nicht verändert habe. Daraufhin erließ das HZA am 26.07.2016 einen nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG geänderten Kraftfahrzeugsteuerbescheid. In diesem Bescheid wurde die Steuer für die Zeit vom 03.04.2013 bis zum 31.12.2015 auf 0 €, für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 11.05.2016 auf 481 € festgesetzt. Den gegen die Steuerfestsetzung in Höhe von 481 € für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 11.05.2016 eingelegten Einspruch wies das HZA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 21.09.2016).
3
Mit der hiergegen erhobenen Klage wandte sich die Klägerin weiterhin gegen die Steuerfestsetzung in Höhe von 481 €. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit Urteil vom 14.05.2018 – 3 K 1322/16, dass das HZA zu Unrecht die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 KraftStG versagt habe. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass ein Kraftomnibus im Linienverkehr auch dann verwendet werde, wenn das Fahrzeug -wie im Streitfall- als Ersatz für ausfallende Linienfahrzeuge gehalten, jedoch mangels Ausfällen nicht eingesetzt werde. Ob der Kraftomnibus …3 einsatzfähig gewesen sei, sei für die Anwendung des § 3 Nr. 6 KraftStG unerheblich. Entgegen der Auffassung des HZA komme es für die Frage, ob ein Kraftomnibus zu mehr als 50 % der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet werde, nicht auf die Fahrleistung in dem nach § 11 KraftStG zu bestimmenden Entrichtungszeitraum an. Es sei vielmehr auf die gesamte Fahrleistung im gesamten Einsatzzeitraum abzustellen.
4
Hiergegen richtet sich die Revision des HZA, mit der es eine Verletzung des § 3 Nr. 6 und des § 11 KraftStG sowie des § 7 Abs. 2 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) rügt.
5
Das HZA beantragt,
das Urteil des FG des Saarlandes vom 14.05.2018 – 3 K 1322/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II.
7
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FG hat die angefochtene Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 11.05.2016 zu Unrecht insgesamt aufgehoben (dazu unter II.1.). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend über die Klage entscheiden (dazu unter II.2.).
8
1. Nach § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG ist von der Steuer befreit das Halten von Kraftomnibussen und PKW mit acht oder neun Sitzplätzen einschließlich Führersitz sowie von Kraftfahrzeuganhängern, die hinter diesen Fahrzeugen mitgeführt werden, wenn das Fahrzeug während des Zeitraums, für den die Steuer zu entrichten wäre, zu mehr als 50 % der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet wird. Die Verwendung des Fahrzeugs ist, ausgenommen bei Oberleitungsomnibussen, buchmäßig nachzuweisen (§ 3 Nr. 6 Satz 2 KraftStG).
9
Das FG hat diese Vorschrift in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft angewendet. Es hat seiner Entscheidung einen unzutreffenden Zeitraum für die Prüfung der Frage zugrunde gelegt, ob der Kraftomnibus begünstigt verwendet worden ist (dazu unter II.1.a). Zudem hat es das Merkmal, wonach der Kraftomnibus zu mehr als 50 % der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet werden muss, inhaltlich unzutreffend ausgelegt (dazu unter II.1.b).
10
a) Maßgeblicher Zeitraum für die Prüfung der Frage, ob ein Kraftomnibus begünstigt i.S. des § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG verwendet wurde, ist der Zeitraum, für den -bei Steuerpflicht dieses Fahrzeugs- die Steuer nach § 11 KraftStG zu entrichten wäre (“gedachter” Entrichtungszeitraum oder Prüfungszeitraum). Das FG hat insoweit zu Unrecht auf die gesamte Fahrleistung in der Zeit zwischen Anmeldung und Abmeldung des Kraftomnibusses (“Gesamtentrichtungszeitraum”) abgestellt.
11
aa) Der Wortlaut des § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG knüpft ausdrücklich an die Fahrleistung “während des Zeitraums, für den die Steuer zu entrichten wäre” an. Er lässt keinen Zweifel daran, dass als Prüfungszeiträume ausschließlich die in § 11 KraftStG geregelten Entrichtungszeiträume zugrunde zu legen sind (gleicher Ansicht Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3 Rz 65); einen “Gesamtentrichtungszeitraum” kennt § 3 Nr. 6 KraftStG nicht. Danach ist der Prüfung in Abhängigkeit von der Höhe der Jahressteuer ein jährlicher, halbjährlicher, vierteljährlicher (vgl. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 KraftStG) oder ein nach Tagen berechneter Zeitraum (vgl. § 11 Abs. 4 KraftStG) zugrunde zu legen. Folgerichtig bestimmt der auf den Streitfall (noch) anwendbare § 7 Abs. 2 KraftStDV 2002 (BGBl I 2002, 3856) -inhaltsgleich mit dem ab dem 20.07.2017 geltenden § 7 Abs. 6 KraftStDV 2017 (BGBl I 2017, 2374; vgl. § 17 KraftStDV 2017)-, dass als Zeitraum, für den jeweils eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 KraftStG beansprucht werden kann, jeder Zeitraum in Betracht kommt, der im Fall der Steuerpflicht als Entrichtungszeitraum zulässig wäre (vgl. auch Ziff. 7.7.4 Satz 1 der Dienstvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zur Anwendung des Kraftfahrzeugsteuerrechts vom 06.12.2018 – III B 5 – S 6010/16/10002:004 -DV-KraftSt-). Im Übrigen hat das HZA zu Recht darauf hingewiesen, dass mit der in § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG erfolgten Bezugnahme auf die periodischen Entrichtungszeiträume in regelmäßigen Zeitabständen Rechtssicherheit über das Eingreifen der Steuerbefreiung eintritt.
12
bb) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem vom FG zitierten rechtskräftigen Urteil des FG München vom 12.01.1978 – IV 66/77 Kraft (Entscheidungen der Finanzgerichte 1978, 405). Nach diesem Urteil war zwar für die Frage, ob ein Kraftomnibus im Linienverkehr verwendet wird, auf die Fahrleistung im gesamten Einsatzzeitraum abzustellen. Dieser Entscheidung lag aber noch das KraftStG vom 01.12.1972 (BGBl I 1972, 2210) zugrunde. Die Befreiungsvorschrift war damals in § 2 Nr. 5a KraftStG 1972 geregelt und hatte folgenden Wortlaut: “Von der Steuer befreit ist das Halten von Kraftomnibussen, die überwiegend im Linienverkehr verwendet werden.” Die jetzt in § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG enthaltene Textpassage, wonach “das Fahrzeug während des Zeitraums, für den die Steuer zu entrichten wäre, …” entsprechend verwendet werden muss, war noch nicht Gesetz. Es kann daher dahinstehen, ob sich der erkennende Senat unter Geltung des KraftStG 1972 der Auffassung des FG München hätte anschließen können. Jedenfalls steht nunmehr der klare Wortlaut des § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG der vom FG vertretenen Rechtsauffassung entgegen. Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits zu § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1961 (BGBl I 1961, 2), der noch eine Steuerermäßigung für überwiegend im Linienverkehr verwendete Kraftomnibusse vorsah, entschieden, dass für die Frage, ob eine solche Verwendung gegeben ist, auf die Verhältnisse in dem vom Steuerpflichtigen gewählten Entrichtungszeitraum abzustellen ist (BFH-Urteil vom 19.01.1966 –
II 58/63,
BFHE 85, 42,
BStBl III 1966, 227). Der BFH hat diese Meinung vertreten, obgleich die Frage der anzuwendenden Prüfungszeiträume noch nicht normiert war.
13
b) Entgegen der Auffassung des FG setzt die steuerbegünstigte Verwendung i.S. des § 3 Nr. 6 Satz 1 KraftStG voraus, dass der Kraftomnibus während des (gedachten) maßgeblichen Entrichtungszeitraums tatsächlich im Linienverkehr genutzt worden ist; es ist daher nicht ausreichend, wenn ein Kraftomnibus während des gesamten Entrichtungszeitraums nur als Ersatzfahrzeug vorgehalten wird. Wird die Nutzung des Kraftomnibusses während eines Entrichtungszeitraums eingestellt, lässt sich erst mit Ablauf dieses Prüfungszeitraums entscheiden, ob die Steuerbefreiung für den gesamten Entrichtungszeitraum zu gewähren oder zu versagen ist.
14
aa) Der Gesetzeswortlaut geht davon aus, dass ein Kraftomnibus nur dann für den steuerbegünstigten Zweck verwendet wird, wenn er tatsächlich im Linienverkehr genutzt, also tatsächlich zu diesem Zweck gefahren wird. Während die Steuerermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1961 und die Steuerbefreiungsvorschrift des § 2 Nr. 5a KraftStG 1972 (lediglich) vorausgesetzt haben, dass der Kraftomnibus überwiegend im Linienverkehr verwendet wird, ist seit dem Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 22.12.1978 (BGBl I 1978, 2063) die Gewährung der Steuerbefreiung insbesondere davon abhängig, dass der Kraftomnibus -wie im Gesetz explizit ausgeführt- zu mehr als 50 % der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet wird. Ohne tatsächliche Nutzung des Kraftomnibusses ist eine “gefahrene Strecke” nicht vorstellbar, so dass sich bei fehlender Fahrstrecke keine steuerbegünstigte Verwendung des Fahrzeugs feststellen lässt. Eine begünstigte Verwendung i.S. des § 3 Nr. 6 KraftStG setzt daher zwingend die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs voraus. Dieses Gesetzesverständnis wird auch durch die Regelung in § 3 Nr. 6 Satz 2 KraftStG bestätigt; denn ohne eine tatsächlich gefahrene Strecke ist ein buchmäßiger Nachweis der Verwendung nicht möglich. Eine steuerbegünstigte Verwendung ist daher nicht gegeben, wenn ein Kraftomnibus während des gesamten Entrichtungszeitraums nur als Ersatzfahrzeug vorgehalten wird.
15
Dem steht nicht entgegen, dass der Einleitungssatz des § 3 KraftStG von “Halten” spricht. Der Tatbestand des Haltens ist zwar bereits mit der Zulassung des Fahrzeugs zum Verkehr erfüllt, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auch tatsächlich im Straßenverkehr genutzt wird (z.B. BFH-Beschluss vom 20.04.2006 – VII B 332/05,
BFH/NV 2006, 1519, unter II.2.a; BFH-Urteil vom 18.04.2012 –
II R 32/10,
BFHE 240, 413,
BStBl II 2013, 516, Rz 18). Das Halten begründet zunächst aber nur die Steuerpflicht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Hieraus lässt sich nicht der Rückschluss ziehen, dass auch bereits das Halten dem Grunde nach steuerbegünstigter Fahrzeuge für das Eingreifen eines Befreiungstatbestands ausreichend ist. Vielmehr müssen die in der jeweiligen Befreiungsvorschrift normierten Voraussetzungen gegeben sein. Nach dem hier in Betracht kommenden § 3 Nr. 6 KraftStG reicht das Halten gerade nicht aus, sondern es muss eine “gefahrene Strecke” gegeben sein, die ohne tatsächliche Nutzung des Kraftomnibusses nicht vorliegen kann.
16
bb) Wird die Nutzung eines Kraftomnibusses während eines Entrichtungszeitraums eingestellt, lässt sich erst mit dessen Ablauf entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 6 KraftStG während dieses Zeitraums vorgelegen haben. Das Gesetz spricht davon, dass das Fahrzeug “während des Zeitraums, für den die Steuer zu entrichten wäre, … verwendet wird”. Dies bedeutet, dass auch eine geringe tatsächliche Nutzung des Kraftomnibusses während des Entrichtungszeitraums eine steuerbegünstigte Verwendung i.S. des § 3 Nr. 6 KraftStG begründen kann. Liegt eine steuerbegünstigte Verwendung vor, ist die Steuerbefreiung für den gesamten Entrichtungszeitraum zu gewähren; fehlt es an einer steuerbegünstigten Verwendung, ist die Steuerbefreiung für den gesamten Entrichtungszeitraum zu versagen. Die Gründe, weshalb der Kraftomnibus ggf. nicht während eines gesamten Entrichtungszeitraums eingesetzt wurde, sind unerheblich.
17
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat -von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig- keine Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen, welcher (gedachte) Entrichtungszeitraum (Prüfungszeitraum) der Prüfung des § 3 Nr. 6 KraftStG zugrunde zu legen ist.
18
Mit Blick auf die Höhe der Jahressteuer kommt ein jährlicher, halbjährlicher oder vierteljährlicher Prüfungszeitraum -beginnend mit dem Tag der Zulassung des Kraftomnibusses am 03.04.2007 (vgl. Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3 Rz 65)- in Betracht (vgl. § 7 Abs. 2 KraftStDV 2002). Nach § 7 Abs. 2 KraftStDV 2002 i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KraftStG ist es aber auch möglich, für Zwecke der Anwendung des § 3 Nr. 6 KraftStG zum Erreichen von einheitlichen Entrichtungszeiträumen (Prüfungszeiträumen), die sich am Kalenderjahr orientieren, einen einheitlichen Fälligkeitstag (z.B. den 01.01.) für mehrere oder alle Fahrzeuge eines Halters festzulegen (vgl. Ziff. 7.7.4 Satz 5 DV-KraftSt).
19
a) Die Klage hätte teilweise Erfolg, wäre der Prüfung des § 3 Nr. 6 KraftStG als Prüfungszeitraum die Zeit vom 03.04.2015 bis zum 02.04.2016 zugrunde zu legen.
20
Im Streitfall liegt es nahe, dass die Verhältnisse dieses Zeitraums maßgeblich sind. So wurde in dem Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 20.05.2016 die Steuer für den Zeitraum vom 03.04.2016 bis zum 11.05.2016 unter Anwendung des § 3 Nr. 6 KraftStG auf 0 € festgesetzt. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin einen halb- oder vierteljährlichen Entrichtungszeitraum gewählt haben könnte. Im Übrigen geht auch Ziff. 7.7.4 Satz 2 DV-KraftSt davon aus, dass der Nachweis grundsätzlich für ein abgelaufenes Jahr zu führen ist.
21
aa) Hiervon ausgehend wäre das HZA nicht befugt gewesen, nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG eine Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 02.04.2016 (neu) festzusetzen; insoweit wäre die Klage erfolgreich.
22
Denn der Kraftomnibus …3 wäre nach den (bisherigen) Feststellungen des FG, wonach dieses Fahrzeug seit seiner Zulassung ausschließlich im Linienverkehr eingesetzt wurde, in dem Prüfungszeitraum vom 03.04.2015 bis zum 02.04.2016 zu mehr als 50 % der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet worden; hieran könnte die Standzeit vom 01.01.2016 bis zum 02.04.2016 nichts ändern. Es wäre auch unerheblich, aus welchen Gründen der Kraftomnibus während der Standzeit nicht gefahren wurde.
23
bb) Hingegen müsste die Klage für den Zeitraum vom 03.04.2016 bis zum 11.05.2016 als unbegründet abgewiesen werden, weil das HZA nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG berechtigt gewesen wäre, für diese Zeit die Steuer (neu) festzusetzen.
24
Es hätte am 03.04.2016 ein neuer Entrichtungszeitraum begonnen, der am 11.05.2016 geendet hätte (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KraftStG). Während dieses Entrichtungszeitraums wären die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung -auf Grundlage der Feststellungen des FG mangels tatsächlicher Nutzung des Kraftomnibusses- nicht gegeben (dazu oben II.1.b aa). Auf die weitere Frage, ob ein bloß vorgehaltener, aber tatsächlich nicht gefahrener Kraftomnibus nur bei dessen Einsatzfähigkeit begünstigt ist, käme es nicht mehr an. Danach wäre das Halten des Kraftomnibusses vom 03.04.2016 bis zum 11.05.2016 steuerpflichtig gewesen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid wäre entsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 FGO).
25
b) Käme der vom HZA zugrunde gelegte Prüfungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 11.05.2016 zur Anwendung, wäre die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
26
Die Anwendung dieses Zeitraums würde voraussetzen, dass im Streitfall zu einem früheren Zeitpunkt mit Einwilligung oder auf Antrag der Klägerin ein Rumpfjahr gebildet und ein zum 01.01. beginnender Prüfungszeitraum festgelegt worden ist (vgl. Ziff. 7.4.4 Satz 5 DV-KraftSt). Für diesen Fall hätte die Klage keinen Erfolg. Die obigen Darlegungen unter II.2.a bb wären entsprechend anzuwenden.
27
3. Dem FG wird im zweiten Rechtsgang Gelegenheit gegeben, die zur Bestimmung des maßgeblichen Prüfungszeitraums erforderlichen Feststellungen zu treffen.
28
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!BFH, Urteil IV R 16/18 vom 03.12.2020
Leitsatz
Ein Wirtschaftsgut des Investors wird auch dann noch i. S. des § 7g EStG in einer Betriebsstätte des Betriebs des Investors ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es in dem Betrieb eines Anderen ausschließlich als Werkzeug zur Herstellung von durch den Investor in Auftrag gegebenen Teilen eingesetzt und in der restlichen Zeit dort für den Investor lediglich verwahrt wird.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15.05.2018 – 3 K 74/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Streitig ist die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags und der Sonderabschreibungen nach § 7g des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre 2012 und 2013 geltenden Fassung (EStG) für sog. “Werkzeuge”.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG und stellt selbst Produkte her. Sie hat eine einzige Betriebsstätte, die im Inland liegt. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Betriebsvermögensvergleich.
3
Zur Herstellung von Bauteilen für ein neu entwickeltes Produkt benötigte die Klägerin im Streitjahr 2013 Spritzgussformen. Solche Spritzgussformen werden als “Werkzeuge” in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt. Die Klägerin beauftragte im Jahr 2013 ein darauf spezialisiertes Unternehmen, die Firma A, mit der Planung und Herstellung der entsprechenden Spritzgussformen (Werkzeuge) für 81.250 € netto. A sollte später auch die Kunststoffformteile -wie bei Kleinserien branchenüblich unter Zurverfügungstellung der benötigten Werkzeuge- nach Staffelpreisen liefern und deshalb die Werkzeuge im Besitz behalten. Die neuen Werkzeuge, Konstruktionszeichnungen und Datenblätter gingen nach Abnahme und Bezahlung in das Eigentum der Klägerin über.
4
A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y), der diese auftragsgemäß herstellte. Die neuen Werkzeuge blieben auch nach dem Eigentumserwerb durch die Klägerin zunächst bei Y. Später beauftragte die Klägerin im Einverständnis mit A die Firma B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. B beauftragte ihrerseits ein anderes italienisches Unternehmen (Z) mit der Produktion und Lieferung der bestellten Kunststoffformteile nach Deutschland. A und B veranlassten, dass Z dafür die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung standen und wiesen Y an, die Werkzeuge dorthin zu liefern. Nach Abschluss der ersten Produktion der Kunststoffformteile verblieben die zugelieferten Werkzeuge auf Wunsch der Klägerin im Lager der Z, um dort -wie es branchenüblich ist- für etwaige Folgeaufträge zur Verfügung zu stehen; die Werkzeuge durfte Z nicht anderweitig einsetzen. Die bestellten Kunststoffformteile wurden aus Italien über B an die Klägerin geliefert. Nach den zwischen der Klägerin und A abgeschlossenen Vereinbarungen müssen A bzw. deren Subunternehmen die Werkzeuge auf Verlangen der Klägerin auch ohne einen gerichtlichen Titel herausgeben.
5
Seither bestellt die Klägerin jährlich einmal die Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen und von dieser liefern lässt. Die Werkzeuge werden dafür für etwa eine Woche pro Jahr tatsächlich genutzt und in der übrigen Zeit bei Z für die Klägerin gelagert.
6
Die Klägerin berücksichtigte im Streitjahr 2012 für die anzuschaffenden Werkzeuge gewinnmindernd einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG in Höhe von 28.000 €. Nach der Anschaffung der Werkzeuge aktivierte sie die Werkzeuge als Anlagevermögen und nahm die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG sowie Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG vor.
7
Im Rahmen einer Außenprüfung wurde streitig, ob die Nutzungsvoraussetzungen nach § 7g EStG eingehalten wurden, da sich die Werkzeuge seit Jahren in Italien befanden. Der Betriebsprüfer vertrat die Ansicht, es liege eine unentgeltliche Überlassung der Werkzeuge an Z in Italien vor, so dass die erforderliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin nicht gegeben sei. Er machte im Streitjahr 2012 den Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 28.000 € und im Streitjahr 2013 die von der Klägerin nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG vorgenommene Hinzurechnung von 28.000 €, die nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG vorgenommene Herabsetzung der Anschaffungskosten von 28.000 € sowie die nach § 7g Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG vorgenommene Sonderabschreibung in Höhe von 10.650 € rückgängig. Dies hatte zur Folge, dass sich die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 1 EStG um einen Betrag von 1.167 € erhöhten. Im Ergebnis stieg dadurch der laufende Gesamthandsgewinn der Klägerin im Streitjahr 2012 um 28.000 € und im Streitjahr 2013 um (./. 28.000 + 28.000 + 10.650 ./. 1.167 =) 9.483 €.
8
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) folgte der Ansicht des Prüfers und erließ für die Streitjahre unter dem 22.03.2017 entsprechend geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide) und über den Gewerbesteuermessbetrag.
9
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens (Einspruchsentscheidung vom 23.02.2018) erhobenen Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2018 – 3 K 74/18 statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
10
Die streitigen Werkzeuge gehörten als abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen des Betriebs der Klägerin. Sie seien auch ausschließlich in der inländischen Betriebsstätte der Klägerin genutzt worden, da keine außerbetriebliche Nutzung erfolgt sei bzw. es bei funktionaler Betrachtung ausreiche, wenn das Wirtschaftsgut außerhalb der räumlichen Grenzen des Betriebs genutzt werde, aber -wie hier- die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut regelmäßig innerhalb kurzer Frist wiedererlangt werden könne und damit im Einflussbereich des Steuerpflichtigen verbleibe.
11
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 7g Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG.
12
Es beantragt,
das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
14
Die Revision des FA ist unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin die Werkzeuge i.S. des § 7g EStG “in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich betrieblich nutzt” und der von ihr im Streitjahr 2012 in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG und die im Streitjahr 2013 in Anspruch genommene Gewinnminderung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG sowie die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG nicht nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig zu machen sind.
15
1. Nach § 7g Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens unter den in § 7g Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG näher bezeichneten Voraussetzungen bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags ist u.a., dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG).
16
Nach § 7g Abs. 2 EStG ist im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts der für dieses Wirtschaftsgut in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzuzurechnen; die Hinzurechnung darf den nach § 7g Abs. 1 EStG abgezogenen Betrag nicht übersteigen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts können in dem in Satz 1 genannten Wirtschaftsjahr um bis zu 40 %, höchstens jedoch um die Hinzurechnung nach Satz 1, gewinnmindernd herabgesetzt werden; die Bemessungsgrundlage für die AfA, erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG verringern sich entsprechend.
17
Nach § 7g Abs. 5 EStG können bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 6 EStG u.a. im Jahr der Anschaffung oder Herstellung neben den AfA nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Sonderabschreibungen ist nach § 7g Abs. 6 EStG u.a., dass das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG).
18
Wird in den Fällen des § 7g Abs. 2 EStG das Wirtschaftsgut nicht bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt, sind der Abzug nach § 7g Abs. 1 EStG sowie die Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Verringerung der Bemessungsgrundlage und die Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 EStG rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 4 Satz 1 EStG). Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG am Ende).
19
Bei Personengesellschaften und Gemeinschaften sind nach § 7g Abs. 7 EStG die Absätze 1 bis 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft tritt.
20
2. Die hier allein streitige Nutzungsvoraussetzung (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2, Abs. 4 EStG) verlangt, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich nutzt.
21
a) Mit dieser Bestimmung soll eine dauerhafte zeitliche und räumliche Beziehung des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors sichergestellt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 28.02.2013 – III R 6/12, zu der ähnlichen Voraussetzung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Investitionszulagengesetzes -InvZulG- 2007, m.w.N.). Dementsprechend ist die (langfristige) Vermietung von Wirtschaftsgütern von der Begünstigung nach § 7g EStG grundsätzlich ausgeschlossen (so bereits BTDrucks 10/336 vom 02.09.1983, S. 25 f., zur ursprünglichen Fassung des § 7g EStG). Eine solche wird angenommen, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen für mehr als drei Monate entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird (so z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.11.2013 –
IV C 6 – S 2139 – b/07/10002,
BStBl I 2013, 1493, zu § 7g EStG, sowie die ständige Rechtsprechung zu ähnlichen zulagenrechtlichen Regelungen, z.B. BFH-Urteil vom 28.02.2013 –
III R 6/12, zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b InvZulG 2007, m.w.N.). Die einem anderen Betrieb überlassenen Wirtschaftsgüter sind danach nur bei einer kurzfristigen Überlassung von bis zu drei Monaten weiterhin dem Betrieb bzw. der Betriebsstätte des Investors zuzurechnen, weil dieser nach kurzer Zeit wieder über die überlassenen Wirtschaftsgüter tatsächlich verfügen kann. Bei langfristiger Überlassung verbleiben die Wirtschaftsgüter dagegen in dem Betrieb bzw. der Betriebsstätte des Nutzungsberechtigten (so die ständige Rechtsprechung zu ähnlichen zulagenrechtlichen Regelungen, z.B. BFH-Urteil vom 28.02.2013 –
III R 6/12, zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b InvZulG 2007, m.w.N.).
22
b) Nach Ansicht des erkennenden Senats liegt eine die Begünstigung des § 7g EStG ausschließende langfristige Nutzungsüberlassung allerdings nur vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur grundsätzlich eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird, wie dies typisch für die Überlassung eines Wirtschaftsguts im Rahmen eines Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses ist. Die mit der Voraussetzung einer Nutzung in einer Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen geforderte räumliche Bindung des Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors zeigt sich insbesondere darin, dass der Investor die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut hat oder -im Fall der kurzfristigen Nutzungsüberlassung- jedenfalls innerhalb kurzer Zeit wiedererlangt. Das Wirtschaftsgut bleibt damit im “Einflussbereich” des Steuerpflichtigen und behält dadurch die erforderliche räumliche Bindung zu seinem Betrieb. Das ist nicht mehr der Fall, wenn das Wirtschaftsgut langfristig an einen Anderen überlassen wird und dieser, wie im Fall eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags, das Wirtschaftsgut in dieser Zeit zu eigenen Zwecken nutzen und den Nutzungsüberlassenden von der Nutzung des Wirtschaftsguts und damit auch von der tatsächlichen Gewalt über das Wirtschaftsgut langfristig ausschließen kann. Bei langfristiger Überlassung verbleiben die Wirtschaftsgüter daher im Betrieb bzw. der Betriebsstätte des Nutzungsberechtigten, unabhängig davon, ob der Investor den Einsatz der überlassenen Wirtschaftsgüter z.B. durch bestimmte Weisungsmöglichkeiten, Zutritts- oder Kontrollbefugnisse beeinflussen kann (z.B. BFH-Urteile vom 30.06.2005 – III R 47/03,
BFHE 210, 538,
BStBl II 2006, 78; vom 03.08.2000 –
III R 76/97,
BFHE 194, 282,
BStBl II 2001, 446; vom 15.03.1991 –
III R 18/88,
BFH/NV 1991, 626, jeweils zum InvZulG).
23
Anders verhält es sich in einem Fall wie dem Streitfall. Auch wenn die Werkzeuge mehr als drei Monate bei Y bzw. Z verbleiben, sind Y und Z in dieser Zeit gerade nicht zu deren Nutzung zu eigenen Zwecken berechtigt. Sie dürfen die Werkzeuge ausschließlich für die Produktion der von der Klägerin in ihrem Betrieb benötigten Teile einsetzen. Eine anderweitige Nutzung der Werkzeuge ist ihnen vertraglich untersagt. Sie haben gegenüber der Klägerin auch kein Besitzrecht, sondern sind zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge auf deren Verlangen verpflichtet. Anders als im Fall einer langfristigen Nutzungsüberlassung aufgrund eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags (wie er dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 28.02.2013 – III R 6/12 zugrunde lag) hat die Klägerin jederzeit die Möglichkeit, die tatsächliche Gewalt über die Werkzeuge innerhalb kurzer Zeit wiederzuerlangen. Die Werkzeuge werden zwischen ihrem jeweiligen Einsatz von Y bzw. Z für die Klägerin lediglich verwahrt, um der Klägerin die Kosten und Risiken des jeweiligen Transports zu ersparen. Diese Umstände rechtfertigen es nach Ansicht des Senats, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Klägerin auszugehen. Insoweit ist der erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors funktional zu verstehen (wie hier im Ergebnis z.B. Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 47; Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 7g Rz 11 f.; Kratzsch in Frotscher/Geurts, EStG, Freiburg 2018, § 7g Rz 49; Bugge in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7g Rz E 16).
24
c) Entgegen der Auffassung des FA wurden die Werkzeuge i.S. des § 7g EStG auch ausschließlich betrieblich von der Klägerin genutzt. Selbst wenn die Werkzeuge in die jeweiligen Spritzgussmaschinen von Y bzw. Z eingesetzt wurden, um damit die für die Klägerin hergestellten Formteile zu produzieren, liegt darin keine die betriebliche Nutzung durch die Klägerin ausschließende betriebliche Nutzung der Werkzeuge durch Y bzw. Z. Nach den Feststellungen des FG produzieren Y und Z wie für die Klägerin auch für viele andere Auftraggeber Produkte, für die der jeweilige Auftraggeber die entsprechenden Werkzeuge zur Verfügung zu stellen hat. Wie das FG zutreffend ausführt, erlangen Y und Z kein Entgelt aus dem Einsatz der Werkzeuge, sondern nur aus dem Spritzvorgang unter Nutzung der eigenen Spritzgussmaschine und des eingesetzten Materials. Die durch die Werkzeuge der Klägerin erfolgende Wertschöpfung wird allein in ihrem Betrieb, nicht in dem von Y bzw. Z erfasst. Letztlich besteht die betriebliche Tätigkeit dieser Unternehmen daher nicht in der Herstellung bestimmter Produkte, sondern in der Durchführung des Spritzvorgangs. Die von der Klägerin hierfür zur Verfügung zu stellenden Werkzeuge sind dabei für den Betrieb von Y bzw. Z von untergeordneter, für den Betrieb der Klägerin hingegen von entscheidender Bedeutung. Dies rechtfertigt es, in Fällen wie dem Streitfall von einer betrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts durch den Investor -hier: durch die Klägerin- auszugehen.
25
d) Da es sich, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, bei den in Italien belegenen Betrieben von Y bzw. Z nicht um (ausländische) Betriebsstätten der Klägerin handelt, hat die Klägerin die Werkzeuge, für die sie einen Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibungen in Anspruch genommen hat, danach i.S. des § 7g EStG in einer inländischen Betriebsstätte ihres Betriebs ausschließlich betrieblich genutzt. Zwischen den Beteiligten ist auch die Höhe der von der Klägerin begehrten Begünstigungen nach § 7g EStG zu Recht nicht in Streit.
26
3. Ausgehend von den dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das FG der Klage der Klägerin danach zu Recht stattgegeben. Dabei legt der Senat den hinsichtlich des Streitjahres 2013 missverständlichen Tenor des angegriffenen Urteils dahin aus, dass der Klägerin dadurch nicht mehr zugesprochen wurde, als von ihr für dieses Jahr (zu Recht) begehrt. Die Klägerin hatte in ihrem Schriftsatz vom 27.03.2018 ausgeführt, sie beantrage, “unter Berücksichtigung der Sonderabschreibung für das Spritzgusswerkzeug den Gewinn für 2013 um 9.483,00 € niedriger und den Gewerbesteuermessbetrag um 333,00 € niedriger festzusetzen”. Das FG, das über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden hat, hat diesen schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin dahin umformuliert, dass die Klägerin für 2013 “sinngemäß” beantrage, den “Gewinn … um 37.483 €” zu mindern, und hat seinen stattgebenden Tenor entsprechend gefasst. Zugleich hat es allerdings dem FA aufgegeben, den Gewerbesteuermessbetrag und die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen. Aus diesen ergibt sich eindeutig, dass lediglich die nach Durchführung der Außenprüfung erfolgten Änderungen hinsichtlich § 7g EStG rückgängig gemacht werden sollten. Diese umfassten auch, den nach § 7g Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG erfolgten außerbilanziellen Abzug von 28.000 € wieder (gewinnerhöhend) rückgängig zu machen.
27
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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... weiterlesen!BFH, Urteil VI R 39/18 vom 07.07.2020
Leitsatz
- Wer Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft i. S. von § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG ist, bestimmt sich nicht nach bewertungsrechtlichen, sondern nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen.
- Landwirtsehegatten, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben, betreiben auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Form einer Mitunternehmerschaft. Die Beteiligung dieser Mitunternehmerschaft an einer Gesellschaft zur gemeinschaftlichen Tierhaltung i. S. des § 51a BewG erfordert die (mitunternehmerische) Beteiligung beider Ehegatten an der Tierhaltungsgesellschaft.
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.09.2018 – 10 K 2662/14 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die mit Gesellschaftsvertrag zum 15.10.2011 auf unbestimmte Zeit gegründet wurde. Sie wurde während des Revisionsverfahrens aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation. Zum alleinigen Liquidator wurde A bestellt.
2
A war Komplementär mit einem Gewinnanteil von 99 %, Kommanditist mit einem Gewinnanteil von 1 % war B. Zweck der Gesellschaft, die ihren Sitz unter der Anschrift X hatte, war gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrags die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Ferkelaufzucht nach § 51a des Bewertungsgesetzes (BewG). Hierzu übertrug A der Klägerin 70 Vieheinheiten, B übertrug ihr 530 Vieheinheiten. Die zur Bewirtschaftung des Unternehmens erforderliche Arbeitszeit sollte A leisten.
3
B ist seit 1974 mit C verheiratet. Die Ehegatten schlossen 1976 einen notariell beurkundeten Ehevertrag, mit dem sie Gütergemeinschaft vereinbarten. Die Verwaltung des Gesamtgutes sollte durch beide Ehegatten gemeinsam erfolgen; Sonder- oder Vorbehaltsgut wurde nicht gebildet.
4
Bei Abschluss des Ehevertrags gehörte B ein landwirtschaftlicher Hof in Y, der durch die vorgenannte Vereinbarung Gesamtgut wurde. Zudem erwarben die Ehegatten in der Folgezeit weitere landwirtschaftliche Flächen, und zwar sowohl gemeinsam (u.a. die Hofstelle X) als auch allein durch B. Weitere Flächen wurden hinzugepachtet. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde nach Aktenlage allein von B betrieben, der seit 1970 Mitglied der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ist. C ist ebenfalls bei der SVLFG versichert. Ausweislich des Versicherungsverlaufs wurden ihr von 1974 bis 1994 fiktive Beitragszeiten als Landwirt/Ehegatte angerechnet, von Januar 1995 bis Juni 1998 war sie pflichtversichert. Ab Juli 1998 bezog sie eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 44 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), die ab Dezember 2012 auf eine Regelaltersrente umgestellt wurde.
5
Im Juni 1998 sowie am 01.07.2011 vereinbarten die Ehegatten, dass C ihren Miteigentumsanteil an allen landwirtschaftlichen Eigentumsflächen des landwirtschaftlichen Betriebs X bzw. ihren Anteil an allen insoweit zugepachteten Flächen ihrem Ehemann B unentgeltlich zur Nutzung überließ. Die Vereinbarungen wurden nicht notariell beurkundet.
6
Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden in früherer Zeit alleine B zugerechnet. Nach einer im Jahr 2011 durchgeführten Außenprüfung betreffend die Jahre 2005 bis 2008 wurden die Einkünfte für B und C gesondert und einheitlich festgestellt.
7
Für das Rumpfwirtschaftsjahr 15.10.2011 bis 30.06.2012 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 21.960,81 €, für das Wirtschaftsjahr 01.07.2012 bis 30.06.2013 solche in Höhe von 22.536,29 €.
8
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) verneinte das Vorliegen einer Gesellschaft i.S. des § 51a BewG und qualifizierte die der Höhe nach unstreitigen Gewinne in solche aus Gewerbebetrieb um. Mit Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2011 zuletzt vom 30.08.2018 stellte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0,00 € fest. Für das Streitjahr 2012 stellte das FA zuletzt durch Feststellungsbescheid vom 23.01.2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.982,01 € fest.
9
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1979 veröffentlichten Gründen ab.
10
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
11
Sie beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 22.07.2014 aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2011 vom 30.08.2018 und für 2012 vom 23.01.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte als solche aus Land- und Forstwirtschaft für 2011 in Höhe von 21.960,81 € und für 2012 in Höhe von 22.536,29 € festgestellt werden.
12
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
13
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin in den Streitjahren keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, sondern solche aus Gewerbebetrieb erzielt hat.
14
1. Zu Recht ist das FG zunächst (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheide beschwert ist. Denn die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart stellt eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO dar. Dabei ist nicht zu ermitteln, wie sich die Einkommensteuer der Mitunternehmer durch die begehrte Änderung der Einkunftsart gestalten würde (Senatsurteil vom 03.07.2019 – VI R 49/16,
BFHE 266, 43,
BStBl II 2020, 86, Rz 18, m.w.N.).
15
2. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Voraussetzung ist, dass die Tierbestände die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelte Anzahl der Vieheinheiten bezogen auf die vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht überschreiten. Die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung einer Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG auch dann zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Voraussetzungen des § 51a BewG erfüllt sind. In persönlicher Hinsicht setzt dies gemäß § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG voraus, dass alle Gesellschafter
- a) Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen sind,
- b) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hauptberuflich Land- und Forstwirte sind,
- c) Landwirte i.S. des § 1 Abs. 2 ALG sind und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen Alterskasse nachgewiesen wird und
- d) die sich nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in Vieheinheiten ganz oder teilweise auf die Gesellschaft übertragen haben.
16
3. Nach dem vorliegend allein streitigen Erfordernis des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG müssen alle Gesellschafter Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit selbst bewirtschafteten landwirtschaftlich genutzten Flächen sein. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG dabei kein bewertungsrechtliches “tatsächliches”, sondern ein ertragsteuerrechtliches Verständnis zu Grunde zu legen (so auch Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 27.11.2019 – II R 43/16, BFHE 267, 269, BStBl II 2020, 739; Leingärtner/Kreckl, Besteuerung der Landwirte, Kap. 7, Rz 11; a.A. Stephany in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 4. Aufl., § 51a Rz 4).
17
a) Inhaber eines Betriebs der Landwirtschaft i.S. des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG ist daher der Unternehmer einer Landwirtschaft, d.h. derjenige, der sie betreibt. Das ist der Landwirt, auf dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird (Senatsurteil vom 16.05.2018 – VI R 45/16,
BFHE 261, 508,
BStBl II 2019, 60, Rz 12, und BFH-Urteil in BFHE 267, 269, BStBl II 2020, 739, Rz 25).
18
b) Auch eine Mitunternehmerschaft kann Inhaberin eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sein (Senatsurteil in BFHE 261, 508,
BStBl II 2019, 60, Rz 13, m.w.N.).
19
aa) Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der gemäß § 13 Abs. 7 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft entsprechend anzuwenden ist, kann dabei nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder -in Ausnahmefällen- aufgrund eines wirtschaftlich dem Gesellschaftsverhältnis vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 – GrS 4/82,
BFHE 141, 405,
BStBl II 1984, 751, und vom 25.02.1991 –
GrS 7/89,
BFHE 163, 1,
BStBl II 1991, 691).
20
bb) Ein wirtschaftlich dem Gesellschaftsverhältnis vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis liegt insbesondere bei Landwirtsehegatten vor, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405,
BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b bb). Diese bilden daher nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft (z.B. BFH-Urteile vom 18.08.2005 –
IV R 37/04,
BFHE 211, 155,
BStBl II 2006, 165; vom 14.02.2008 –
IV R 44/05,
BFH/NV 2008, 1156, m.w.N., und Senatsurteil vom 22.11.2018 –
VI R 50/16,
BFHE 263, 44,
BStBl II 2019, 313, Rz 18). Dies wird auch von der Klägerin dem Grunde nach nicht in Frage gestellt. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren Ausführungen ab.
21
cc) Ist eine GbR landwirtschaftlich tätig, ist sie aus ertragsteuerrechtlicher Sicht Inhaberin des Betriebs (s. Senatsurteil in BFHE 261, 508,
BStBl II 2019, 60, Rz 13). Die Gesellschafter einer landwirtschaftlich tätigen GbR sind als Mitunternehmer Inhaber (Mitinhaber) eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG (BFH-Urteil in BFHE 267, 269, BStBl II 2020, 739, Rz 26).
22
Übertragen auf ein dem Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis wie der Gütergemeinschaft bedeutet dies, dass die im entsprechenden Güterstand lebenden Ehegatten ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmer Mitinhaber des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG sind. Denn der zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörende Betrieb wird auf Rechnung und Gefahr beider Ehegatten geführt.
23
c) Wird der land- und forstwirtschaftliche Betrieb von einer Personengesellschaft oder von einer wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft, wie im Streitfall einer Gütergemeinschaft, betrieben, ist Voraussetzung, dass alle Mitunternehmer der Tierhaltungsgemeinschaft beitreten oder gemeinsam einen Anteil übernehmen (ebenso Leingärtner/Kreckl, a.a.O., Kap. 7, Rz 11a; Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 13 Rz 42; Blümich/Nacke, § 13 EStG Rz 103; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 13 Rz 41; Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, § 13 EStG Rz 80; Schnitter, in Frotscher/Geurts, EStG, Freiburg 2018, § 13 Rz 139; Krumm, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 13 Rz B 47; ebenso Stephany in Kreutziger/Schaffner/Stephany, a.a.O., § 51a Rz 3 und 5; i.E. ebenso Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 86; a.A. wohl Wiegand in Rössler/Troll, BewG, § 51a Rz 6). Denn die auf die Tierhaltungsgemeinschaft zu übertragenden Vieheinheiten stehen nicht dem einzelnen Gesellschafter oder Gemeinschafter (Mitunternehmer), sondern der Gesellschaft oder Gemeinschaft (Mitunternehmerschaft) zu.
24
4. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG vorliegend nicht erfüllt sind. Denn an der Klägerin sind nur A und B, nicht aber C beteiligt, obwohl diese zusammen mit B Mitunternehmerin des landwirtschaftlichen Betriebs der Ehegatten ist. Dass dieser nach den Feststellungen des FG tatsächlich allein von B betrieben wurde, ändert daran nichts.
25
a) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) gehört der landwirtschaftliche Betrieb zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft von B und C. Daher waren beide Ehegatten am Erwerbsgeschäft gesamthänderisch berechtigt (s. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.12.1993 – VI ZR 152/92, unter II.B.1.b).
26
b) Die Mitunternehmerschaft der Ehegatten B und C bestand auch tatsächlich noch. Denn erst die Auflösung und Abwicklung der Gütergemeinschaft führen zu einer Beendigung der darauf beruhenden Mitunternehmerschaft. Die Mitunternehmerschaft wird dementsprechend nicht schon dadurch beendet, dass ein Ehegatte die ihm aufgrund der Gütergemeinschaft zustehenden Rechte tatsächlich nicht mehr in Anspruch nimmt (BFH-Beschluss vom 26.10.2011 – IV B 66/10, Rz 8).
27
Eine Auflösung und Abwicklung der Gütergemeinschaft ist unstreitig nicht erfolgt. Mit den Vereinbarungen aus Juni 1998 und vom 01.07.2011 konnten die Ehegatten dies nicht erreichen (s.a. BFH-Urteil vom 28.07.1994 – IV R 81/93,
BFH/NV 1995, 202, unter 2.b). Dies macht die Klägerin auch nicht geltend.
28
c) Unerheblich ist, dass B nach außen als alleiniger Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs aufgetreten ist und diesen gegebenenfalls nach § 1456 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als selbständiges Erwerbsgeschäft auch ohne die Zustimmung der C betreiben konnte. Dies ändert nichts daran, dass beide Ehegatten ertragsteuerrechtlich weiterhin Mitunternehmer und Mitinhaber des landwirtschaftlichen Betriebs waren.
29
aa) Eine Mitunternehmerschaft besteht selbst dann, wenn ein Ehegatte den Betrieb allein betreibt und zugleich auch das Gesamtgut verwaltet. Denn eine eigene Unternehmerinitiative des anderen Ehegatten folgt in diesem Fall aus den Mitwirkungsrechten, die ihm nach den Vorschriften über die Gütergemeinschaft zustehen (§§ 1423 bis 1425 BGB), in Verbindung mit den Kontrollrechten, die insbesondere darin bestehen, dass der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte den anderen Ehegatten nach § 1435 Satz 2 BGB über die Verwaltung zu unterrichten und ihm auf Verlangen über den Stand der Verwaltung Auskunft zu erteilen hat (s. BFH-Urteil vom 22.06.1977 – I R 185/75,
BFHE 123, 136,
BStBl II 1977, 836, unter 1.c; Bamberger/Roth/Siede, BGB, 4. Aufl., § 1415 Rz 6).
30
bb) Das FG hat bindend festgestellt, dass B und C in ihrem Ehevertrag i.S. von § 1421 Satz 1 BGB vereinbart haben, das Gesamtgut gemeinschaftlich zu verwalten. Eine Änderung der Verwaltungsbefugnis wäre -wie das FG zutreffend ausgeführt hat- nur durch einen neuen Ehevertrag (§§ 1408, 1410 BGB) möglich gewesen (Erman/Heinemann, BGB, 16. Aufl., § 1421 Rz 2).
31
(1) Hat ein Ehegatte indes darin eingewilligt, dass der andere Ehegatte selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, so ist seine Zustimmung zu solchen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 1456 Abs. 1 Satz 1 BGB). Weiß ein Ehegatte, dass der andere ein Erwerbsgeschäft betreibt, und hat er hiergegen keinen Einspruch eingelegt, so steht dies einer Einwilligung gleich (§ 1456 Abs. 2 BGB). Soweit ein Ehegatte danach allein für das Gesamtgut handelt, ergibt sich die Pflicht zur Unterrichtung des anderen Ehegatten und zur Erteilung der notwendigen Auskünfte aus der allgemeinen ehelichen Treuepflicht des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB, die sich nach denselben Grundsätzen richtet wie die des § 1435 BGB (MüKoBGB/Münch, 8. Aufl., § 1451 Rz 9).
32
(2) Ob B -wie von der Klägerin geltend gemacht und vom FG offengelassen- den landwirtschaftlichen Betrieb als selbständiges Erwerbsgeschäft nach § 1456 BGB zu führen berechtigt war, ändert daher -wie vom FG zutreffend ausgeführt- nichts an der zwischen ihm und C weiterhin bestehenden Mitunternehmerschaft. Eine Einzelunternehmerschaft des B im ertragsteuerrechtlichen Sinn konnten die Eheleute -anders als die Klägerin meint- nicht über die Vereinbarungen aus Juni 1998 und vom 01.07.2011 erreichen, da dies -wie vorstehend ausgeführt- zunächst eine Aufhebung und Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft oder zumindest mittels Ehevertrag (§§ 1408, 1410 BGB) eine Herauslösung des landwirtschaftlichen Betriebs aus dem Gesamtgut und Erklärung zum Vorbehaltsgut (§ 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB) erfordert hätte.
33
d) Die -vom FG ebenfalls offengelassene- Einwilligung der C in das Betreiben des landwirtschaftlichen Betriebs als selbständiges Erwerbsgeschäft i.S. des § 1456 BGB könnte auch nicht dazu führen, dass hierdurch die eheliche Gütergemeinschaft selbst Kommanditistin der Klägerin geworden wäre.
34
aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) der Vorinstanz wurde die Klägerin von A als Komplementär und B als Kommanditist gegründet. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem Gesellschaftsvertrag.
35
bb) Die Gütergemeinschaft als solche kann nach herrschender Meinung zudem nicht Kommanditistin einer KG werden (Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.01.2003 – 3Z BR 238/02; Hausch in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 1415 BGB Rz 7; MüKoBGB/Münch, a.a.O., § 1416 Rz 3 und 9; Bamberger/Roth/Siede, a.a.O., § 1416 Rz 1; a.A. Kanzleiter, Deutsche Notar-Zeitschrift 2003, 422; Grziwotz, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2003, 848).
36
5. Das angefochtene Urteil ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Der erkennende Senat hat den von der Klägerin gerügten Verstoß wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geprüft. Er erachtet diese Rüge indes nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
37
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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Unionsrechtmäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall
Leitsatz
- Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen aus der Vermietung eines in der Schweiz belegenen Grundstücks sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wenn das Grundstück einer Betriebsstätte „dient“, die ihre Gewinne aus einer der in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 beschriebenen Tätigkeiten erzielt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002). Dies setzt voraus, dass es sich bei den Vermietungseinkünften um Nebenerträge handelt, die nach der Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, bei der das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt (funktionale Betrachtungsweise).
- Die Hinzurechnung von in den Wirtschaftsjahren 2004 bis 2006 erzielten Zwischeneinkünften i. S. des § 8 Abs. 1 AStG einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft beschränkt zwar die Kapitalverkehrsfreiheit, ist aber gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen Unionsrecht (Fortführung des EuGH-Urteils X vom 26.02.2019 – C-135/17, EU:C:2019:136, IStR 2019, 347, und des Senatsurteils vom 22.05.2019 – I R 11/19 (I R 80/14), BFHE 265, 322).
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30.10.2014 – 2 K 618/11 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Jahren 2004 bis 2006 Alleingesellschafter der J-GmbH mit Sitz in F (Schweiz). Daneben war der Kläger Gesellschafter der S-GmbH mit Sitz in F, die wiederum Gesellschafterin der S-AG war, die ihren Sitz ebenfalls in F hatte. Außerdem war der Kläger alleiniger Gesellschafter einer in I (Inland) ansässigen GmbH.
2
Der Kläger hatte in den Jahren 2004 bis 2006 Wohnsitze sowohl in I als auch in F. Die Ehefrau und die Kinder des Klägers lebten zunächst überwiegend in F, während sich der Kläger auch regelmäßig an seinem inländischen Wohnsitz aufhielt. Jedenfalls ab September 2005 hatten der Kläger und seine Familie ihren Lebensmittelpunkt in I.
3
Die J-GmbH und die S-AG besaßen zwei nebeneinander liegende Grundstücke in einer Gewerbe- und Industriezone von F. Die J-GmbH, die ihr Grundstück in ihren Bilanzen als Anlagevermögen führte, erzielte aus der Vermietung von Grundstücksteilen in den Wirtschaftsjahren 2004 bis 2006 Einkünfte, die in der Schweiz einer Steuerbelastung von weniger als 25 % unterlagen. Im Jahr 2008 reichten die J-GmbH und die S-AG gemeinsam ein sog. Umzonungsgesuch ein mit dem Ziel, das Areal in eine Wohn- und Gewerbezone umzuwandeln.
4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) erließ für die Feststellungsjahre 2005 bis 2007 (Wirtschaftsjahre 2004 bis 2006) auf der Grundlage von § 18 des Gesetzes über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen in der in den Jahren 2004 bis 2007 geltenden Fassung (Außensteuergesetz -AStG-) Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in denen er dem Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der J-GmbH und der von dieser erzielten Vermietungseinkünfte Hinzurechnungsbeträge nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG in Höhe von … € (Feststellungsjahr 2005), … € (Feststellungsjahr 2006) und … € (Feststellungsjahr 2007) zurechnete.
5
Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, die Voraussetzungen der Hinzurechnung lägen nicht vor. Insbesondere handele es sich bei den Vermietungseinnahmen um Nebeneinkünfte zur Haupttätigkeit der J-GmbH, die auf den gewerblichen Grundstückshandel gerichtet gewesen sei. Die J-GmbH und die S-AG hätten ab dem Jahr 2005 bereits mit Vorbereitungen zu dem im Zusammenhang mit der Umzonung geplanten gewerblichen Grundstückshandel (Bebauung der Grundstücke mit Wohn- und Gewerbeimmobilien und anschließende Veräußerung) begonnen. Außerdem verstoße die Hinzurechnungsbesteuerung gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit und -wegen der Überschreibung abkommensrechtlich vereinbarter Besteuerungsbefugnisse- gegen das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes (GG). Die dagegen erhobene Klage blieb jedoch ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Münster hat sie mit Urteil vom 30.10.2014 – 2 K 618/11 F (
Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 351) als unbegründet abgewiesen.
6
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Klägers.
7
Der Kläger beantragt,
das FG-Urteil und die angefochtenen Feststellungsbescheide aufzuheben.
8
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Der Senat hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 11.04.2017 – I R 78/14 gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 12.10.2016 –
I R 80/14 (
BFHE 256, 223,
BStBl II 2017, 615) ausgesetzt. Der EuGH hat mit Urteil X vom 26.02.2019 –
C-135/17 (EU:C:2019:136, Internationales Steuerrecht -IStR- 2019, 347) über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden.
II.
10
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
11
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die in den Jahren 2004 bis 2006 von der J-GmbH erzielten Einkünfte aus der Vermietung des in der Schweiz belegenen Grundstücks beim Kläger der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen und die angefochtenen Feststellungsbescheide daher rechtmäßig sind.
12
1. Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG). Zu mehr als der Hälfte beteiligt sind unbeschränkt Steuerpflichtige i.S. von § 7 Abs. 1 AStG u.a. dann, wenn ihnen allein am Ende des Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, in dem diese die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG bezogen hat (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50 % der Anteile oder Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG).
13
Eine ausländische Gesellschaft ist i.S. von § 7 Abs. 1 AStG Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung (durch eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 25 %, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen beruht, § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG) unterliegen und nicht aus jenen Einkünften stammen, die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 AStG aufgelistet sind (§ 8 Abs. 1 Halbsatz 1 AStG). Die hiernach steuerpflichtigen Einkünfte sind bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG). Der Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und gilt unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG). Die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG werden nach Maßgabe des § 18 AStG gesondert festgestellt.
14
2. Die Voraussetzungen einer Hinzurechnung sind im Streitfall insoweit gegeben -und zwischen den Beteiligten außer Streit-, als es sich nach den vom FG getroffenen, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen bei der J-GmbH um eine Körperschaft i.S. des § 2 Nr. 1 KStG gehandelt hat, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland gehabt hat und an der in den Jahren 2004 bis 2006 mit dem Kläger ein in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unbeschränkt Steuerpflichtiger zu mehr als der Hälfte beteiligt gewesen ist.
15
3. Auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Hinzurechnung der in Rede stehenden Einkünfte der J-GmbH liegen vor.
16
a) Die von der J-GmbH im Zeitraum 2004 bis 2006 erzielten Vermietungseinkünfte sind Einkünfte, die in der Schweiz einer niedrigen Ertragsteuerbelastung i.S. von § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG -nämlich einer solchen von unter 25 %- unterliegen. Zu Recht hat die Vorinstanz es abgelehnt, mit Blick auf eine mögliche Besteuerung eines künftigen Veräußerungsgewinns aus einem etwaigen Verkauf des Grundstücks von einer über dem Grenzwert des § 8 Abs. 3 AStG liegenden Ertragsteuerbelastung auszugehen. Im Rahmen der Prüfung einer Niedrigbesteuerung nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 AStG können hypothetische Steuern auf hypothetische künftige Einkünfte nicht berücksichtigt werden.
17
b) Es handelt sich bei den Mieteinnahmen der J-GmbH um “passive” Einkünfte, die nicht unter einen der Aktivitätstatbestände des § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren sind.
18
aa) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung hat für die Prüfung des Aktivitätskatalogs des § 8 Abs. 1 AStG im Fall der J-GmbH eine Separierung und damit eine eigenständige Beurteilung der Einkünfte nach den Tätigkeitsbereichen, aus denen sie jeweils stammen, nicht deshalb zu unterbleiben, weil es sich um eine Kapitalgesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG handelt. Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 KStG, der zufolge bei unbeschränkt Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind, gilt nicht für beschränkt Steuerpflichtige und ist daher im Rahmen der Prüfung des Aktivitätskatalogs des § 8 Abs. 1 AStG nicht anwendbar.
19
bb) Das FG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die von der J-GmbH erzielten Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zu klassifizieren sind, die nur unter den in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG genannten Voraussetzungen von der Hinzurechnung auszunehmen sind. Zutreffend ist insbesondere die Annahme der Vorinstanz, die Vermietungseinkünfte stünden nicht derart in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer anderen, “aktiven” Betätigung der J-GmbH, dass sie dieser Betätigung funktional zugeordnet werden könnten.
20
aaa) Im Zusammenhang mit der Subsumtion unter die Aktivitätstatbestände des § 8 Abs. 1 AStG sind allerdings wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten einheitlich zu behandeln (funktionale Betrachtungsweise). Dabei ist die Tätigkeit maßgebend, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt; eine nach diesen Maßgaben einheitlich zu beurteilende Tätigkeit liegt insbesondere vor, wenn Einkünfte aus Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer Haupttätigkeit zu beurteilen sind, wie es z.B. bei den Einkünften aus der Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren durch Kreditinstitute oder solchen aus der Vermögensverwaltung durch Versicherungsunternehmen zum Zwecke der Besicherung künftiger Ansprüche der Versicherten der Fall ist (Senatsurteil vom 13.10.2010 – I R 61/09,
BFHE 231, 152,
BStBl II 2011, 249; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld -F/W/B/S-, Außensteuerrecht, § 8 AStG Rz 24, jeweils m.w.N.). Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht sind dagegen eigenständig unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren, auch wenn sie mit anderen Tätigkeiten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (Senatsurteil vom 18.12.2019 – I R 59/17, BFHE 268, 30).
21
bbb) Nach diesen Maßgaben können die Vermietungseinkünfte der J-GmbH keiner “aktiven” Betätigung funktional zugeordnet werden. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers, die J-GmbH habe bereits ab dem Jahr 2005 mit Planung und Vorbereitung des für die Zeit nach der angestrebten Umzonung beabsichtigten Bebauung und Veräußerung des Grundstücks begonnen, als zutreffend unterstellt wird und wenn diese Betätigung als “aktive” Handelstätigkeit i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG einzuordnen wäre, ist ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der -unverändert fortgeführten- Vermietungstätigkeit einerseits und der Vorbereitung der Grundstücksveräußerung andererseits nicht erkennbar. Beide Betätigungen sind vielmehr wirtschaftlich nicht voneinander abhängig und stehen nicht in einem Verhältnis von Haupt- zu Hilfs- oder Nebentätigkeit. Im Übrigen hätten bloße Planungen und Vorbereitungshandlungen, die im relevanten Zeitraum 2004 bis 2006 noch zu keinerlei konkreten Kauf- oder Verkaufsaktivitäten geführt haben -die Umzonung wurde erst im Jahr 2008 beantragt-, ohnehin ein derart geringes wirtschaftliches Gewicht, dass der Vermietungstätigkeit jedenfalls noch die dominierende Bedeutung zugekommen wäre.
22
cc) Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur dann von der Hinzurechnung ausgenommen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Einkünfte daraus nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) steuerbefreit wären, wenn sie von den unbeschränkt Steuerpflichtigen, die gemäß § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, unmittelbar bezogen worden wären. Zu prüfen ist mithin, ob die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks nach dem mit dem Belegenheitsstaat Schweiz seinerzeit bestehenden DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen gewesen wären, wenn dem Kläger die Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung unmittelbar selbst zugeflossen wären (vgl. Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, a.a.O., § 8 AStG Rz 227).
23
Auf der Grundlage der vom FG getroffenen -und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden- tatsächlichen Feststellungen ist dies zu verneinen. Für den unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger wären die Vermietungseinkünfte nach dem Welteinkommensprinzip gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Inland steuerpflichtig gewesen. Sie wären nicht aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12.03.2002 (BGBl II 2003, 68, BStBl I 2003, 166) -DBA-Schweiz 1971/2002- von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen.
24
aaa) Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen können gemäß Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt, hier also in der Schweiz. Dies gilt gemäß Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2002 auch für Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung unbeweglichen Vermögens und gemäß Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 (u.a.) für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens. Somit stünde der Schweiz abkommensrechtlich ein (Quellen-)Besteuerungsrecht im Hinblick auf die streitbefangenen Vermietungseinkünfte zu, nicht aber ein ausschließliches Besteuerungsrecht.
25
bbb) Die Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung ergibt sich aus Art. 24 DBA-Schweiz 1971/2002, der u.a. danach unterscheidet, in welchem der Vertragsstaaten der Steuerpflichtige nach Maßgabe des Art. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 als ansässig zu behandeln ist.
26
(1) Für den Zeitraum, in dem der Kläger, der in beiden Vertragsstaaten jeweils über einen Wohnsitz verfügt hat, die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) im Inland gehabt hat -d.h. spätestens ab September 2005- gilt der Kläger gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2002 im Sinne des Abkommens als im Inland ansässig. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2002 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen Gewinne i.S. des Art. 7 des Abkommens (Unternehmensgewinne), soweit die Gewinne nachweislich durch Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, Aufsuchen und Gewinnung von Bodenschätzen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr erzielt werden (Halbsatz 1); Gleiches gilt für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einer solchen Betriebsstätte dient (Halbsatz 2).
27
Das FG hat die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 für den im Streitfall relevanten Zeitraum 2004 bis 2006 im Ergebnis zu Recht als nicht gegeben angesehen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats gelten für das Verhältnis der in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 genannten passiven Einkünfte zu den in Halbsatz 1 der Norm aufgeführten unternehmerischen Betätigungen die gleichen Anforderungen (“funktionale Betrachtungsweise”), wie sie allgemein für die Zuordnung von “passiven” Einkünften zu den Unternehmensgewinnen i.S. von Art. 7 DBA-Schweiz 1971/2002 gelten und die wiederum den Voraussetzungen für die Zuordnung passiver Einkünfte zu damit wirtschaftlich zusammenhängenden “aktiven” Betätigungen im Rahmen des § 8 Abs. 1 AStG entsprechen (vgl. Senatsurteile vom 30.08.1995 – I R 112/94,
BFHE 179, 48,
BStBl II 1996, 563; vom 29.11.2000 –
I R 84/99,
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 1053, jeweils zu Lizenzeinkünften). Danach setzt der Tatbestand des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 in Bezug auf Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens voraus, dass es sich um Nebenerträge handelt, die nach der Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, bei der das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt (vgl. Senatsurteil in
BFHE 179, 48,
BStBl II 1996, 563 zu Lizenzeinkünften). Aus den oben ausgeführten Gründen ist ein derartiger Zusammenhang der Vermietungseinkünfte zu einer aktiven unternehmerischen Betätigung der J-GmbH indessen nicht gegeben, sodass die Vermietungseinkünfte im Falle eines Direktbezugs durch den Kläger nicht gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen wären. Die Doppelbesteuerung würde in diesem Fall vielmehr gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971/2002 i.V.m. § 34c EStG durch Anrechnung der schweizerischen Steuer auf die deutsche Steuer beseitigt.
28
(2) Das FG hat offengelassen, ob der Kläger in der Zeit bis September 2005 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in F gehabt und deshalb gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2002 bis dahin für die Zwecke des Abkommens als in der Schweiz ansässig gegolten hat. Nähere Feststellungen hierzu sind für die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht erforderlich. Denn auch unter diesen Gegebenheiten wären die Vermietungseinkünfte im Falle eines Direktbezugs durch den Kläger nicht aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen.
29
Dies folgt aus der Regelung des Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2002 (sog. überdachende Besteuerung). Danach kann Deutschland eine natürliche Person, die nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2002 als in der Schweiz ansässig gilt und in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügt oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten im Kalenderjahr hat, ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens nach den Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht besteuern (Satz 1). Deutschland wendet jedoch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 auf die dort genannten, aus der Schweiz stammenden Einkünfte und in der Schweiz belegenen Vermögenswerte an (Satz 2 Halbsatz 1); auf andere aus der Schweiz stammende Einkünfte und in der Schweiz belegene Vermögenswerte rechnet Deutschland in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern die von diesen Einkünften oder Vermögenswerten erhobene schweizerische Steuer auf die deutsche Steuer (mit Ausnahme der Gewerbesteuer) von diesen Einkünften oder Vermögenswerten an (Satz 2 Halbsatz 2).
30
Nach den Feststellungen der Vorinstanz, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist und die auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen werden, wären die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2002 im Streitfall erfüllt. Danach hat der Kläger auch in der Zeit vor September 2005 in Deutschland eine ständige Wohnstätte gehabt und hat sich dort außerdem auch regelmäßig aufgehalten. Rechtsfolge der überdachenden Besteuerung wäre gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002, dass Deutschland den Kläger auch auf abkommensrechtlicher Ebene grundsätzlich nach den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht und damit nach dem Welteinkommensprinzip besteuern dürfte. Da -wie oben ausgeführt- die hier interessierenden Vermietungseinkünfte, falls sie vom Kläger unmittelbar bezogen worden wären, nicht der Freistellungsregel des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 (hier i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1) DBA-Schweiz 1971/2002 unterfallen würden, wäre Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 DBA-Schweiz 1971/2002 einschlägig, der für sonstige aus der Schweiz stammende Einkünfte die Anwendung der Anrechnungsmethode vorsieht.
31
4. Die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Hinzurechnungsbeträge ist vom Kläger nicht angegriffen worden. Auch der Senat vermag insoweit keine Fehler zu erkennen.
32
5. Die Hinzurechnung der von der J-GmbH erzielten Zwischeneinkünfte für die Wirtschaftsjahre 2004 bis 2006 (Feststellungsjahre 2005 bis 2007) verstößt nicht gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit.
33
a) Die Prüfung, ob die Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten vereinbar ist, ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 18 AStG und nicht im Rahmen der nachfolgenden Steuerfestsetzung durchzuführen (Senatsurteil vom 14.11.2018 – I R 47/16,
BFHE 263, 393,
BStBl II 2019, 419).
34
b) Der Senat hat im Anschluss an das EuGH-Urteil X (EU:C:2019:136, IStR 2019, 347) dahin erkannt, dass die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6, 6a AStG einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft für das Wirtschaftsjahr 2006/Feststellungsjahr 2007 zwar zu einer Beschränkung des durch Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte -EG- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1), jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -AEUV- (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) geschützten freien Kapitalverkehrs führt. Diese Beschränkung ist aber unter Berücksichtigung des hinsichtlich der Jahre 2006 und 2007 für den Auskunftsverkehr zwischen deutschen und Schweizer Behörden bestehenden Rechtsrahmens aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und insbesondere der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen Unionsrecht. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Senatsurteils vom 22.05.2019 – I R 11/19 (
I R 80/14) (
BFHE 265, 322) verwiesen.
35
c) Die Erwägungen des Senatsurteils in BFHE 265, 322 gelten gleichermaßen für die im Streitfall zu beurteilenden “allgemeinen” Zwischeneinkünfte i.S. von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG (Senatsurteil in BFHE 268, 30). Sie sind des Weiteren auch auf die Zwischeneinkünfte der Wirtschaftsjahre 2004 und 2005 (Feststellungsjahre 2005 und 2006) zu übertragen, in denen sich die für die unionsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Auskunftsmöglichkeiten der deutschen Steuerbehörden gegenüber den Schweizer Behörden nicht anders dargestellt haben als in den Jahren 2006/2007.
36
Der Einwand des Klägers, er habe im Streitfall dem FA die sachlichen, rechtlichen und buchhalterischen Grundlagen der Einkünfteerzielung der J-GmbH in vollem Umfang offengelegt, sodass das FA den Sachverhalt aus eigener Kenntnis und ohne Auskunftsersuchen gegenüber den Schweizer Behörden beurteilen könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem EuGH-Urteil X (EU:C:2019:136, IStR 2019, 347) kommt es für die Rechtfertigungsprüfung darauf an, ob ein “rechtlicher Rahmen” besteht, der insbesondere vertragliche Verpflichtungen vorsieht, die es den Steuerbehörden des Ansässigkeitsstaats ermöglichen können, die Richtigkeit der Informationen in Bezug auf die betreffende Gesellschaft zu überprüfen. Ob die Finanzbehörden im jeweiligen Einzelfall einen konkreten Anlass für die Verifikation der Angaben des Steuerpflichtigen durch ein Auskunftsersuchen gegenüber den Drittstaatsbehörden haben oder nicht, ist danach nicht maßgeblich.
37
d) Soweit der Kläger in der Revisionsinstanz erneut die in § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG festgelegte Aufgriffsschwelle für die Annahme einer Niedrigbesteuerung der ausländischen Gesellschaft von weniger als 25 % vor dem Hintergrund infrage stellt, dass der Körperschaftsteuersatz für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften in Deutschland mittlerweile auf 15 % abgesenkt worden sei, ist dem bereits das FG mit dem zutreffenden Hinweis darauf begegnet, dass in dem für den Streitfall relevanten Zeitraum von 2004 bis 2006 der Körperschaftsteuersatz noch 25 % betragen hat. Insoweit kann es für die unionsrechtliche Beurteilung der Aufgriffsschwelle im Streitfall auch keine maßgebliche Rolle spielen, in welchem Umfang Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft aus der Vermietung eines in der Schweiz belegenen Grundstücks neben der Körperschaftsteuer auch der Gewerbesteuer unterlegen hätten.
38
e) Soweit der Kläger als diskriminierend rügt, dass er als in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger mit Vermietungseinkünften aus Schweizer Immobilien steuerlich schlechter gestellt werde als ein in der Schweiz unbeschränkt Steuerpflichtiger mit Vermietungseinkünften aus deutschen Immobilien, ist dem Unionsrecht keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu entnehmen, ihre Besteuerung an das Besteuerungssystem bzw. das Besteuerungsniveau eines anderen Staats anzupassen.
39
6. Über die Revision ist abschließend zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz) liegen nicht vor. Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der im Streitfall anzuwendenden Vorschriften des Außensteuergesetzes überzeugt. Was die Vereinbarkeit des § 20 Abs. 1 AStG, der u.a. den Bestimmungen der §§ 7 bis 18 AStG den Vorrang vor (etwaigen) entgegenstehenden DBA-Vorschriften einräumt, mit dem Rechtsstaatsgebot betrifft, hat das BVerfG entschieden, dass derartige unilaterale Abkommensüberschreibungen zulässig sind (Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12,
BVerfGE 141, 1; s. speziell zur Hinzurechnungsbesteuerung auch Senatsurteil in BFHE 268, 30). Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Hinzurechnungsbesteuerung unter dem Aspekt der Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führt (s. dazu wiederum das Senatsurteil in BFHE 268, 30).
40
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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... weiterlesen!BFH, Urteil II R 30/19 vom 14.10.2020
Leitsatz
- Steuerberatungskosten des Erben für die Nacherklärung von Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, sind als Nachlassregelungskosten abzugsfähig (Abweichung von den gleich lautenden Erlassen der Länder).
- Kosten für die Haushaltsauflösung und Räumung der Erblasserwohnung können als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sein.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 15.05.2019 – 7 K 2712/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 15.05.2019 – 7 K 2712/18 aufgehoben.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 29.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2018 wird dahin geändert, dass sowohl die Steuerberatungskosten in Höhe von 9.856,29 € als auch die Räumungskosten in Höhe von 2.685,67 € als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin des am xx.xx.2013 verstorbenen Erblassers. Im Rahmen ihrer Erbschaftsteuererklärung machte sie u.a. Steuerberatungskosten in Höhe von 9.856 € geltend. Es handelte sich um Aufwendungen für Nacherklärungen zur Einkommensteuer auf Veranlassung der Klägerin. Der Erblasser hatte in den Jahren 2002 bis 2012 in der Schweiz Kapitalerträge erzielt und nicht erklärt. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide ergingen im November 2013. Daneben erklärte sie Kosten für die teilweise in Eigenregie vorgenommene Räumung und Haushaltsauflösung der durch den Erblasser genutzten Wohnung in Höhe von 2.685,67 €. Der Erblasser hatte hieran einen Miteigentumsanteil von 3/4, die Klägerin von 1/4.
2
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) setzte mit Bescheid vom 29.04.2016 Erbschaftsteuer fest und berücksichtigte dabei weder die Steuerberatungskosten noch die Räumungskosten als Nachlassverbindlichkeiten. Die Einkommensteuerschulden 2002 bis 2012 zuzüglich Hinterziehungszinsen wurden angesetzt. Den Einspruch wies das FA am 13.09.2018 zurück.
3
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage hinsichtlich der Steuerberatungskosten stattgegeben, sie hinsichtlich der Räumungskosten abgewiesen.
4
Die Steuerberatungskosten seien Nachlassverbindlichkeiten i.S. von § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Die einkommensteuerrechtliche Erklärungspflicht des Erblassers einschließlich der Verpflichtung, frühere unrichtige Angaben zu berichtigen, gehe auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger über. Es komme nicht darauf an, ob die Beauftragung eines Steuerberaters zwingend notwendig sei. Anders verhalte es sich bei den Kosten für die Räumung der Eigentumswohnung des Erblassers. Die Klägerin habe die Entscheidung zur Räumung getroffen, um die Wohnung als Nachlassgegenstand besser verwerten zu können. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG greife ebenfalls nicht ein, da es sich um Kosten der Verwaltung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG handele. Das Merkmal “unmittelbar” in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG fordere mehr als einen reinen Kausalzusammenhang. Aufwendungen, die auf einem eigenen Willensentschluss des Erben beruhen, seien keine Nachlassabwicklungskosten. Ebenso lägen keine Erwerbserlangungskosten mehr vor. Habe der Erbe die rechtliche Herrschaft über die zum Nachlassvermögen gehörenden Gegenstände erlangt und sei der Wert dieser Gegenstände weder im Verhältnis zu den Miterben noch zu den Finanzbehörden streitig, bilde dies eine Zäsur, die den Zusammenhang zu den berücksichtigungsfähigen Nachlasskosten unterbreche. Die Möblierung der Eigentumswohnung des Erblassers hindere den Erben nicht, das Erbe daran anzutreten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1398 veröffentlicht.
5
Mit seiner Revision macht das FA hinsichtlich der Steuerberatungskosten eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG geltend. Die Schulden rührten nicht vom Erblasser her. Die Klägerin als Erbin sei zwar zur Abgabe der Steuererklärung, aber nicht zur Beauftragung eines Steuerberaters verpflichtet gewesen. Die Berücksichtigung dieser auf eigenen Entschluss zurückgehenden Kosten widerspreche dem Stichtagsprinzip. Diese Rechtsauffassung entspreche den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11.12.2015 (BStBl I 2015, 1028). Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Verpflichtung des Erblassers zur Nacherklärung sei auf sie übergegangen und nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem gemeinen Wert nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 BewG anzusetzen, der sich an den angesichts der Schwierigkeit derartiger Nacherklärungen unvermeidlichen Steuerberatungskosten orientiere.
6
Mit ihrer Anschlussrevision macht die Klägerin hinsichtlich der Räumungskosten eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG geltend. Es handele sich um unmittelbare Kosten der Abwicklung und Verteilung des Nachlasses. Die Auflösung der Wohnung des Erblassers, die Sichtung und die Verteilung der dort befindlichen, häufig sehr persönlichen, Gegenstände seien Kernbereich einer Nachlassabwicklung. Die Verteilung könne auch die Verteilung an Dritte (hier Freunde, gemeinnützige Organisationen o.Ä.) einschließen. Sie sei im Gegensatz zu der meist auf Dauer angelegten Nachlassverwaltung zeitlich begrenzt. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die seitens des FG postulierte Zäsur, zumal der Zeitpunkt der Erlangung der rechtlichen Herrschaft im Falle von Alleinerben regelmäßig mit dem Tode zusammenfalle und so § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG leerlaufe.
7
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als Steuerberatungskosten in Höhe von 9.856,29 € als Nachlassverbindlichkeiten anerkannt wurden, und die Klage insgesamt abzuweisen,
ferner,
die Anschlussrevision der Klägerin zurückzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und den Erbschaftsteuerbescheid vom 29.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2018 dahin zu ändern, dass neben den durch das FG anerkannten Steuerberatungskosten Räumungskosten in Höhe von 2.685,67 € als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden,
ferner,
die Revision des FA zurückzuweisen.
II.
9
Die Revision des FA ist nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die Steuerberatungskosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Die Anschlussrevision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Räumungskosten sind ebenfalls abzugsfähig.
10
1. Als -hier nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG- steuerpflichtiger Erwerb gilt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. In den Fällen des § 3 ErbStG gilt unbeschadet § 10 Abs. 10 ErbStG als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Dazu zählen u.a. nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die sog. Erblasserschulden, nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG die sog. sonstigen Nachlassverbindlichkeiten.
11
2. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig u.a. die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht bereits in einer betrieblichen Bewertungseinheit aufgegangen sind und im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben (vgl. im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 11.07.2019 – II R 36/16,
BFHE 265, 430,
BStBl II 2020, 391, Rz 16 bis 20, m.w.N.).
12
3. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.
13
a) Der Begriff “Kosten der Regelung des Nachlasses” ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH-Urteile vom 11.01.1961 – II 155/59 U,
BFHE 72, 273,
BStBl III 1961, 102; vom 19.06.2013 –
II R 20/12,
BFHE 241, 416,
BStBl II 2013, 738, Rz 11, und vom 06.11.2019 –
II R 29/16, BFHE 267, 433,
BStBl II 2020, 505, Rz 17, jeweils m.w.N.). Zu den Nachlassregelungskosten können auch bestimmte Kosten gehören, die durch die Tilgung von Erblasserschulden entstehen (Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rz 216).
14
b) Es ist unschädlich, vielmehr für die Nachlassabwicklungs-, Nachlassregelungs- und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat. Bei der Mehrzahl der Kosten, die der BFH in seinem Urteil in BFHE 72, 273, BStBl III 1961, 102 als Kosten der Regelung des Nachlasses verstanden hat, war dies der Fall (Vergütung eines Bevollmächtigten, Kosten der Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung, Vergütung für die Umschreibung im Grundbuch). Unerheblich ist grundsätzlich, ob eine kostengünstigere Lösung möglich gewesen wäre. Im Zusammenhang mit einer durch den Erblasser angeordneten Regelung des Nachlasses ist anerkannt, dass es auf kostengünstigere Optionen nicht ankommt (BFH-Urteil vom 28.06.1995 –
II R 89/92,
BFHE 178, 214,
BStBl II 1995, 786, unter II.2.). Dies gilt allgemein.
15
c) Wie der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG verwendete Begriff “unmittelbar” zeigt, müssen die Kosten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (BFH-Urteile in BFHE 241, 416,
BStBl II 2013, 738, Rz 11; in BFHE 267, 433,
BStBl II 2020, 505, Rz 18, sowie vom 06.11.2019 – II R 6/17, BFHE 267, 193, BStBl II 2020, 509, Rz 22).
16
aa) Während die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu berücksichtigenden Kosten in Bezug auf den Erwerb von Todes wegen Erwerbsaufwand darstellen, sind die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG Verwendungsaufwand, der erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich ist (Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rz 188, 245). Das sind Kosten, die nur dazu dienen, den Nachlass zu erhalten, zu nutzen und zu mehren oder das Vermögen zu verwerten (Gottschalk in Troll/ Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rz 217; Fumi in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 10 Rz 76). Dazu gehören etwa die Erfüllung laufender Verpflichtungen, aber auch die bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen zum Zwecke der Verwertung entstehenden Kosten, etwa Ablösebeträge an Mieter zwecks Grundstücksverkaufs (vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 82).
17
bb) Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So wie § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG einen unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit den jeweiligen Abzugstatbeständen verlangt, liegen Kosten der Nachlassverwaltung dann vor, wenn er fehlt. Die darin liegende Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten ist indes kein für den jeweiligen Erbfall und auch kein für alle Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG gleich zu definierender, einheitlicher und feststehender Zeitpunkt. Sie markiert eine inhaltliche Grenze zwischen den nachlassspezifischen Kosten auf der einen Seite und denjenigen Kosten auf der anderen Seite, die ihrer Art nach ebenso anfallen können, wenn die Gegenstände, um die es geht, sich nicht oder nicht mehr in einem Nachlass befinden. In diesem Falle ist der durch das Tatbestandsmerkmal “unmittelbar” gekennzeichnete Veranlassungszusammenhang unterbrochen.
18
d) Bei Verfahrenskosten ist auf die Frage abzustellen, ob Ungewissheit über den Umfang des Nachlasses besteht.
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aa) Macht der Erbe gerichtlich wirkliche oder vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche geltend, so liegen Nachlassregelungskosten vor, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen nachlasszugehöriger Ansprüche des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht hingegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505, Rz 19, sowie in BFHE 267, 193, BStBl II 2020, 509, Rz 23).
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bb) Umgekehrt können die Kosten von Gerichts- oder behördlichen Verfahren Nachlassregelungskosten sein, wenn sie dazu dienen, das Bestehen wirklich oder vermeintlich zum Nachlass gehörender Verbindlichkeiten des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder Ansprüche Dritter abzuwehren. Herrscht hingegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses einschließlich des Umfangs der Verbindlichkeiten, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Tilgung der Verbindlichkeiten entstehen, sind ihrerseits keine Nachlassverbindlichkeiten.
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4. Nach diesen Maßstäben sind sowohl die Steuerberatungs- als auch die Räumungskosten Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt von Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
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a) Die Steuerberatungskosten sind zumindest als Nachlassregelungskosten abziehbar. Es kann deshalb offenbleiben, ob dem Grunde nach außerdem Erblasserschulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorliegen. Der Senat folgt der in den gleich lautenden Ländererlassen vom 11.12.2015 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung im Ergebnis nicht (kritisch auch Geck in Kapp/ Ebeling, § 10 ErbStG, Rz 85). Diese Kosten dienen dazu, den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten -nämlich der Steuerschulden- zu klären. Sie gehören nicht zu den Kosten der Nachlassverwaltung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Der Steuerberater wurde beauftragt, um Steuererklärungen für solche Steuerverbindlichkeiten abzugeben, die vom Erblasser herrühren und damit dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten darstellten (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.2012 – II R 15/11,
BFHE 238, 233,
BStBl II 2012, 790). Ihre Höhe war zu ermitteln und die korrekte Festsetzung zu ermöglichen. Auf die Frage, ob diese Steuerschulden selbst möglicherweise nach Maßgabe des BFH-Urteils in
BFHE 265, 430,
BStBl II 2020, 391 mangels wirtschaftlicher Belastung -ausnahmsweise- nicht abziehbar sein würden, käme es möglicherweise im Rahmen von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG an, nicht hingegen bei § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen steht im Streitfall außer Frage. Es ist unschädlich, dass die Kosten dem Grunde und der Höhe nach durch einen eigenen Entschluss der Klägerin ausgelöst wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Bereinigung der steuerlichen Verhältnisse des Erblassers ohne fachkundige Hilfe für die Klägerin darstellbar gewesen wäre.
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b) Die Räumungskosten sind ebenfalls nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig.
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aa) Das FG hat in diesem Punkte eine andere Auffassung vertreten, weil es seine Betrachtung allein auf die Wohnung als Nachlassgegenstand konzentriert hat. Der Aufwand für die Räumung einer von dem Erblasser selbst bewohnten Wohnung wäre Teil der Nachlassverwertung, wenn er sich nur auf die Eigenschaft der Wohnung als Nachlassgegenstand bezöge. Eigentum und Besitz der Klägerin als Alleinerbin waren geklärt, während die Kosten für das Herrichten der Wohnung zwecks Verkaufs, Vermietung oder Selbstnutzung zur Verwertung und damit zur Verwaltung des Nachlasses gehören. Die Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten wäre überschritten.
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bb) Es liegen aber Nachlassregelungskosten vor, weil die Auflösung des Haushalts des Erblassers nicht zuletzt darauf gerichtet ist, mit der persönlichen Habe des Erblassers zweckentsprechend zu verfahren. Nicht nur die Wohnung, sondern auch die in der Wohnung befindlichen persönlichen Gegenstände des Erblassers können zum Nachlass gehören, müssen dies aber nicht. Regelmäßig sind sie in das Eigentum des Erben übergegangen, können aber auch geliehen oder gemietet und damit an Dritte herauszugeben sein. Es gehört zur tatsächlichen Feststellung des Nachlasses, hierüber Gewissheit zu erlangen, und damit zur Nachlassregelung, für alle Einzelteile des Hausrats zu entscheiden, wie damit zu verfahren ist, ob Herausgabepflichten zu bedienen sind und ob, in welcher Art und durch wen der Hausrat weiterverwendet werden kann. Die Durchsicht des gesamten Hausrats ist aber wesentlicher Bestandteil der hier umstrittenen Räumung. Die Grenze zwischen der Nachlassregelung und der Nachlassverwaltung ist noch nicht überschritten. Diese Maßnahme beruht unmittelbar auf dem Erbfall, ist ohne Erbfall in dieser Form nahezu nicht denkbar und begründet insofern nachlassspezifischen Aufwand.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, 2 FGO.
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... weiterlesen!BMF, Mitteilung vom 24.03.2021
Das Bundeskabinett hat am 24. März 2021 die Vierte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2008 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinie 2021 – LStÄR 2021) beschlossen. Die Lohnsteuer-Richtlinien sind Weisungen an die Finanzverwaltung. Sie haben nicht den Rang einer Rechtsnorm, stellen jedoch sicher, dass die Finanzämter in Zweifelsfragen nach einheitlichen Grundsätzen verfahren. Sie enthalten außerdem Weisungen zur Vermeidung unbilliger Härten und Regelungen zur Verwaltungsvereinfachung. Über die bestehende Selbstbindung der Verwaltung entfalten sie eine erhebliche Außenwirkung im Besteuerungsverfahren.
Mit der beschlossenen Änderung wird der steuerfreie Mindestbetrag für Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen nach R 3.12 Absatz 3 LStR von 200 Euro auf 250 Euro monatlich angehoben und insoweit die Erhöhung der Übungsleiterpauschale nach § 3 Nummer 26 EStG nachvollzogen. Dieser Steuerfreibetrag wurde zum 1. Januar 2021 durch das Jahressteuergesetz 2020 (von 2.400 Euro auf 3.000 Euro pro Jahr) angehoben. Weiterhin wird der Mindestbetrag in R 3.12 Absatz 5 LStR für gelegentliche ehrenamtliche Tätigkeiten von 6 Euro auf 8 Euro am Tag angehoben. Bei den zu erhöhenden Mindestbeträgen handelt es sich jeweils um Nachweiserleichterungen im Verwaltungswege zur Feststellung der Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigungen in den Fällen des § 3 Nummer 12 Satz 2 EStG.
Die begünstigenden Änderungen der Lohnsteuer-Richtlinien sollen rückwirkend ab 1. Januar 2021 gelten. Zuletzt wurde der steuerfreie Mindestbetrag mit der Lohnsteuer-Änderungsrichtlinie 2013 rückwirkend ab 1. Januar 2013 von 175 Euro auf 200 Euro monatlich angehoben. Hintergrund dieser Anhebung war ebenfalls die Erhöhung des Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nummer 26 EStG im Ehrenamtsstärkungsgesetz. Mit der Änderung wird dem Wunsch der Länder und Verbände nachgekommen, die sich für die Anhebung dieses Mindestbetrages – in Anlehnung an die auf 3.000 Euro im Jahr erhöhte Übungsleiterpauschale – eingesetzt haben.
Betroffen von dieser Änderung sind z. B. Tätigkeiten:
- kommunaler Mandatsträger (nebenberufliche Ratsherren oder Bürgermeister)
- Schöffen
- ehrenamtlicher Rettungsdienste, freiwillige Feuerwehren
- Mitglieder von Aufsichts- oder Verwaltungsräten der Rundfunkanstalten, Sparkassen
- u. ä. Tätigkeiten bei Volkshochschulen oder in der Jugendbildung
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift bedarf der Zustimmung des Bundesrates, bevor sie in Kraft treten kann.
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Vierte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2008
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 24. März 2021
Steuerliche Anreize für Gebäudesanierung
Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 24.03.2021
Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 24.03.2021 die Verordnung zur Änderung der Energetischen Sanierungsmaßnahmen-Verordnung (19/26559) beschlossen. Damit werden Änderungen bei der direkten Förderung auch für die steuerliche Förderung nachvollzogen. Die Verordnung sieht eine steuerliche Förderung von energetischen Maßnahmen bis zu 40.000 Euro, verteilt auf drei Jahre, vor. Sie führt das im November 2020 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz aus.
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Zur vollständigen Meldung
Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 381/2021
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... weiterlesen!BMF, Pressemitteilung vom 24.03.2021
Das Bundeskabinett hat am 24. März den Entwurf des Tabaksteuermodernisierungsgesetzes beschlossen. Die Bundesregierung nimmt damit eine Anpassung von Tabaksteuertarifen vor und reagiert auf den sich verändernden Tabakwarenmarkt und das Konsumverhalten. Zudem wird der Gesundheits- und Jugendschutz gestärkt.
Mit dem Tabaksteuermodernisierungsgesetz werden insbesondere folgende Ziele verfolgt:
- Eine Stärkung des Gesundheits- und Jugendschutzes: Durch die Anpassung der Steuertarife und die steuerliche Gleichbehandlung von Heat-not-Burn-Produkten (erhitzter Tabak) und die Einführung der Besteuerung von nikotinhaltigen Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten wird ein notwendiges Einstiegsniveau bei der Preisgestaltung von gesundheitsschädlichen Tabak- und Nikotinprodukten sichergestellt.
- Eine Anpassung der Tabaksteuer an den sich verändernden Tabakwarenmarkt und den Tabakkonsum: Ersatzprodukte zur Zigarette wie die bisher nicht besteuerte E-Zigarette und die nur unzureichend besteuerten Heat-not-Burn-Produkte werden zukünftig sachgerecht besteuert.
- Eine stufenweise Anpassung der Tabaksteuertarife, wie sie auch in der Vergangenheit erfolgt ist.
Zum Inhalt im Einzelnen:
Anpassung der Tabaksteuertarife
Die Anpassung der Steuertarife erfolgt, um u. a. die gesundheitspolitische Lenkungswirkung weiterhin zu gewährleisten. Das ist insbesondere für den Gesundheitsschutz von Jugendlichen und Heranwachsenden wichtig.
Die letzte Anpassung der Tabaksteuertarife erfolgte 2011, sodass eine Anpassung erforderlich ist. Wie bei der letzten Anpassung soll ab 2022 über fünf Jahre bis 2026 eine regelmäßige, moderate Erhöhung der Tarife für Zigaretten und Feinschnitt erfolgen. Flankiert werden diese Maßnahmen durch die Anpassung der bestehenden Mindeststeuer für Zigarren/Zigarillos und Pfeifentabak.
Die Tabaksteuer für eine Packung Zigaretten (20 Stück) steigt im Zeitraum 2022 bis 2026 um durchschnittlich circa 8 Cent pro Jahr. Die Tabaksteuer für eine Packung Feinschnitt (40 g) steigt im selben Zeitraum um durchschnittlich circa 13 bis 16 Cent pro Jahr. Daneben wird die bestehende Mindeststeuer für Zigarren/Zigarillos und Pfeifentabak angepasst.
Besteuerung von Heat-not-Burn-Produkten (erhitzter Tabak) und nikotinhaltigen Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten (sog. Liquids)
Mit der Änderung wird die Ungleichbehandlung von Zigaretten, nikotinhaltigen Substanzen für E-Zigaretten und Heat-not-Burn-Produkten beendet. Die steuerliche Anpassung ist aufgrund des bestehenden Gefährdungspotenzials nikotinhaltiger Produkte und Substanzen auch aus Gründen des Gesundheits- und Jugendschutzes geboten. Nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung ist es auch durch den Gebrauch von nikotinhaltigen Liquids in E-Zigaretten möglich, eine Nikotinsucht zu entwickeln. Stark nikotinhaltige Liquids in Kombination mit Fruchtaromen stellen insbesondere für Heranwachsende eine besondere Sucht- und Gesundheitsgefährdung dar.
Heat-not-Burn-Produkte werden daher steuerlich mit Zigaretten gleichgestellt: Was die Verbraucher*innen für eine Zigarette halten, wird ab dem 1. Januar 2022 auch wie eine Zigarette besteuert.
Auch E-Zigaretten, deren Liquids Nikotin enthalten, dienen als Ausweichprodukt für Zigaretten. Aus diesem Grund sollen diese zukünftig sachgerecht besteuert werden. Für nikotinhaltige Liquids zur Verwendung in E-Zigaretten wird der Steuertarif in den Jahren 2022 (ab Juli) und 2023 zunächst 0,02 Euro pro mg Nikotin betragen. Erst ab 2024 wird der Steuertarif auf 0,04 Euro pro mg Nikotin erhöht.
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Referentenentwurf
Quelle: BMF
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Scholz: „Wichtiger Schritt für mehr Steuergerechtigkeit“
Das Bundeskabinett hat am 24. März 2021 den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie beschlossen. Die Bundesregierung schlägt schärfere Regelungen zur Bekämpfung aggressiver Steuergestaltungen vor. Strategien multinationaler Unternehmen zur Steuervermeidung sollen durch die neuen Regeln wirksam bekämpft werden.
Der Gesetzentwurf schränkt Gestaltungsinstrumente multinationaler Unternehmen zur Steuervermeidung spürbar ein und sorgt für eine weitere Harmonisierung des Unternehmensteuerrechts in der EU. Die Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie (ATAD) enthält ein Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung. Deutschland erfüllt in vielen Bereichen bereits heute weitgehend die von der ATAD vorgegebenen Standards und tut jetzt noch mehr.
„Eine gerechte Gesellschaft gibt es nur mit einem gerechten Steuersystem. Diesem Gedanken folgt der heutige Kabinettsbeschluss zur Umsetzung der ATAD-Richtlinie. Damit machen wir einen großen Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Wir stellen uns aggressiver Steuergestaltung und Gewinnverlagerung entgegen. Es muss Schluss damit sein, dass sich große Konzerne um die Steuerpflicht herumdrücken. Jeder muss einen fairen Beitrag leisten. Mit dem heute beschlossenen Gesetz zeigen wir: Wir lassen nicht locker, wir stopfen Steuerschlupflöcher. Dabei steht Deutschland nicht allein, sondern handelt vereint mit seinen europäischen Partnern.“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Der Gesetzentwurf enthält folgende Regelungen:
Verhinderung hybrider Gestaltungen
Die Regelungen zur Beseitigung von Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit hybriden Gestaltungen verhindern, dass Betriebsausgaben mehrfach berücksichtigt werden oder dass Betriebsausgaben berücksichtigt werden, obwohl die entsprechenden Einnahmen keiner Besteuerung unterliegen. Damit werden die Artikel 9 und 9b der ATAD umgesetzt.
Reform der Hinzurechnungsbesteuerung
Durch Anpassungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung wird die Bekämpfung niedrigbesteuerter Einkünfte grenzüberschreitend agierender Unternehmen zeitgemäß und rechtssicher ausgestaltet. Insbesondere wird das Beherrschungskriterium angepasst. Statt auf eine Inländerbeherrschung abzustellen, wird künftig eine gesellschafterbezogene Betrachtung des Beherrschungskriteriums durchgeführt. Außerdem findet bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung keine Verlustkonsolidierung auf Ebene der obersten ausländischen Gesellschaft mehr statt.
Reform der Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung
Der Entwurf enthält zudem Regelungen zur Anpassung der deutschen Wegzugs- und Entstrickungsregelungen an Artikel 5 der ATAD, der zum einen eine Besteuerung stiller Reserven im Fall des Wegzugs oder der Überführung einzelner Wirtschaftsgüter ins Ausland anordnet und andererseits dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der zeitlichen Streckung dieser Besteuerung über einen Zeitraum von fünf Jahren einräumt. Bei der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen nach § 6 des Außensteuergesetzes sieht der Gesetzentwurf Vereinheitlichungen bei den Stundungsregelungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung bei der sog. Rückkehrerregelung und zur Verhinderung von Steuergestaltungen bei substanziellen Gewinnausschüttungen vor.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Pressemitteilung vom 24.03.2021
Scholz will Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen stärken
Das Bundeskabinett hat am 24. März 2021 den Entwurf des Bundesfinanzministeriums für ein Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) beschlossen. Damit sollen die steuerlichen Rahmenbedingungen insbesondere für mittelständische Personengesellschaften und Familienunternehmen verbessert sowie das Unternehmensteuerrecht internationalisiert werden.
Kern des Gesetzentwurfes ist die Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer, die es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ermöglicht, wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden.
„Wir setzen uns ein für den Mittelstand, der Deutschlands Wirtschaft so erfolgreich macht. Für den internationalen Wettbewerb stärken wir Familienunternehmen und mittelständische Personengesellschaften. Mir ist es wichtig, dass sie die Option erhalten, wie eine Kapitalgesellschaft veranschlagt zu werden. Zudem globalisieren wir das Umwandlungssteuerrecht und erleichtern steuerneutrale Umwandlungen.“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Der Gesetzentwurf enthält folgende Regelungen:
Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften
Die Option zur Körperschaftsteuer stellt einen weiteren wichtigen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der vielen auf internationalen Märkten erfolgreich tätigen Familienunternehmen in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft dar. Schließlich sollen damit systematische als auch verfahrensrechtliche Unterschiede, die im Einzelfall zu teils erheblichen Abweichungen bei Steuerbelastung und Bürokratieaufwand führen können, beseitigt werden.
Globalisierung der für die Umwandlung von Körperschaften maßgeblichen Teile des Umwandlungssteuergesetzes
Mit der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs für Umwandlungen im Sinne des Umwandlungssteuergesetzes wird das Umwandlungssteuerrecht weiter globalisiert. Künftig sind neben Verschmelzungen auch Spaltungen und Formwechsel von Körperschaften mit Bezug zu Drittstaaten steuerneutral möglich. Dadurch werden die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen und ihre ausländischen Tochtergesellschaften maßgeblich erweitert, betrieblich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen steuerneutral durchzuführen.
Ersatz der Ausgleichsposten bei organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen durch die sog. Einlagelösung
Im Bereich der körperschaftsteuerlichen Organschaft wird Bürokratieaufwand verringert. Die Ausgleichsposten für Mehr- und Minderabführungen werden durch ein einfacheres System, die sog. Einlagelösung, ersetzt.
Streichung des Abzugsverbots für Gewinnminderungen aus Währungskursschwankungen
Mit dem Gesetz werden Anpassungen bei der steuerlichen Behandlung von Währungskursgewinnen und -verlusten bei Gesellschafterdarlehen vorgenommen, indem Währungskursverluste von dem Abzugsverbot ausgenommen werden. Dadurch wirken sich nunmehr Gewinne und Verluste aufgrund von Währungskursschwankungen gleichermaßen bei der Ermittlung des steuerlichen Einkommens aus.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 20 / 10001 :001 vom 18.03.2021
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieses Schreibens ergangenen BMF-Schreiben das Folgende:
Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2019 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieses BMF-Schreibens ergangenen BMF-Schreiben anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt sind. Die nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben werden für nach dem 31. Dezember 2019 verwirklichte Steuertatbestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2020 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende BMF-Schreiben überholt sind.
BMF-Schreiben in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen. Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten. Die in der Anlage 1 zum o. a. BMF-Schreiben vom 11. März 2020 aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben sind nachrichtlich in der Anlage 2 (gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 11. März 2020 (BStBl I S. 298) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11. März 2020 (BStBl I S. 299) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMFSchreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es wird unter demselben Datum wie die dementsprechenden gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegeben.
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Weitere Schreiben zur Eindämmung der Normenflut finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben III C 4 – S-6532 / 19 / 10001 :004 vom 23.03.2021
Hiermit werden die Neufassungen der Formulare zur Anmeldung der Versicherungsteuer (§ 8 Versicherungsteuergesetz) und der Feuerschutzsteuer (§ 8 Feuerschutzsteuergesetz) bekannt gegeben (siehe Anlagen). Die Neufassungen gehen im Wesentlichen zurück auf Änderungen des Versicherungsteuergesetzes durch Artikel 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2659).
Die angepassten Anmeldeformulare sollen ab dem 25. März 2021 auf dem Formular-Management-System (FMS) der Bundesfinanzverwaltung unter www.formulare-bfinv.de abrufbar sein. Die Vordrucke sind darüber hinaus aber auch im Hinblick auf frühere Anmeldezeiträume zu verwenden.
Das BMF-Schreiben vom 18. Januar 2013 – IV D 5-S-6532 / 12 / 10001 – BStBl I 2013 S. 97 wird mit Wirkung ab der technischen Bereitstellung der aktualisierten VersicherungsteuerVordrucke aufgehoben. Das Gleiche gilt hinsichtlich des BMF-Schreibens vom 28. November 2013 – IV D 5-S-6532 / 13 / 10001 – BStBl I 2013 S. 1517 betreffend die Anmeldevordrucke für die Feuerschutzsteuer.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV B 3 – S-1301-BEL / 20 / 10002 :001 vom 23.03.2021
Fünfte Verlängerung der Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 6. Mai 2020 – Besteuerung von Grenzpendlern
Entlastung der grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
Die am 6. Mai 2020 mit dem Königreich Belgien abgeschlossene und am 20. Mai 2020, am 22. Juni 2020, am 24. August 2020 sowie am 11. Dezember 2020 verlängerte Konsultationsvereinbarung zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuer in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von Grenzpendlern läuft grundsätzlich am Ende eines Monats aus, wenn sie nicht spätestens eine Woche vor Ablauf des vorhergehenden Monats verlängert wird. Mit schriftlicher Vereinbarung der zuständigen Behörden vom 17. März 2021 wurde sie nunmehr bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Die in der Konsultationsvereinbarung vom 6. Mai 2020 getroffene allgemeine Regelung, dass eine Kündigung der Konsultationsvereinbarung einseitig von jeder der zuständigen Behörden durch Mitteilung an die andere zuständige Behörde möglich ist, bleibt unberührt. Eine frühere Beendigung der Vereinbarung bleibt somit möglich.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV B 3 – S-1301-NDL / 20 / 10004 :001 vom 23.03.2021
Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande vom 6. April 2020 zur Besteuerung von Grenzpendlern – Dritte Verlängerung
Entlastung der grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
Die am 6. April 2020 mit dem Königreich der Niederlande abgeschlossene Konsultationsvereinbarung zum Abkommen vom 12. April 2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen verlängert sich am Ende eines jeden Kalendermonats automatisch jeweils um einen Monat, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird.
Aufgrund des aktuellen Pandemiegeschehens haben wir uns mit den Niederlanden darauf verständigt, dass die Konsultationsvereinbarung zumindest bis zum 30. Juni 2021 Bestand haben wird. Hierzu haben die zuständigen Behörden am 5./10. März 2021 eine schriftliche Absprache unterzeichnet, die ich Ihnen hiermit übersende.
Das Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0336 / 20 / 10001 :037 vom 18.03.2021
In weiten Teilen des Bundesgebietes entstehen durch das Coronavirus weiterhin beträchtliche wirtschaftliche Schäden. Es ist daher angezeigt, den Geschädigten durch eine angemessene Verlängerung der steuerlichen Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten entgegenzukommen.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher im Hinblick auf Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, ergänzend zum BMF-Schreiben vom 19. März 2020 – IV A 3 – S-0336 / 19 / 10007: 002 – (BStBl I S. 262) Folgendes:
- Stundung im vereinfachten Verfahren1.1 Die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen können bis zum 30. Juni 2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern stellen. Die Stundungen sind längstens bis zum 30. September 2021 zu gewähren. § 222 Satz 3 und 4 AO bleibt unberührt.
1.2 In den Fällen der Ziffer 1.1 können über den 30. September 2021 hinaus Anschlussstundungen für die bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern im Zusammenhang mit einer angemessenen, längstens bis zum 31. Dezember 2021 dauernden Ratenzahlungsvereinbarung gewährt werden.
1.3 Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für (Anschluss-)Stundungen nach den Ziffern 1.1 und 1.2 sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können.
1.4 Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann in den vorgenannten Fällen verzichtet werden.
- Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen (Vollstreckungsaufschub) im vereinfachten Verfahren
2.1 Wird dem Finanzamt bis zum 30. Juni 2021 aufgrund einer Mitteilung des Vollstreckungsschuldners bekannt, dass der Vollstreckungsschuldner nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist, soll bis zum 30. September 2021 von Vollstreckungsmaßnahmen bei bis zum 30. Juni 2021 fällig gewordenen Steuern abgesehen werden.In diesen Fällen sind die im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. September 2021 entstandenen Säumniszuschläge grundsätzlich zu erlassen.
2.2 Bei Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung ist in den Fällen der Ziffer 2.1 eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs für die bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern längstens bis zum 31. Dezember 2021 einschließlich des Erlasses der bis dahin insoweit entstandenen Säumniszuschläge möglich.
2.3 Die Finanzämter können den Erlass der Säumniszuschläge durch Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 AO) regeln.
- Anpassung von Vorauszahlungen im vereinfachten VerfahrenDie nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen können bis zum 31. Dezember 2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 2021 stellen. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Diese Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können.
- Stundung, Vollstreckungsaufschub und Anpassung von Vorauszahlungen in anderen FällenFür Anträge auf (Anschluss-) Stundung oder Vollstreckungsaufschub außerhalb der Ziffern 1.1 und 1.2 bzw. 2.1. und 2.2 sowie auf Anpassung von Vorauszahlungen außerhalb der Ziffer 3 gelten die allgemeinen Grundsätze und Nachweispflichten. Dies gilt auch für Ratenzahlungsvereinbarungen über den 31. Dezember 2021 hinaus.
Dieses Schreiben ergänzt das BMF-Schreiben vom 19. März 2020 – IV A 3 – S-0336 / 19 / 10007: 002 – (BStBl I S. 262) und tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 22. Dezember 2020 – IV A 3 – S-0336 / 20 / 10001 :025 – (BStBl 2021 I S. 45).
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Mitteilung vom 19.03.2021
Mit der Verordnung zur Einstufung der Gemeinden in eine Mietniveaustufe im Sinne des § 254 des Bewertungsgesetzes (BewG) wird die erforderliche gemeindebezogene Einordnung in die jeweilige Mietniveaustufe zur Ermittlung der Zu- und Abschläge auf die aus statistischen Grundlagen abgeleiteten durchschnittlichen Nettokaltmieten gemäß Anlage 39 zum BewG festgelegt.
Ziel der Verordnung ist, jede Gemeinde im Bundesgebiet einer entsprechenden Mietniveaustufe zuzuordnen. Die Zuordnung der Gemeinden zu den einzelnen Mietniveaustufen erfolgt auf Grundlage des Artikels 1 der Zwölften Verordnung zur Änderung der Wohngeldverordnung vom 6. Juli 2020 (12. WoGVÄndV, BGBl. I S. 1594).
Die Verordnung ist für die Bewertung der Wohngrundstücke erforderlich.
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Referentenentwurf
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Mitteilung vom 19.03.2021
Mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) vom 26. November 2019 (BGBl. I S. 1794) wurde das Grundsteuer- und das dazugehörende Bewertungsrecht innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist bis Ende 2019 neu geregelt. Im Rahmen der Umsetzung der Grundsteuer-Reform hat sich weiterer gesetzlicher Handlungsbedarf ergeben.
Zur fristgerechten Umsetzung der Grundsteuerreform und zur Gewährleistung einer weiterhin relations- und realitätsgerechten Bewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer zum Hauptfeststellungsstichtag 1. Januar 2022 sind insbesondere folgende gesetzliche Änderungen fachlich geboten:
- Schaffung einer Möglichkeit zur Beibehaltung der auf Grundlage der bisherigen Regelung zum Umfang der wirtschaftlichen Einheiten bei Ehegatten und Lebenspartnern nach § 26 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nach § 34 Abs. 4 bis 6 BewG gebildeten wirtschaftlichen Einheiten durch Einführung eines neuen § 266 Abs. 5 BewG,
- Anpassung der sich aus Anlage 39 (zu § 254 BewG) ergebenden durchschnittlichen Nettokaltmieten zur Ermittlung des Rohertrags von Wohngrundstücken und Einführung einer neuen Mietniveaustufe 7 auf der Grundlage aktueller Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus 2018 sowie
- Absenkung der Steuermesszahl für Wohngrundstücke.
Im Bereich der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer sind infolge aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung folgende gesetzliche Änderungen erforderlich:
- Erhaltung der sach- und praxisgerechten Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten der Gutachterausschüsse sowie
- Definition konkreter Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Gutachters beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG.
Darüber hinaus sieht der Entwurf die gesetzliche Umsetzung des Beschlusses der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 3. März 2021 vor, wonach „der Länder- und Kommunalanteil an dem im Jahr 2021 einmalig gezahlten Kinderbonus in Höhe von 150 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind … den Ländern vom Bund nachträglich erstattet [wird]“ über die Änderung der Festbeträge der vertikalen Umsatzsteuerverteilung des Jahres 2021 in § 1 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz (FAG).
Im Weiteren hat sich kurzfristig weiterer Änderungsbedarf im Forschungszulagengesetz (FZulG) ergeben. Im Rahmen der Umsetzung des FZulG hat sich gezeigt, dass in einzelnen Punkten die derzeitigen gesetzlichen Formulierungen in der Interpretation zu unterschiedlichen – auch nicht gewollten – Folgen führen können. Die vorgeschlagene Umsetzung des identifizierten Änderungsbedarfs dient vor allem der Rechtsklarheit und Vereinfachung und soll so zu einer größeren Akzeptanz der Förderung von Anfang an beitragen.
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Referentenentwurf
Quelle: BMF
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Kern des Gesetzentwurfs ist die in den Koalitionsausschüssen am 8. März und 3. Juni 2020 beschlossene Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer, die es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ermöglicht, wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden. Die Option zur Körperschaftsteuer stellt einen weiteren wichtigen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der vielen auf internationalen Märkten erfolgreich tätigen Familienunternehmen in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft dar. Mit der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs für Umwandlungen im Sinne des Umwandlungssteuergesetzes wird das Umwandlungssteuerrecht weiter globalisiert. Künftig sollen neben Verschmelzungen auch Spaltungen und Formwechsel von Körperschaften mit Bezug zu Drittstaaten steuerneutral möglich sein. Dadurch werden die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen und ihre ausländischen Tochtergesellschaften maßgeblich erweitert, betrieblich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen steuerneutral durchzuführen. Im Bereich der körperschaftsteuerlichen Organschaft werden die Ausgleichsposten für Mehr- und Minderabführungen durch ein einfacheres System, die sog. Einlagelösung, ersetzt. Zudem können künftig Verluste aus Währungskursschwankungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen als Betriebsausgabe abgezogen werden.
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Referentenentwurf
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Mitteilung vom 19.03.2021
Mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) vom 26. November 2019 (BGBl. I S. 1794) wurde das Grundsteuer- und das dazugehörende Bewertungsrecht innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist bis Ende 2019 neu geregelt. Im Rahmen der Umsetzung der Grundsteuer-Reform hat sich weiterer gesetzlicher Handlungsbedarf ergeben.
Zur fristgerechten Umsetzung der Grundsteuerreform und zur Gewährleistung einer weiterhin relations- und realitätsgerechten Bewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer zum Hauptfeststellungsstichtag 1. Januar 2022 sind insbesondere folgende gesetzliche Änderungen fachlich geboten:
- Schaffung einer Möglichkeit zur Beibehaltung der auf Grundlage der bisherigen Regelung zum Umfang der wirtschaftlichen Einheiten bei Ehegatten und Lebenspartnern nach § 26 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nach § 34 Abs. 4 bis 6 BewG gebildeten wirtschaftlichen Einheiten durch Einführung eines neuen § 266 Abs. 5 BewG,
- Anpassung der sich aus Anlage 39 (zu § 254 BewG) ergebenden durchschnittlichen Nettokaltmieten zur Ermittlung des Rohertrags von Wohngrundstücken und Einführung einer neuen Mietniveaustufe 7 auf der Grundlage aktueller Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus 2018 sowie
- Absenkung der Steuermesszahl für Wohngrundstücke.
Im Bereich der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer sind infolge aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung folgende gesetzliche Änderungen erforderlich:
- Erhaltung der sach- und praxisgerechten Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten der Gutachterausschüsse sowie
- Definition konkreter Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Gutachters beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG.
Darüber hinaus sieht der Entwurf die gesetzliche Umsetzung des Beschlusses der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 3. März 2021 vor, wonach „der Länder- und Kommunalanteil an dem im Jahr 2021 einmalig gezahlten Kinderbonus in Höhe von 150 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind … den Ländern vom Bund nachträglich erstattet [wird]“ über die Änderung der Festbeträge der vertikalen Umsatzsteuerverteilung des Jahres 2021 in § 1 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz (FAG).
Im Weiteren hat sich kurzfristig weiterer Änderungsbedarf im Forschungszulagengesetz (FZulG) ergeben. Im Rahmen der Umsetzung des FZulG hat sich gezeigt, dass in einzelnen Punkten die derzeitigen gesetzlichen Formulierungen in der Interpretation zu unterschiedlichen – auch nicht gewollten – Folgen führen können. Die vorgeschlagene Umsetzung des identifizierten Änderungsbedarfs dient vor allem der Rechtsklarheit und Vereinfachung und soll so zu einer größeren Akzeptanz der Förderung von Anfang an beitragen.
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Referentenentwurf
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 23. März 2021
Reeder bei den Personalkosten entlasten
Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 22.03.2021
Um Seemanns-Know-how in Deutschland zu sichern, sollen deren Arbeitgeber weiterhin bei den Personalkosten entlastet werden. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des erhöhten Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt (19/27719) vorgelegt. Die Maßnahme sieht vor, dass Reeder und Arbeitgeber von Seeleuten auf Schiffen unter deutscher Flagge zwar die deutsche Lohnsteuer von der Heuer abziehen, diese aber als Wettbewerbsvorteil einbehalten. Die Regelung soll um sechs Jahre verlängert werden. Darüber hinaus wird sie laut Entwurf ausgedehnt auf Schiffe unter Flagge eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union sowie auf die eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, etwa Norwegen oder Island.
Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 364/2021
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... weiterlesen!FinMin Baden-Württemberg, Erlass (gleichlautender Ländererlass) 3 – S-274.5b / 2 vom 19.03.2021
Gemäß § 10a Sätze 11 und 12 GewStG ist auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge von Körperschaften § 8d des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden.
Nach dem Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder sind somit auch die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 18. März 2021 (BStBl I S. …1) zur Anwendung des § 8d KStG bei der Gewerbesteuer entsprechend anzuwenden.
Quelle: FinMin Baden-Württemberg
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... weiterlesen!BRAK, Mitteilung vom 19.03.2021
Der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona hat dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 11. März 2021 in der Rechtssache Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster (C-66/20) vorgeschlagen zu entscheiden, dass eine Finanzbehörde keine Europäische Ermittlungsanordnung (EIO) erlassen darf.
Im Ausgangsfall ging es um das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster, welches eine EIO an die Staatsanwaltschaft Trient übermittelte. Nach deutschem Recht führt das Finanzamt bestimmte Ermittlungsverfahren wegen Steuerstraftaten selbständig durch, dabei soll es die Rechte und Pflichten erhalten, die sonst der Staatsanwaltschaft zustehen. Die Staatsanwaltschaft Trient berief sich auf die Richtlinie, welche besagt, dass eine EIO von einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft getroffen und erlassen werden kann, sowie von jeder anderen Behörde, die in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsbehörde in einem Strafverfahren für die Anordnung der Erhebung von Beweismitteln zuständig ist. Für letzteren Fall sieht die Richtlinie eine Validierung durch ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft vor. Dies hielt die Staatsanwaltschaft für erforderlich, der Generalanwalt schloss sich dem an.
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Schlussanträge des Generalanwalts (März 2021)
Quelle: BRAK, Nachrichten aus Brüssel Ausgabe 06/2021
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... weiterlesen!BRAK, Mitteilung vom 19.03.2021
Die Europäische Kommission führt derzeit eine Konsultation in Vorbereitung einer Richtlinie über die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungsbehörden im Bereich Kryptowerte und E-Money durch (sog. „DAC-8“-Richtlinie). Interessenträger haben bis zum 2. Juni 2021 die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen. Der erste Teil des Fragenkatalogs befasst sich mit der Besteuerung von diesen neuen Zahlungsmitteln, in einem zweiten Teil geht es allgemein um die verbesserte Sanktionierung von Verstößen.
Die Fragen im zweiten Teil der Konsultation zielen beispielsweise darauf ab, ob die Maßnahmen gegen Verstöße im jeweiligen Land „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. Es wird erörtert, ob es harmonisierter oder koordinierter Vorschriften über Verstöße bedürfe. Schließlich geht es auch um nichtmonetäre Maßnahmen, beispielsweise wird die öffentliche Bekanntmachung des Namens natürlicher Personen und von Unternehmen vorgeschlagen. Der Vorschlag für einen Rechtsakt hinsichtlich Kryptowerten wird für das letzte Quartal erwartet.
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Konsultation der Kommission (EN) (März 2021)
Quelle: BRAK, Nachrichten aus Brüssel Ausgabe 06/2021
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... weiterlesen!- 22. März 2021
Kapitalisierung von Kleinbetragsrenten
FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 15.03.2021 zum Urteil 7 K 7032/16 vom 26.10.2020
Keine ermäßigte Besteuerung für Einkünfte aus der Kapitalisierung von Kleinbetragsrenten
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 26. Oktober 2020 (Az. 7 K 7032/16) im zweiten Rechtsgang entschieden, dass auf die Kapitalisierung von Kleinbetragsrenten im Jahre 2013 die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – nicht anwendbar ist, da die Kapitalisierung von Kleinbetragsrenten in dem Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2017 nicht atypisch gewesen ist.
Im Streitfall hatte der Kläger einen nach §§ 79 ff. EStG geförderten Sparvertrag mit einer Bank geschlossen, der die Möglichkeit einer förderunschädlichen Einmalauszahlung im Vertrag vorsah. Die Kapitalisierung erfolgte dann in 2013. In dem Einkommensteuerbescheid sah der Beklagte die von dem Kläger erklärte Einmalauszahlung als steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG an.
Nach der Zurückweisung durch den Bundesfinanzhof hatte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg darüber zu entscheiden, ob die Kapitalisierung laufender Rentenansprüche im Bereich der Altersvorsorgeverträge (§§ 82 ff. EStG) als atypisch im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG anzusehen ist. Die bisherigen Feststellungen sah der Bundesfinanzhof als nicht ausreichend an. Das Finanzgericht befragte eine für den gesamten Markt repräsentativen Anzahl von Versicherungsunternehmen, die zertifizierte Altersvorsorgeverträge anbieten. Aus der Befragung zog das Finanzgericht den Schluss, dass eine Teil/Kapitalisierung im relevanten Zeitraum in einer Vielzahl von Verträgen erfolgt sei. Dafür, dass die Kapitalisierung typisch gewesen sei, spreche zudem, dass die monatliche Auszahlung für die Versicherungsunternehmen nicht rentabel sei und der Gesetzgeber eine solche Kapitalisierungsform in § 93 Abs. 3 EStG normiert habe.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg
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... weiterlesen!- 19. März 2021
Bund und Länder bringen Härtefallhilfen auf den Weg – wichtige Ergänzung der umfassenden Unternehmenshilfen
BMF, Pressemitteilung vom 19.03.2021
Bund und Länder haben sich am 18.03.2021 auf die Ausgestaltung der Härtefallhilfen geeinigt. Die Härtefallhilfen ergänzen die bisherigen umfangreichen Unternehmenshilfen und bieten den Ländern auf Grundlage von Einzelfallprüfungen die Möglichkeit zur Förderung von Unternehmen, die im Ermessen der Länder eine solche Unterstützung benötigen. Die Härtefallhilfen sind ein Angebot des Bundes an die Länder. Dazu schließen diejenigen Länder, die sich beteiligen wollen, eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund. Antragstellung und Bewilligung erfolgen bei den jeweiligen Landesstellen.
Nachfolgend ein Überblick zur Förderung:
Zielstellung: Die Härtefallhilfen sollen es den Ländern ermöglichen, diejenigen Unternehmen zu unterstützen, die aufgrund von speziellen Fallkonstellationen unter den bestehenden umfassenden Hilfsprogrammen von Bund und Ländern nicht berücksichtigt sind, deren wirtschaftliche Existenz aber infolge der Corona-Pandemie bedroht wird.
Förderung: Die Höhe der Unterstützungsleistung orientiert sich grundsätzlich an den förderfähigen Tatbeständen der bisherigen Unternehmenshilfen des Bundes, d. h. insbesondere an den förderfähigen Fixkosten. Die Härtefallhilfe sollte im Regelfall 100.000 Euro nicht übersteigen. Der Förderzeitraum ist der 1. März 2020 bis 30. Juni 2021.
Antragsberechtigung: Zugang zu den Härtefallhilfen haben grundsätzlich Unternehmen und Selbstständige. Das jeweilige Bundesland legt die zu erbringenden Angaben zur Antragsberechtigung des Antragstellenden in Anlehnung an die Überbrückungshilfen III fest. Die Angaben umfassen ablehnende Bescheide bisheriger Förderanträge bzw. die Darlegung der Gründe für die fehlende Antragsberechtigung in den bestehenden Hilfsprogrammen von Bund und Ländern.
Antragstellung und -bewilligung: Die Antragstellung erfolgt bei den Ländern und grundsätzlich über „prüfende Dritte“, also beispielsweise über eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater. Die zuständige Bewilligungsstelle der Länder entscheidet über die Art und Höhe der Hilfe in eigener Regie unter Billigkeitsgesichtspunkten im Rahmen der verfügbaren Mittel. Jedes Land richtet dazu einen geeigneten Entscheidungsmechanismus, beispielsweise eine „Härtefallkommission“ ein. Die Bewilligung durch die zuständigen Stellen muss beihilferechtskonform erfolgen.
Finanzierung: Bund und Länder stellen für die Härtefallfazilität einmalig im Jahr 2021 Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt bis zu 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Finanzierung erfolgt hälftig durch den Bund und das jeweilige Land.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 19. März 2021
Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2745-b / 19 / 10002 :002 vom 18.03.2021
Das BMF-Schreiben vom 18.03.2021 nimmt zur Anwendung des § 8d des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. d. F. des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) Stellung.
Das BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 19. März 2021
Gesetzentwurf zur Entlastung von Abzugsteuern
Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 18.03.2021
Die Bundesregierung will den Missbrauch bei der Entlastung von Abzugsteuern entschiedener bekämpfen. Dazu hat sie den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer vorgelegt (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, 19/27632). Die Vorschriften zum Verfahren der Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger von Abzugsteuern sowie ihr Zusammenspiel mit den Regelungen zur Besteuerung von Investmentfonds sollen neu gefasst werden. Der gesamte Prozess – Bescheinigung der abgeführten Steuer, Beantragung der Entlastung sowie Entscheidung der Behörde – soll digitalisiert werden. Faktoren, die zu einer unberechtigten Entlastung führen können, sollen ausgeschlossen werden. Verfahrensarten, mit denen eine Entlastung bewirkt werden kann, sollen reduziert werden. Zudem sollen bestimmte Verfahren von den Ländern auf den Bund übertragen werden.
Zur Betrugsbekämpfung speziell bei der Erstattung von Kapitalertragsteuer erhält das Bundeszentralamt für Steuern dem Gesetzentwurf zufolge künftig zusätzliche Informationen von den Finanzinstituten. Die Regelung zur Verhinderung missbräuchlicher Steuergestaltungen durch zwischengeschaltete ausländische Gesellschaften wird an die Vorgaben der europäischen Rechtsprechung angepasst.
Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 353/2021
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001 vom 18.03.2021
Das BMF-Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden vom 18. März 2021 (Az. III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001), schöpft den möglichen Gestaltungsspielraum, den das Unionsrecht durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie setzt, umfassend aus, um Unternehmern eine rechtssichere umsatzsteuerliche Abwicklung von Sachspenden zu ermöglichen. Es beseitigt vollumfänglich Unsicherheiten bei der Ermittlung der Umsatzsteuer auf eine Sachspende, die bislang von den Unternehmern immer wieder als Grund für den Verzicht auf eine Spende genannt wurden.
Unabhängig davon hat jedoch die Corona-Pandemie hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Spendenthematik zu einer einzigartigen Sondersituation geführt.
Durch die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Maßnahme des Lockdowns ist der Einzelhandel in besonderer Weise betroffen. Zwar erlaubte es der Online-Handel auch den Einzelhändlern, ihre Waren trotz des Lockdowns weiterhin zu verkaufen. Der typische Verkauf, der durch persönliche Beratung des Kunden und die Darbietung der Ware im Ladengeschäft gekennzeichnet ist, war jedoch nicht möglich. Dadurch hat sich vor allem Saisonware in einmalig großen Mengen in den Lagern der Einzelhändler angestaut, die jetzt nur noch schwerlich abzusetzen ist.
Unter Berücksichtigung dieser einzigartigen Belastung des Einzelhandels wird flankierend zu dem BMF-Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden vom 18. März 2021 (Az. III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001), und begleitend zu den bereits getroffenen coronabedingten steuerlichen Hilfsmaßnahmen sowie den Überbrückungshilfen eine befristete Billigkeitsregelung für Sachspenden gewährt. Danach wird bei Waren, die von Einzelhändlern, die durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen sind, an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden bzw. gespendet worden sind, auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet.
Diese Regelung gilt nur für Spenden, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2021 erfolgt sind.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 18. März 2021
Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Sachspenden – Bemessungsgrundlage bei Sachspenden
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7109 / 19 / 10002 :001 vom 18.03.2021
I. Grundsätzliches
Eine Sachspende aus dem Unternehmensvermögen stellt eine unentgeltliche Zuwendung dar, die einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist. Sachspenden unterliegen als sog. unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer, sofern der (später gespendete) Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Die Umsatzbesteuerung dient der Kompensation des vorangegangenen Vorsteuerabzugs und verhindert einen systemwidrigen unversteuerten Letztverbrauch. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sieht keine Möglichkeit vor, bei Sachspenden aus einem Unternehmensvermögen aus Billigkeitsgründen abweichend von diesen Grundsätzen auf eine Umsatzbesteuerung zu verzichten.
Die Bemessungsgrundlage einer Sachspende bestimmt sich nicht nach den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern nach dem fiktiven Einkaufspreis im Zeitpunkt der Spende. Das gilt auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände (Abschnitt 10.6 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Keine Sachspende in diesem Sinne ist der Verkauf eines Gegenstandes weit unter dem ursprünglichen Einkaufspreis. Abgesehen von Fällen der Mindest-Bemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 UStG – z. B. bei Verkauf an nahestehende Personen) ist hierfür kein fiktiver Einkaufspreis zu ermitteln. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist das tatsächliche Entgelt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UStG.
II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 15. März 2021 – III C 3 – S-7359 / 19 / 10005 :001 (2021/0300443), BStBl I S. xxxx, geändert worden ist, in Abschnitt 10.6 nach Absatz 1 folgender Absatz 1a eingefügt:
„(1a) 1Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach den Grundsätzen des Absatzes 1 Sätze 1 bis 6 ist auch zu berücksichtigen, ob Gegenstände zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Wertabgabe aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt verkehrsfähig sind. 2Hiervon ist bei Lebensmitteln auszugehen, wenn diese kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder die Verkaufsfähigkeit als Frischware, wie Backwaren, Obst und Gemüse, wegen Mängeln nicht mehr gegeben ist. 3Dies gilt auch für Non-Food-Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum wie beispielsweise Kosmetika, Drogerieartikel, pharmazeutische Artikel, Tierfutter oder Bauchemieprodukte wie Silikon oder Beschichtungen sowie Blumen und andere verderbliche Waren. 4Bei anderen Gegenständen ist die Verkehrsfähigkeit eingeschränkt, wenn diese aufgrund von erheblichen Material- oder Verpackungsfehlern (z. B. Befüllungsfehler, Falschetikettierung, beschädigte Retouren) oder fehlender Marktgängigkeit (z. B. Vorjahresware oder saisonale Ware wie Weihnachts- oder Osterartikel) nicht mehr oder nur noch schwer verkäuflich sind. 5Werden solche Gegenstände im Rahmen einer unentgeltlichen Wertabgabe abgegeben (z.B. Hingabe als Spende), kann eine im Vergleich zu noch verkehrsfähiger Ware geminderte Bemessungsgrundlage angesetzt werden. 6Die Minderung ist im Umfang der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit vorzunehmen, so dass der Ansatz einer Bemessungsgrundlage von 0 € nur bei wertloser Ware (z. B. Lebensmittel und Non-Food-Artikel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder bei Frischwaren, bei denen die Verkaufsfähigkeit nicht mehr gegeben ist) in Betracht kommt. 7Eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit liegt insbesondere nicht vor, wenn Neuware ohne jegliche Beeinträchtigung aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen aus dem Warenverkehr ausgesondert wird. 8Auch wenn diese Neuware ansonsten vernichtet werden würde, weil z. B. Verpackungen beschädigt sind, bei Bekleidung deutliche Spuren einer Anprobe erkennbar sind oder Ware verschmutzt ist, ohne dass sie beschädigt ist, führt dies nicht dazu, dass die Neuware ihre Verkaufsfähigkeit vollständig verliert. 9Auch in diesen Fällen ist ein fiktiver Einkaufspreis anhand objektiver Schätzungsunterlagen zu ermitteln.“
III. Anwendung
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 18. März 2021
Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV B 5 – S-1351 / 19 / 10002 :001 vom 17.03.2021
Durch das BMF-Schreiben werden die Voraussetzungen für die sinngemäße Anwendung des § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (AStG) für Fälle erläutert, die den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 22. Mai 2019 – I R 11/19 – und vom 18. Dezember 2019 – I R 59/17 – gleichgelagert sind.
Das Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 18. März 2021
Längere Stundungsmöglichkeit für Steuern
DStV, Mitteilung vom 16.03.2021
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat angesichts der andauernden coronabedingten Belastungen angekündigt, die Stundungsmöglichkeiten fälliger Steuerzahlungen weiter zu verlängern. Zinslose Stundung könnte danach bis zum 30.09.2021 gewährt werden.
Steuerstundungsmöglichkeiten waren zuletzt ein erprobtes Mittel, um von der Corona-Krise gebeutelte Unternehmen in ihrer Liquiditätsnot zu entlasten.
Die Finanzverwaltung veröffentlichte Ende letzten Jahres bereits ein entsprechendes BMF-Schreiben. Danach gelten für nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffene Steuerpflichtige besondere Stundungsregelungen (vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2020). Steuerpflichtige können seither bis zum 31.03.2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis dato fälligen Steuern stellen. Die Stundungen sollen gemäß den bisherigen Vorgaben längstens bis zum 30.06.2021 gewährt werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am 16.03.2021 angekündigt, diese Fristen zu verlängern. Anträge auf Stundung könnten dann bis zum 30.06.2021 gestellt und zinslose Stundung bis zum 30.09.2021 gewährt werden (vgl. SZ v. 16.03.2021). Ein offizielles, aktualisiertes und mit den Ländern abgestimmtes BMF-Schreiben mit weiteren Einzelheiten dürfte in Kürze veröffentlicht werden.
Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de
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... weiterlesen!BFH, Urteil VI R 34/18 vom 30.09.2020
Leitsatz
- § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG ist erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem 31.12.2013 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird. Eine Anwendung auf alle Änderungsanträge, über die nach dem 31.12.2013 zu entscheiden ist, unabhängig davon, ob sie Lohnsteuer-Anmeldungen für Veranlagungszeiträume vor 2014 betreffen, kommt nicht in Betracht.
- Steht eine Lohnsteuer-Anmeldung nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, hindert § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung nach den allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO nicht.
- § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist auch erfüllt, wenn ein Dritter den Arbeitgeber bei Abgabe einer Lohnsteuer-Anmeldung arglistig täuscht.
- Auch wenn die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO erfüllt sind, ist eine Änderung nicht zwingend, sondern liegt im Ermessen des FA. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt nicht in Betracht.
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... weiterlesen!- 18. März 2021
Hamburg bekommt ein neues, eigenes Grundsteuerrecht
Hamburger Senat, Pressemitteilung vom 16.03.2021
Der Senat hat am 16.03.2021 den Gesetzentwurf zur neuen Hamburger Grundsteuer beschlossen und der Bürgerschaft zur weiteren Beratung vorgelegt. Die bisherige Einheitsbewertung für die Grundsteuer wurde durch das Bundesverfassungsgericht im April 2018 für verfassungswidrig erklärt, eine gesetzliche Neuregelung ist daher zwingend notwendig. Im Zuge der Verabschiedung des neuen bundesrechtlichen Grundsteuer- und Bewertungsrechts wurde 2019 eine Öffnungsklausel vereinbart, die es den Ländern ermöglicht, ein eigenes Modell anzuwenden. Hamburg hatte sich schon 2020 entschieden, einen eigenen Weg zu gehen, um zu vermeiden, dass die stark ansteigende Bodenwertentwicklung auf die Grundsteuer in Hamburg 1:1 durchschlägt und das Wohnen zusätzlich verteuert. Der Senat setzt für das ab 2025 geltende Hamburgische Grundsteuergesetz auf ein sog. Wohnlagemodell.
„Unser einfach anzuwendendes Wohnlagemodell bei der neuen Grundsteuer ist die richtige Antwort auf die teilweise dramatische Bodenwertentwicklung in unserer Stadt. Wir wollen Wohnen in Hamburg nicht weiter verteuern. Gerade günstiges Wohnen haben wir bei den verschiedenen Grundsteuer-Ermäßigungen besonders berücksichtigt. Das Wohnlagemodell ist sehr unbürokratisch, es werden nur wenige und einfach ermittelbare Angaben der Steuerpflichtigen benötigt, was wiederum technisch wenig Aufwand und im Ergebnis geringere Kosten bedeutet.“
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel
„Das heute vom Senat beschlossene Grundsteuermodell ist auf die Erfordernisse Hamburgs mit seinem großen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zugeschnitten: Die neue Grundsteuer begünstigt das Wohnen deutlich und unterscheidet bei der Bemessungsgrundlage nach Flächengrößen und Wohnlagen, nicht nach reinen Bodenrichtwerten. So entkoppeln wir die Entwicklung der Mietnebenkosten ein Stück weit von der hohen Dynamik der Grundstückspreisentwicklung. Mit der Einführung einer erhöhten Grundsteuer C nehmen wir ab 2025 zusätzlich die Spekulation mit baureifen, aber unbebauten Grundstücken verstärkt ins Visier. Diese Grundstücksspekulation soll durch die Grundsteuer C unattraktiver werden, damit sie vor allem dem dringend benötigten Wohnungsbau nicht mehr im Weg steht.“
Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt
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Hintergrund
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Gesetzentwurf
Quelle: Hamburger Senat
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... weiterlesen!BMF, Schreiben IV B 3 – S-1301-FRA / 19 / 10018 :007 vom 16.03.2021
Entlastung der grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
Die am 13. Mai 2020 mit der Französischen Republik abgeschlossene Konsultationsvereinbarung zum Abkommen vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 und der Zusatzabkommen vom 28. September 1989, 20. Dezember 2001 und 31. März 2015 verlängert sich am Ende eines jeden Kalendermonats automatisch jeweils um einen Monat, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird.
Aufgrund des aktuellen Pandemiegeschehens hat sich das BMF mit Frankreich darauf verständigt, dass die Konsultationsvereinbarung zumindest bis zum 30. Juni 2021 Bestand haben wird. Hierzu haben die zuständigen Behörden eine schriftliche Absprache unterzeichnet, die hiermit übersendet wird.
Das Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 17.03.2021 zum Urteil 4 K 1065/19 vom 25.11.2020
Kein Recht eines Dritten auf Einsichtnahme in die Steuerakten eines Steuerpflichtigen – auch nicht, wenn gegen den Steuerpflichtigen der Verdacht des Betrugs zum Nachteil des die Akteneinsicht Begehrenden besteht.
So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 25. November 2020 (Az. 4 K 1065/19). Die Revision wurde zugelassen.
Die Klägerin, Mitglied eines Bankenkonsortiums, hatte Geschäftsbeziehungen mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Deren Gesellschafter-Geschäftsführer hatte sich im Jahr 2008 für Verbindlichkeiten der GmbH selbstschuldnerisch verbürgt. 2009 wurde auf Antrag der GmbH über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Gesellschafter-Geschäftsführer aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Es folgten Vergleichsverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter-Geschäftsführer. Dieser legte der Klägerin zum 30. Juni 2009 eine Vermögensübersicht vor und versicherte eidesstattlich deren Richtig- und Vollständigkeit. Diese führte zu einem Vergleich. 2015 erstattete die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer wegen des Verdachts des Betrugs. Die Klägerin erlangte aus den Ermittlungsakten Kenntnis über eine Selbstanzeige des Gesellschafter-Geschäftsführers und ein beim beklagten Finanzamt geführtes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren. Daraufhin beantragte die Klägerin Einsicht in die bei der Straf- und Bußgeldsachenstelle des beklagten Finanzamts geführten Ermittlungsakten und Auskunft zu Schweizer Konten des Gesellschafter-Geschäftsführers. Das beklagte Finanzamt gewährte unter Bezugnahme auf das Steuergeheimnis keine Akteneinsicht. Es erteilte keine Auskünfte.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg wies die Klage auf Akteneinsicht ab. § 30 der Abgabenordnung (AO) regle das Steuergeheimnis und abschließend die Voraussetzungen für eine Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten. Das beklagte Finanzamt sei nicht nach § 30 Abs. 4 AO zur Offenbarung seiner Kenntnisse befugt. Diese seien nicht „in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden“, sondern vor dessen Einleitung aufgrund der Selbstanzeige des Gesellschafter-Geschäftsführers. Diese Mitteilung von Tatsachen sei nicht freiwillig erfolgt. Hierzu sei der Gesellschafter-Geschäftsführer nach den Vorschriften der AO verpflichtet gewesen. Mit seiner Selbstanzeige habe er nicht zugleich eine allgemeine Straftat offenbart. Alleine die Erkenntnis über (weitere) Einkünfte reiche für die Annahme eines Betrugs zulasten der Klägerin nicht aus. Die von der Klägerin begehrte Mitteilung werde auch nicht zur Verfolgung eines Verbrechens benötigt. Ein Betrug sei kein Verbrechenstatbestand mit mindestens einjähriger Freiheitsstrafe. Dieser sei eine Wirtschaftsstraftat. Daher bestehe eine Offenbarungsbefugnis des beklagten Finanzamts nur, wenn sich die Straftat gegen die gesamtwirtschaftliche Ordnung richten würde. Solch gravierende Auswirkungen habe das Vorgehen des Gesellschafter-Geschäftsführers jedoch nicht. Dessen Vorgehen sei auch nicht geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern. Gehe es im Streitfall der Klägerin letztendlich um die zivilrechtliche Rechtsverfolgung, die Klägerin möchte Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer geltend machen, bestehe auch kein „zwingendes öffentliches Interesse“ an der Offenbarung der Vermögenssituation des Gesellschafter-Geschäftsführers durch das beklagte Finanzamt.
Quelle: FG Baden-Württemberg
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... weiterlesen!FG Niedersachsen, Mitteilung vom 17.03.2021 zum Urteil 11 K 201/19 vom 25.02.2021
In einer aktuellen Entscheidung hatte der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts über die Frage zu entscheiden, ob Strom, den der Vermieter über eine Photovoltaikanlage erzeugt und an die Mieter liefert, umsatzsteuerlich als Nebenleistung der Vermietung anzusehen ist. Das Gericht hat diese Frage in seinem Urteil vom 25. Februar 2021 verneint und der Klage stattgegeben.
Hintergrund: Der Kläger vermietet mehrere Wohnungen umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) und hatte im Streitjahr auf dem Dach der Häuser Photovoltaikanlagen installiert. Den erzeugten Strom speicherte der Kläger und lieferte ihn an die Mieter zu einem handelsüblichen Preis. Die jährliche Abrechnung erfolgte über einzelne Zähler mit einer individuellen Abrechnung für jeden Mieter. Hierzu schloss der Kläger mit den Mietern eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, in der u. a. geregelt war, dass der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann. Für einen anderweitigen Bezug des Stroms hatte der Mieter die dafür erforderlich werden Umbaukosten (ca. 500 Euro) zu tragen. Die Vorsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) aus den Eingangsrechnungen des Installationsbetriebs machte der Kläger steuermindernd geltend. Das beklage Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründung, dass die Stromlieferung eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung sei (Hinweis auf Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Das Finanzgericht sah dies anders und gab der Klage statt.
Es handele sich bei der Stromlieferung um eine selbstständige Leistung neben der Vermietung. Maßgebend dafür sei, dass die Verbrauchsmenge individuell mit den Mietern abgerechnet werde und die Mieter die Möglichkeit hätten, den Stromanbieter frei zu wählen. Dass sie für den Fall der Kündigung des Stromliefervertrags mit dem Kläger die Umbaukosten zu tragen hätten, um dann den Strom von einem anderen Anbieter zu beziehen, erschwere den Wechsel zwar, mache ihn aber keinesfalls unmöglich. Auch der EuGH habe in einem vergleichbaren Fall die Stromlieferung als von der Vermietung getrennt angesehen (EuGH, Urteil vom 16.04.2015 – C-42/14).
Im Hinblick darauf, dass der BFH über diese Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat und die Finanzverwaltung das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-42/14 nicht anwendet, hat das Finanzgericht die Revision zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.
Quelle: FG Niedersachsen
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... weiterlesen!- 17. März 2021
Der Hamburger Hafen als weiträumiges Tätigkeitsgebiet im Sinne des neuen Reisekostenrechts
FG Niedersachsen, Mitteilung vom 17.03.2021 zum Urteil 4 K 11006/17 vom 03.02.2021
Der 4. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat mit Urteil vom 3. Februar 2021 entschieden, dass das Hamburger Hafengebiet für einen Hafenarbeiter, der im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung seines Arbeitgebers bei verschiedenen Hafeneinzelbetrieben auf diesem Gebiet eingesetzt wird, „dasselbe typischerweise arbeitstäglich aufzusuchende weiträumige Tätigkeitsgebiet“ darstellt, sodass Fahrten zwischen Wohnung und dem Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden können.
Damit gelangt das Finanzgericht auf den ersten Blick zu einem anderen Ergebnis als der Bundesfinanzhof (BFH), der bereits im Jahr 2019 den Hamburger Hafen im Lichte des neuen Reisekostenrechts zu bewerten hatte (BFH, Urteil vom 11. April 2019 – VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019 S. 543).
In dem damaligen Revisionsfall des Bundesfinanzhofs hatte der Revisionskläger als sog. Gesamthafenarbeiter neben seinem Dienstverhältnis mit dem Gesamthafenbetrieb Hamburg zusätzlich Dienstverhältnisse mit den verschiedenen Hafeneinzelbetrieben, die auf die jeweilige – teilweise eintägige – Dauer seines dortigen Arbeitseinsatzes befristet waren. Für diese – wenn auch nur sehr kurze – „Dauer des Dienstverhältnisses“ erfolgte eine Zuordnung des Revisionsklägers zu der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Hafeneinzelbetriebes, sodass dort nach § 9 Abs. 4 EStG die erste Tätigkeitsstätte des jeweiligen Dienstverhältnisses gegeben war und die Entfernungspauschale zur Anwendung kam.
Der Kläger im Fall des Niedersächsischen Finanzgerichts war dagegen kein solcher Gesamthafenarbeiter mit mehreren Dienstverhältnissen. Er war vielmehr ausschließlich bei einem Unternehmen angestellt, das u. a. auch die Arbeitnehmerüberlassung auf dem Gebiet des Hamburger Hafens betrieb. Im Rahmen dieser Arbeitnehmerüberlassung wurde der Kläger bei verschiedenen Hafeneinzelbetrieben tätig. Die jeweilige Zuordnung zu diesen Hafeneinzelbetrieben erfolgte durch den Arbeitgeber des Klägers an jedem Arbeitstag neu, sodass sie nicht „dauerhaft“ war und in der Folge keine erste Arbeitsstätte vorlag. Der Kläger hatte für seinen Arbeitseinsatz jedoch „typischerweise arbeitstäglich“ das Gebiet des Hamburger Hafens und damit „dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet“ aufzusuchen. Trotz Fehlens einer ersten Arbeitsstätte waren die Fahrten von seiner Wohnung bis zum Hafenzugang daher nur mit der Entfernungspauschale anzusetzen.
Quelle: FG Niedersachsen, Newsletter 3/2021
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-2252 / 19 / 10012 :011 vom 16.03.2021
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000 (BStBl I S. 1508) wie folgt neu gefasst:
Aufgrund der Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG und der Änderung des § 10 Nr. 2 KStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) können Zinsen auf Steuernachforderungen gemäß § 233a AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden. Demgegenüber führen Zinsen auf Steuererstattungen gemäß § 233a AO beim Gläubiger zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder in Verbindung mit § 20 Abs. 8 EStG zu Einkünften anderer Art. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen führt regelmäßig nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit. Es handelt sich vielmehr um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die konsequent daran anknüpft, dass private Schuldzinsen nicht abzugsfähig, Guthabenzinsen aber steuerpflichtig sind. Die Regelung kann jedoch in Einzelfällen zu einem sachlich unbilligen Ergebnis führen, wenn – bezogen auf die Steuerbemessungsgrundlage der Einkommen- oder Körperschaftsteuer – sowohl Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen gegenüber demselben Steuerpflichtigen auf ein und demselben Ereignis beruhen.
Zur Vermeidung unbilliger Härten gilt nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
Aus Gründen sachlicher Härte sind auf Antrag Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit ihnen nicht abziehbare Nachzahlungszinsen gegenüberstehen, die auf ein und demselben Ereignis beruhen. Dabei sind die Erstattungszinsen und die diesen gegenüberstehenden Nachzahlungszinsen auf den Betrag der jeweils tatsächlich festgelegten Zinsen begrenzt. Der Antrag ist bei dem für die Personensteuer örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen.
Ereignis in diesem Sinne ist der einzelne Vorgang, der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erhöht oder vermindert (z. B. Erhöhung des Warenbestandes eines Jahres/Erhöhung des Wareneinsatzes im Folgejahr).
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!- 16. März 2021
Kein Verstoß der polnischen Einzelhandelssteuer und der ungarischen Werbesteuer gegen Beihilferecht der Union
EuGH, Pressemitteilung vom 16.03.2021 zu den Urteilen C-562/19 P und C-596/19 P vom 16.03.2021
Die polnische Einzelhandelssteuer und die ungarische Werbesteuer verstoßen nicht gegen das Beihilferecht der Union.
Der Gerichtshof weist daher die Rechtsmittel der Kommission zurück und bestätigt die Urteile des Gerichts.
Mit einem Gesetz, das am 1. September 2016 in Kraft trat, führte Polen eine Einzelhandelssteuer ein. Bemessungsgrundlage war der 17 Mio. polnische Zloty (PLN) (ungefähr 4 Mio. Euro) übersteigende monatliche Umsatz aus dem Einzelhandelsverkauf von Waren an Verbraucher. Es gab zwei Steuersätze: einen Satz von 0,8 % für den monatlichen Umsatz zwischen 17 Mio. und 170 Mio. PLN und einen Satz von 1,4 % für den darüber hinausgehenden Teil des Umsatzes.
Am Ende des mit Beschluss vom 19. September 20161 in Bezug auf diese Maßnahme eingeleiteten förmlichen Prüfverfahrens stellte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 30. Juni 20172 fest, dass diese progressive Steuer eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle, und gab Polen auf, mit Wirkung vom 30. Juni 2017 alle ausgesetzten Zahlungen dieser Steuer zu annullieren.
Mit Urteil vom 16. Mai 20193 hat das von Polen angerufene Gericht der Europäischen Union zum einen den Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und zum anderen den Negativbeschluss betreffend Polen für nichtig erklärt. Es hat ausgeführt, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Einführung einer progressiven Steuer auf den Umsatz aus dem Einzelhandelsverkauf von Waren den Unternehmen, deren damit verbundener Umsatz nicht besonders hoch sei, einen selektiven Vorteil verschaffe, und sie habe nach der Aktenlage zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die fragliche steuerliche Maßnahme in diesem Beschluss nicht vorläufig als neue Beihilfe einstufen dürfen, ohne sich darauf zu stützen, dass insoweit berechtigte Zweifel bestünden.
Ungarn führte mit einem Gesetz, das am 15. August 2014 in Kraft trat, eine progressive Steuer auf Einkünfte ein, die in Ungarn mit der Verbreitung von Werbung erzielt werden. Diese Steuer auf den Nettoumsatz von Unternehmen, die in Ungarn Werbung verbreiten (Herausgeber von Printmedien und audiovisuellen Medien, Anzeigendienste), umfasste zunächst sechs und später zwei progressiv nach dem Umsatz gestaffelte Sätze und sah vor, dass Steuerpflichtige, deren Gewinn vor Steuern im Geschäftsjahr 2013 gleich null oder negativ war, 50 % der aus früheren Geschäftsjahren vorgetragenen Verluste von ihrer Bemessungsgrundlage abziehen konnten.
Am Ende des mit Beschluss vom 12. März 20154 in Bezug auf diese Maßnahme eingeleiteten förmlichen Prüfverfahrens stellte die Kommission mit Beschluss vom 4. November 20165 fest, dass die fragliche steuerliche Maßnahme Ungarns sowohl wegen ihrer progressiven Struktur als auch wegen der mit ihr verbundenen Möglichkeit des Abzugs vorgetragener Verluste eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle, und ordnete die unverzügliche und effektive Rückforderung der gezahlten Beihilfen von den Empfängern an.
Mit Urteil vom 27. Juni 20196 hat das von Ungarn angerufene Gericht den letztgenannten Beschluss mit der Begründung für nichtig erklärt, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die fragliche steuerliche Maßnahme und der Mechanismus der teilweisen Abzugsfähigkeit vorgetragener Verluste selektive Vorteile darstellten.
Mit zwei Urteilen vom 16. März 2021 weist der Gerichtshof (Große Kammer) die von der Kommission gegen die angefochtenen Urteile eingelegten Rechtsmittel zurück. Die Kommission hat mit ihren Rechtsmitteln insbesondere geltend gemacht, das Gericht habe gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen, als es entschieden habe, dass der progressive Charakter der jeweiligen Umsatzbesteuerung zu keinem selektiven Vorteil führe.
Der Gerichtshof weist in seinen Urteilen die Rügen der Kommission zurück und bestätigt damit für den Bereich der staatlichen Beihilfen den in Bezug auf die Grundfreiheiten des Binnenmarkts aufgestellten Grundsatz, dass es den Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des Steuerrechts der Union freisteht, das ihnen am geeignetsten erscheinende Steuersystem einzuführen, sodass die Anwendung einer an den Umsatz anknüpfenden progressiven Besteuerung in das Ermessen jedes Mitgliedstaats fällt7, sofern die grundlegenden Merkmale der fraglichen Maßnahme kein offensichtlich diskriminierendes Element aufweisen.
Würdigung durch den Gerichtshof
Einleitend weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Einstufung einer allgemeinen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV von der Selektivität des durch die betreffende Maßnahme gewährten Vorteils abhängt, was bedeutet, dass der Klärung bedarf, ob diese Maßnahme geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann. Insbesondere muss die Kommission, wenn es sich um eine nationale steuerliche Maßnahme handelt, zunächst das Referenzsystem, also die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende „normale“ Steuerregelung, ermitteln und dann dartun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme insofern von diesem Referenzsystem abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Referenzsystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, ohne jedoch aufgrund der Natur oder des Aufbaus des in Rede stehenden Systems gerechtfertigt zu sein.
Im Licht dieser Erwägungen prüft der Gerichtshof zunächst, ob das Gericht im vorliegenden Fall zu Recht entschieden hat, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass durch den progressiven Charakter der fraglichen steuerlichen Maßnahmen „bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen“ ein selektiver Vorteil verschafft werde. Insoweit bestätigt der Gerichtshof die Würdigung des Gerichts, wonach die von den fraglichen steuerlichen Maßnahmen vorgesehene Progression der Steuersätze integraler Bestandteil des Referenzsystems ist, anhand dessen das Vorliegen eines selektiven Vorteils zu prüfen ist.
Den Mitgliedstaaten steht es nämlich aufgrund der ihnen außerhalb der Bereiche, die Gegenstand einer unionsrechtlichen Harmonisierung waren, zuerkannten Steuerautonomie frei, das ihnen am geeignetsten erscheinende Steuersystem einzuführen, indem sie gegebenenfalls eine progressive Besteuerung anwenden. Insbesondere hindert das Unionsrecht im Bereich der staatlichen Beihilfen die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht daran, sich für progressive Steuersätze zu entscheiden, mit denen der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen Rechnung getragen werden soll. Überdies sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Anwendung progressiver Steuersätze allein der Besteuerung von Gewinnen vorzubehalten und Steuern, die an den Umsatz anknüpfen, davon auszuschließen.
Unter diesen Umständen bilden die grundlegenden Merkmale der Steuer, zu denen die progressiven Steuersätze gehören, grundsätzlich das Referenzsystem bzw. die „normale“ Steuerregelung für die Zwecke einer Prüfung der Voraussetzung der Selektivität. Es obliegt der Kommission, gegebenenfalls nachzuweisen, dass die Merkmale einer nationalen steuerlichen Maßnahme in offensichtlich diskriminierender Weise ausgestaltet wurden, so dass sie vom Referenzsystem auszunehmen wären; dies könnte sich insbesondere an einer Wahl von Besteuerungskriterien zeigen, die angesichts des mit dieser Maßnahme verfolgten Ziels inkohärent ist. Hierzu stellt der Gerichtshof jedoch für den vorliegenden Fall fest, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die jeweiligen Merkmale der vom polnischen bzw. vom ungarischen Gesetzgeber erlassenen Maßnahme in offensichtlich diskriminierender Weise ausgestaltet worden wären, um die Anforderungen zu umgehen, die sich aus dem Unionsrecht im Bereich staatlicher Beihilfen ergeben. Das Gericht hat somit in den angefochtenen Urteilen zu Recht entschieden, dass sich die Kommission mit ihrer Annahme, dass der progressive Tarif der fraglichen steuerlichen Maßnahmen nicht Teil des bei ihrer Beurteilung der Selektivität dieser Maßnahmen heranzuziehenden Referenzsystems sei, fälschlich auf ein unvollständiges und fiktives Referenzsystem stützte.
In der die Einzelhandelssteuer in Polen betreffenden Rechtssache (C-562/19 P) prüft der Gerichtshof sodann die Gründe, auf die sich das Gericht gestützt hat, als es auch den Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens in Bezug auf die steuerliche Maßnahme Polens für nichtig erklärte. Im vorliegenden Fall hat das Gericht im Wesentlichen entschieden, dass die Kommission die vorläufige Einstufung der fraglichen steuerlichen Maßnahme als neue Beihilfe auf eine offensichtlich fehlerhafte Prüfung gestützt habe, durch die daher nicht rechtlich hinreichend untermauert werden konnte, dass es berechtigte Zweifel hinsichtlich der Einstufung dieser Maßnahme als neue Beihilfe gab. Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich die vom Unionsrichter ausgeübte Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens auf die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV beschränkt. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich das Gericht bei seiner Entscheidung auf die Prüfung beschränkt hat, ob die von der Kommission im Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vorgenommene vorläufige Einstufung als staatliche Beihilfe offensichtliche Beurteilungsfehler aufwies, und dass es diesen Beschluss jedenfalls nicht infolge einer bloßen Wiederholung der Gründe für nichtig erklärt hat, aus denen es den Negativbeschluss betreffend Polen für nichtig erklärt hatte. Folglich weist der Gerichtshof die Rechtsmittelgründe zurück, die sich dagegen richten, dass das Gericht mit seinem Urteil den Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und die damit verbundene Aussetzungsanordnung für nichtig erklärt hat.
In der die Werbesteuer in Ungarn betreffenden Rechtssache (C-596/19 P) entscheidet der Gerichtshof schließlich, dass das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der vorübergehende Mechanismus der teilweisen Abzugsfähigkeit vorgetragener Verluste zu keinem selektiven Vorteil führte. Der Erlass einer vorübergehenden, den Gewinnen Rechnung tragenden Maßnahme war nämlich im Hinblick auf das vom ungarischen Gesetzgeber mit der Einführung der Werbesteuer angestrebte Ziel der Umverteilung nicht inkohärent. Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass im vorliegenden Fall das Kriterium des Ausbleibens von Gewinnen im Wirtschaftsjahr vor dem Inkrafttreten dieser Steuer objektiver Natur ist, da die Unternehmen, denen der vorübergehende Mechanismus der teilweisen Abzugsfähigkeit von Verlusten zugutekommt, insofern eine geringere Leistungsfähigkeit haben als die übrigen Unternehmen.
Aus diesen Gründen weist der Gerichtshof die von der Kommission gegen die angefochtenen Urteile eingelegten Rechtsmittel in vollem Umfang zurück.
Fußnoten
1 Beschluss vom 19. September 2016 über die staatliche Beihilfe SA.44351 (2016/C) (ex 2016/NN) – Polnische Einzelhandelssteuer – Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 [AEUV] (ABl. 2016, C 406, S. 76, im Folgenden: Einleitungsbeschluss).
2 Beschluss (EU) 2018/160 vom 30. Juni 2017 über die staatliche Beihilfe SA.44351 (2016/C) (ex 2016/NN), die Polen in Bezug auf die Einzelhandelssteuer gewährt hat (ABl. 2018, L 29, S. 38, im Folgenden: Negativbeschluss betreffend Polen).
3 Urteil des Gerichts vom 16. Mai 2019, Polen/Kommission, T-836/16 und T-624/17; vgl. auch Pressemitteilung Nr. 64/19.
4 Beschluss vom 12. März 2015 über die staatliche Beihilfe SA.39235 (2015/C) (ex 2015/NN) – Ungarn – Werbesteuer – Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 [AEUV] (ABl. 2015, C 136, S. 7).
5 Beschluss (EU) 2017/329 der Kommission vom 4. November 2016 über die Maßnahme SA.39235 (2015/C) (ex 2015/NN) Ungarns bezüglich der Besteuerung von Werbeumsätzen (ABl. 2017, L 49, S. 36).
6 Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2019, Ungarn/Kommission, T-20/17; vgl. auch Pressemitteilung Nr. 84/19 (zusammen mit dem oben angeführten Urteil Polen/Kommission im Folgenden: angefochtene Urteile).
7 Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország, C-75/18, Rn. 49, und Tesco-Global Áruhazák, C-323/18, Rn. 69 (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 20/20), sowie, für den Bereich der staatlichen Beihilfen, Urteil vom 26. April 2018, ANGED, C-233/16, Rn. 50 (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 57/18).
Quelle: EuGH
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... weiterlesen!- 16. März 2021
Vorsteuer-Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 bis 61a UStDV) – Gegenseitigkeit (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG)
BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7359 / 19 / 10005 :001 vom 15.03.2021
Mit BMF-Schreiben IV D 3 – S-7359 / 07 / 10009 (2014/0927860) vom 17. Oktober 2014 (BStBl I S. 1369) zum Vorsteuer-Vergütungsverfahren ist je ein Verzeichnis der Drittstaaten, zu denen die Gegenseitigkeit im Sinne des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG (neu: § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG) besteht, und der Drittstaaten, zu denen die Gegenseitigkeit nicht gegeben ist, herausgegeben worden.
Hiermit werden die Verzeichnisse durch die beiliegenden, geänderten Verzeichnisse ersetzt. Die Änderungen beruhen auf der Feststellung, dass die Gegenseitigkeit zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) seit dem 1. Januar 2021 gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass die Gegenseitigkeit zu Antigua und Barbuda, Iran, Liberia und zum Königreich Eswatini (ehemals: Swasiland) nicht mehr und zu Laos, Gambia, Kosovo sowie St. Kitts und Nevis nicht gegeben ist. Ergänzungen und Änderungen sind durch Randstriche kenntlich gemacht.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird darüber hinaus der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12. März 2021 – III C 3 – S-7170 / 20 / 10005 :001 (2021/0226645) -, BStBl I S. xxxx, geändert worden ist, in Abschnitt 18.11 wie folgt geändert:
- Absatz 4 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird im Klammerzusatz die Angabe „§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG“ durch die Angabe „§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG“ ersetzt.
b) In Satz 3 wird die Angabe „17. 10. 2014, BStBl I S. 1369,“ durch die Angabe „15. 3. 2021, BStBl I S. xxx,“ ersetzt.
- In Absatz 5 wird der Klammerzusatz wie folgt gefasst:
„(§ 18 Abs. 9 Satz 6 UStG)“.
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Die Regelungen der Randziffern 18 bis 21 des BMF-Schreibens vom 10. Dezember 2020 – III C 1 – S-7050 / 19 / 10001 :002 (2020/1285153) -, BStBl I Seite 1370, bleiben unberührt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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Das Schreiben mit Anlagen finden Sie auf der Homepage des BMF.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7170 / 20 / 10005 :001 vom 12.03.2021
Durch Artikel 1 Nr. 2 der Dritten Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 22. Mai 2017 wurde zum 30. Mai 2017 die Überlassung von Substitutionsmitteln durch Apotheken an den Patienten zum unmittelbaren Verbrauch geregelt. Ferner wurde durch Artikel 2 Nr. 5a des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) zum 1. März 2020 durch § 132j SGB V die Möglichkeit regionaler Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken geschaffen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 4. März 2021 – III C 2 – S-7105 / 20 / 10001 :001 (2021/0174033), BStBl I S. xxx, geändert worden ist, in Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 der Satz 1 wie folgt geändert:
- In Nummer 13 wird der Punkt am Ende durch ein Semikolon ersetzt.
- Nach Nummer 13 wird folgende Nummer 14 angefügt:
„14. Apothekerinnen und Apotheker, die im Rahmen des Modellvorhabens nach § 132j SGB V Grippeschutzimpfungen durchführen, oder die nach § 5 Abs. 10 Satz 2 Nr. 2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung Substitutionsmittel dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen.“
Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 1. April 2021 ausgeführt werden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 Nr. 14 UStAE umsatzsteuerpflichtig behandelt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0261 / 20 / 10001 :010 vom 16.03.2021
Das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 (BGBl. I S. 237) ist am 19. Februar 2021 und damit noch vor Ablauf der regulären Erklärungsfrist des § 149 Abs. 3 Halbsatz 1 AO in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wurde die Erklärungsfrist in beratenen Fällen für den Besteuerungszeitraum 2019 um sechs bzw. fünf Monate verlängert (Artikel 97 § 36 Abs. 1 EGAO). Einer Verlängerung der Steuererklärungsfrist durch BMF-Schreiben bedarf es deshalb nicht mehr.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wird das BMF-Schreiben vom 21. Dezember 2020 (BStBl I 2021 S. 44) mit sofortiger Wirkung ersatzlos aufgehoben.
Quelle: BMF
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... weiterlesen!FG Münster, Pressemitteilung vom 15.03.2021 zum Urteil 7 K 3409/20 vom 17.02.2021
Es ist nicht unbillig, Stückzinsen bei der Veräußerung ererbter Investmentanteile mit dem Abgeltungsteuersatz zu belasten, wenn diese auf einen Zeitraum vor dem Erbfall entfallen und daher bereits der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Dies hat der 7. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 17. Februar 2021 (Az. 7 K 3409/20 AO) entschieden.
Der Kläger erbte im Jahr 2013 Investmentanteile an einem thesaurierenden Geldmarktfonds. Diese Anteile wurden mit einem Wert von ca. 120.000 Euro der Erbschaftsteuer unterworfen. Im Jahr 2017 veräußerte er die Wertpapiere zu einem Kurswert von ca. 115.000 Euro. Nach der Steuerbescheinigung der Sparkasse waren im Veräußerungserlös Stückzinsen in Höhe von ca. 35.000 Euro enthalten. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger geltend, dass aufgrund des gefallenen Kurses die Stückzinsen auf einen Zeitraum vor dem Erbfall entfielen. Die anteilige Erbschaftsteuerbelastung hierauf betrage 30 % (ca. 10.500 Euro), sodass die Einkommensteuer nach § 35b EStG zu ermäßigen sei. Das Finanzamt unterwarf die Stückzinsen dem Abgeltungsteuersatz von 25 % und berücksichtigte keine Steuerermäßigung, weil diese nur für die tarifliche Einkommensteuer gelte. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig, nachdem der Kläger auf Hinweis des Gerichts die hiergegen erhobene Klage zurückgenommen hatte. Anschließend beantragte der Kläger eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen und führte hierfür die Doppelbelastung der Stückzinsen an, die mit 30 % Erbschaftsteuer und 25 % Abgeltungsteuer über dem Spitzensteuersatz liege. Spätestens seit Einführung der Abgeltungsteuer seien Erbschaft- und Einkommensteuergesetz nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und verwies auf die eindeutige gesetzliche Regelung in § 35b EStG, der nur die tarifliche Einkommensteuer erfasse, sowie auf die Möglichkeit der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG.
Der 7. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Der Umstand, dass die Steuerermäßigung nach § 35b EStG auf Kapitaleinkünfte, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, nicht anwendbar sei, sei nicht sachlich unbillig. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er diese Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Aus der gesetzlichen Systematik ergebe sich, dass die streitbefangenen Wertpapiere sowohl der Erbschaft- als auch der Einkommensteuer zu unterwerfen seien. Die aus der späteren Veräußerung resultierende Einkommensteuer sei nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abziehbar. Umgekehrt könne die Erbschaftsteuer als Personensteuer auch nicht bei der Einkommensteuer abgezogen werden. Mit § 35b EStG habe der Gesetzgeber zwar die Doppelbelastung mit beiden Steuern abmildern wollen, habe dies aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Diese Abmilderung habe er bewusst auf die tarifliche Einkommensteuer beschränkt. Hierfür spreche, dass bei Einfügung des § 35b im Jahr 2008 das Unternehmenssteuerreformgesetz, mit dem die Abgeltungsteuer eingeführt wurde, bereits verabschiedet gewesen sei. Außerdem solle mit § 35b EStG eine Doppelbelastung lediglich verringert und nicht vollständig ausgeschlossen werden. Bei Kapitaleinkünften, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, falle die Doppelbelastung weniger stark ins Gewicht als bei anderen Einkünften. Zudem finde § 35b EStG bei einer positiv ausfallenden Günstigerprüfung Anwendung. Die Doppelbelastung führe auch nicht zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung, da es sich bei der Erbschaftsteuer einerseits und der Einkommensteuer andererseits um unterschiedliche steuerauslösende Tatbestände handele.
Quelle: FG Münster
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... weiterlesen!FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2021 zum Urteil 5 K 436/20 vom 28.01.2021
Die Erstellung und die Übermittlung einer Bilanz in elektronischer Form sind für Kleinstbetriebe wirtschaftlich unzumutbar, wenn hierdurch ein erheblicher finanzieller Aufwand verursacht wird. Dies hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 28. Januar 2021 (Az. 5 K 436/20 AO) entschieden.
Die Klägerin ist eine GmbH, die Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen erbringt. Einen Steuerberater nimmt sie für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten nicht in Anspruch. Für das Jahr 2015 übermittelte die Klägerin ihre Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung elektronisch an das Finanzamt und verwendete hierfür ein Computerprogramm, das vom Bundesanzeiger Verlag angeboten wird. Ihr Umsatz betrug für dieses Jahr ca. 70.000 Euro und der Gewinn ca. 300 Euro.
Für 2016 beantragte die Klägerin beim Finanzamt die Befreiung von der elektronischen Übermittlungspflicht und führte zur Begründung aus, dass die von ihr für die laufende Buchführung angeschaffte Buchhaltungssoftware nicht mit den Vorgaben der Finanzverwaltung für die elektronische Erstellung und Übermittlung einer Bilanz kompatibel sei. Die Inanspruchnahme eines Steuerberaters zur Erstellung der E-Bilanz würde jährlich mehr als 2.000 Euro kosten. Die Umstellung der Software würde jährliche Mehrkosten von 267 Euro sowie einen jährlichen Arbeitsmehraufwand von 60 Stunden verursachen. Für die Erstellung der elektronischen Bilanz für 2015 habe der Geschäftsführer insgesamt vier Arbeitstage benötigt. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und führte im Wesentlichen die Vorteile der Finanzverwaltung an, die sich aus der automatisierten Überprüfung der E-Bilanz ergäben
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Die Klägerin habe – so der 5. Senat des Finanzgerichts Münster – einen Anspruch darauf, dass das Finanzamt auf eine elektronische Übermittlung der Bilanz verzichtet, denn dies sei für sie wirtschaftlich unzumutbar im Sinne der Härtefallregelung (§ 5b Abs. 2 Satz 2 EStG i. V. m. § 150 Abs. 8 AO). Die Klägerin habe keinen Steuerberater und verfüge selbst nicht über die erforderliche technische Ausstattung. Das von ihr im Jahr 2010 für die laufende Buchführung angeschaffte Computerprogramm generiere zwar einen zum Ausdruck bestimmten Jahresabschluss sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung. Es verfüge aber nicht über den für die nach § 5b EStG zur elektronischen Datenübermittlung erforderlichen Standard.
Die Schaffung der technischen Möglichkeiten wäre für die Klägerin nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich. Dies gelte sowohl für die Beauftragung eines Steuerberaters als auch für die Anschaffung eines neuen Buchführungsprogramms zuzüglich des eigenen Zeitaufwands des Geschäftsführers. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin angesichts ihrer Umsatz- und Gewinnzahlen als Kleinstbetrieb anzusehen sei, der vom Gesetzgeber mit der Härtefallregelung geschützt werden solle. Diese Regelung sei großzügig in dem Sinne auszulegen, dass wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht mit wirtschaftlicher Leistbarkeit gleichzusetzen sei.
Quelle: FG Münster, Newsletter März 2021
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... weiterlesen!FG Köln, Pressemitteilung vom 15.03.2021 zum Urteil 3 K 1858/18 vom 30.09.2020
Aufwendungen für die Unterbringung in einer Pflege-WG sind steuermindernde außergewöhnliche Belastungen. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinem am 15.03.2021 veröffentlichten Urteil vom 30.09.2020 (Az. 3 K 1858/18) entschieden.
Der 1965 geborene Kläger ist aufgrund eines Motorradunfalls schwerbehindert. Neben einem Grad der Behinderung von 100 weist sein Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen G (erheblich gehbehindert), B (Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nötig) und H (hilflos) aus. Er ist von der Pflegekasse in Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit) eingestuft.
Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung Miet- und Verpflegungskosten für seine Unterbringung in einer Pflege-WG als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Der Kläger sei nicht in einem Heim, sondern in einer Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen i. S. d. § 24 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NW) untergebracht.
Dem folgte das Gericht nicht und berücksichtigte die Kosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastungen. Die Unterbringung eines Menschen im arbeitsfähigen Alter in einer Pflege-WG sei außergewöhnlich. Auch sei kein Unterschied zwischen den verschiedenen, vom Gesetzgeber gleichermaßen anerkannten Formen der Unterbringung pflegebedürftiger Menschen ersichtlich.
Das Finanzamt hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VI R 40/20 beim Bundesfinanzhof in München anhängig ist.
Quelle: FG Köln
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... weiterlesen!BMWi, Pressemitteilung vom 12.03.2021
Heute ist das Verfahren für die regulären Auszahlungen der Überbrückungshilfe III angelaufen. Damit können die Bundesländer ab heute mit der Prüfung der Anträge beginnen. Die Auszahlung der vollständigen Beträge durch die Länder kann damit wie geplant noch im März erfolgen.
Bundeswirtschaftsminister Altmaier hierzu: „Nachdem heute Morgen die Abschlagszahlungen bereits wieder gestartet sind, ist jetzt auch das Fachverfahren bei der Überbrückungshilfe III angelaufen. Die Länder können ab heute mit der Bearbeitung der Anträge beginnen. Die vollständigen Auszahlungen werden damit wie geplant noch im März fließen können. Das ist eine wichtige Nachricht für viele Unternehmerinnen und Unternehmen, die weiterhin stark von den Corona-Beschränkungen betroffen sind.“
Unternehmen, die von der Corona-Pandemie stark betroffen sind, können mit der Überbrückungshilfe III für die Zeit bis Ende Juni 2021 staatliche Unterstützung in Höhe von monatlich bis zu 1,5 Millionen Euro bzw. bis zu 3 Millionen Euro für verbundene Unternehmen erhalten. Die Unterstützung muss nicht zurückgezahlt werden. Die endgültige Entscheidung über die Anträge und die reguläre Auszahlung erfolgt durch die Bundesländer. Unternehmen können unmittelbar nach der Antragstellung eine vorläufige Teilzahlung aus der Bundeskasse (Abschlagszahlung) von bis zu 100.000 Euro pro Fördermonat erhalten.
Die Antragstellung für die Überbrückungshilfe III erfolgt über die bundesweit einheitliche Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de.
Mit dem Start der regulären Auszahlungen bei der Überbrückungshilfe III befinden sich nun alle Corona-Hilfen in der Zuständigkeit der Länder. Das reguläre Auszahlungsverfahren bei den Novemberhilfen liegt seit 12. Januar 2021 in der Zuständigkeit der Länder; bei den Dezemberhilfen ist das Verfahren seit 1. Februar 2021 bei den Ländern. Heute folgt nun das letzte noch fehlende Fachverfahren für die Überbrückungshilfe III.
Quelle: BMWi
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... weiterlesen!BMWi, Pressemitteilung vom 12.03.2021
Zu den Verdachtsfällen bei den Corona-Hilfen erklärt eine BMWi-Sprecherin:
- Die Abschlagszahlungen für die Corona-Hilfsprogramme werden heute wieder aufgenommen. Diese mussten zuvor aufgrund von Betrugsfällen kurzfristig angehalten werden. Die regulären Auszahlungen waren zu keinem Zeitpunkt unterbrochen. Somit ist sichergestellt, dass alle Auszahlungen ab heute wieder vollumfänglich erfolgen.
- Die kurzzeitige Unterbrechung der Abschlagszahlungen war rechtlich geboten und notwendig, um im Austausch mit den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden, aber auch dem BSI und dem Bundesfinanzministerium Unregelmäßigkeiten zu prüfen und Vorkehrungen zu treffen, um die Wiederholung derartiger Betrugsversuche künftig zu verhindern.
- Mit Stand heute Morgen wurden seit November 2020 bereits rund 9,6 Mrd. Euro an Hilfen an die Betroffenen überwiesen. Bei der November- und Dezemberhilfe sind damit bereits 96 Prozent der Abschlagszahlungen auf den Konten der Empfänger. Die weitere Auszahlung der November- und Dezemberhilfe wird nun von den Ländern vorgenommen. Das reguläre Auszahlungsverfahren liegt seit 12.01.2021 bei der Novemberhilfe und seit 01.02.2021 bei der Dezemberhilfe bei den Ländern. Bei der Neustarthilfe wurden mit Stand heute Morgen 88.913 Anträge gestellt mit einem Volumen von 528 Millionen Euro. 493 Millionen Euro und damit knapp 94 Prozent der beantragten Summe sind auch hier bereits ausgezahlt.
Quelle: BMWi
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